07.02.2022

Psychologische Beratung

Studierende: gestiegener Beratungsbedarf in der Pandemie

Studierende bekommen die Auswirkungen der Pandemie in vielen Lebensbereichen zu spüren. Was diese Veränderungen mit den Betroffenen machen, bekommen die Berater:innen des Studierendenwerks Koblenz tagtäglich mit – denn sie sind eine der ersten Anlaufstellen für hilfesuchende Studierende. Und das bereits seit 25 Jahren: Wie sich die Probleme der Studierenden über die Jahrzehnte verändert haben, erzählt Beraterin Andrea Porz im Interview.

Die Beraterin Andrea Porz vom Studierendenwerk Koblenz. Foto: STW Koblenz

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Was die coronabedingten Veränderungen des Lebens- und Studienalltags mit den Studierenden machen, bekommen die Berater/-innen des Studierendenwerks Koblenz tagtäglich mit – denn sie sind eine der ersten Anlaufstellen für hilfesuchende Studierende. Auch während der Lockdowns waren sie durchgehend per Telefon, E-Mail oder Videoberatung erreichbar. Im Vergleich zu 2019, dem letzten Jahr vor der Pandemie, sind die Anfragen in der Beratungsstelle zuletzt um beinahe 20 Prozent gestiegen: Rund 800 Studierende haben im vergangenen Jahr Rat in der Beratungsstelle gesucht.

Die Themen, die den Studierenden auf dem Herzen liegen, haben sich seit Beginn der Pandemie ebenso verändert. So waren 2021 Stressbewältigung bzw. Erschöpfung Gegenstand in gut 18 Prozent der Beratungsgespräche – ein Anstieg um knapp 7 Prozent im Vergleich zu 2019. Auch Studienabschlussprobleme sowie Lern- und Arbeitsstörungen haben im Laufe der Pandemie zugenommen – der Anstieg beträgt gut 6 Prozent (Studienabschlussprobleme) bzw. 4 Prozent (Lern- und Arbeitsstörungen).

„Dass gerade Stress und Erschöpfung in der Pandemie zugenommen haben zeigt, wie wichtig soziale Kontakte für das Lernen und Studieren sind. Das Studium alleine vor dem Bildschirm durchzuziehen, erfordert zusätzliche Anstrengung und Disziplin“, erklärt Albert Sperber, Abteilungsleiter im Studierendenwerk Koblenz. „Wenn dann noch die Möglichkeit, Freunde zu treffen und gemeinsam etwas zu unternehmen, als Ausgleich wegfällt und vielleicht noch andere Probleme hinzukommen, kann es schon einmal zu viel werden.“

 

Studierende der Hochschule Koblenz und der Universität Koblenz finden in der Beratungsstelle des Studierendenwerks, die Ende 2021 ihren 25. Geburtstag feierte, ein offenes Ohr für jegliche Probleme und Sorgen rund um den Studierendenalltag. Ein Team aus drei Berater:innen ist für die Studierenden per Video, telefonisch oder persönlich in der Sprechstunde erreichbar – oder aber anonym über die schriftliche Online-Beratung. Besondere Unterstützung bietet die Beratungsstelle Studierenden mit Kind oder einer chronischen Erkrankung bzw. Behinderung.

 

 

Interview mit Andrea Porz

Andrea Porz ist die „Beraterin der ersten Stunde“ im Studierendenwerk Koblenz. 1996 hat sie die Beratungsstelle aufgebaut und über die vergangenen 25 Jahre hinweg an der Weiterentwicklung der Angebote für die sich wandelnden Bedürfnisse der Studierenden mitgewirkt. Über Herausforderungen, Veränderungen und Meilensteine der vergangenen 25 Jahre berichtet die Sozialpädagogin hier.

Frau Porz, wie hat sich Ihre Arbeit als Beraterin beim Studierendenwerk Koblenz über die Jahre verändert?

Die offensichtlichste Veränderung ist der Anstieg der Studierendenzahl. 1996 betreuten wir etwa 7.500 Studierende, inzwischen sind weit mehr als doppelt so viele. Das Studierendenwerk Koblenz ist heute für über 19.000 Studierende in Koblenz, Remagen und Höhr-Grenzhausen zuständig, und dementsprechend hat sich auch die Nachfrage nach Beratungsgesprächen entwickelt. Unser Team ist in der Zwischenzeit natürlich auch gewachsen – meine Kollegen Frank Steffens und Beate Bastian sind seit 2003 bzw. 2008 Teil der Beratungsstelle. Darüber hinaus können wir heute auf ein über die Jahrzehnte gewachsenes, enges Netzwerk an Kontakten zu den zahlreichen verschiedenen Anlaufstellen an der Universität und der Hochschule zurückgreifen – von den International Offices bis zu den Fachbereichen. So können wir den Studierenden mit den unterschiedlichsten Anliegen helfen und sie bei Bedarf an geeignete Stellen vermitteln.

Wie haben sich Themen und Probleme der Studierenden verändert?

Ein spürbarer Einschnitt war die Bologna-Reform mit der Umstellung auf Bachelor- und Masterstudiengänge ab 1999. Seitdem kamen immer mehr Studierende zu uns in die Beratungsstelle, die mit dem gestiegenen Leistungsdruck zu kämpfen hatten. Bis heute ist das ein vorherrschendes Thema. In den vergangenen Jahren ist auch die Zahl der Studierenden aus dem Ausland deutlich gewachsen. Das bringt im Berateralltag Herausforderungen wie Sprachbarrieren mit sich, viel wichtiger ist es jedoch, unterschiedliche Kulturen kennen- und verstehen zu lernen – denn sie prägen natürlich den Umgang mit bestimmten Problemen.

Wie hat sich Corona auf die Studierenden ausgewirkt?

Seit der Corona-Pandemie sind Studierende verstärkt mit existenziellen Bedrohungen konfrontiert. Viele sind auf ihre Nebenjobs angewiesen, beispielsweise in der Gastronomie. Wenn die von heute auf morgen wegfallen, ist das ein enormer Stressfaktor. Auch Ängste oder Einsamkeit spielen eine Rolle – ein ausländischer Student sagte einmal zu mir: „Frau Porz, Sie sind seit Wochen die Einzige, mit der ich Deutsch spreche.“ Es gibt aber auch Studierende, die vom Online Studium profitieren – vor allem beeinträchtigte Studierende und Studierende mit Kind, die ihren Alltag durch den digitalen Semesterbetrieb flexibler gestalten konnten.

Ist es im Laufe der Jahre für Studierende selbstverständlicher geworden, Beratung in Anspruch zu nehmen?

Mein Eindruck ist, dass es zunehmend „enttabuisiert“ ist, eine psychologische Beratung in Anspruch zu nehmen. Studierende sprechen auch untereinander offener darüber und nahezu jeder kennt jemanden, der sich Hilfe holt. Dennoch gibt es immer noch Studierende, die noch nie etwas von uns gehört haben – trotz unserer Präsenz auf zahlreichen Veranstaltungen wie z. B. Erstsemesterbegrüßungen.