05.12.2012

Studiengebühren auch in Bayern und Niedersachsen abschaffen!

Die 73. ordentliche Mitgliederversammlung des Deutschen Studentenwerks (DSW) fordert auch die Bundesländer Bayern und Niedersachsen auf, unverzüglich Studiengebühren abzuschaffen und entsprechende Ausgleichszahlungen zur Sicherung der Grundfinanzierung an die Hochschulen zu leisten.

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Begründung:

Von den ursprünglich sieben Bundesländern (Baden-Württemberg, Bayern, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Saarland), in denen seit dem Wintersemester 2006/2007 allgemeine Studiengebühren erhoben wurden, werden seit dem Wintersemester 2012/2013 (Abschaffung in Hamburg) nur noch in Bayern und Niedersachsen allgemeine Studiengebühren erhoben.

 

Das Deutsche Studentenwerk hat immer wieder betont, dass Studienbeiträge aufgrund der unterschiedlichen herkunftsabhängigen Bildungsbeteiligung kein geeignetes Instrument sind, um:
 

  • den künftigen Anforderungen des Arbeitsmarkts und der Wirtschaftsentwicklung sowie dem höheren Bedarf an Hoch- und höher Qualifizierten Rechnung zu tragen und
  • bislang nicht erschlossene Bildungspotenziale insbesondere bei Nicht- Akademikerkindern zu erschließen.

Dies gilt jenseits der unbestrittenen Notwendigkeit einer Steigerung der Grundfinanzierung der Hochschulen.

 

Kein einziges Bundesland, das Studiengebühren einführte, hat entgegen dem Ländervortrag beim Bundesverfassungsgericht neben Studiengebührenkrediten auch Landesstipendien für Studiengebühren eingeführt.

Die Studiengebührenländer haben die ihnen vom BVerfG auferlegte soziale Absicherung ausschließlich über Befreiungstatbestände und (zinsgünstige) Studiengebührenkredite versucht.

 

Beide erweisen sich jedoch als sozial selektiv, wie des 19. Sozialerhebung des DSW darlegt: Sowohl insgesamt als auch differenziert nach Hochschulart stellt sich die Befreiung von Studiengebühren nicht als Maßnahme von sozial ausgleichender Wirkung dar. Im Gegenteil: Von den Regelungen zur Gebührenbefreiung profitieren offenbar Studierende aus sozial höheren Herkunftsgruppen tendenziell häufiger als solche aus hochschulfernen Milieus. (S. 140/141).

In Bayern werden insbesondere Studierende aus der hohen sozialen Herkunftsgruppe von Studiengebühren befreit (S. 276). In Bayern wurden dennoch jeweils 19% aus der sozialen Herkunft "niedrig" und "mittel" befreit, in Niedersachsen dagegen nur 9% bzw. 10% und damit nur halb so viel, über alle soziale Herkunftsgruppen gegenüber Bayern sogar weniger als ein Drittel.

 

In  Bayern  nehmen  nur  4%  der Studierenden den  angebotenen  Studienbeitragskredit  in Anspruch. 30% der Studierenden in Bayern erarbeiten sich Studienbeiträge durch Jobben (S.  279).  Laut  Bericht  zur  Evaluation  der  Studienbeiträge  gemäß  §  72  Abs.  7  des Niedersächsischen Hochschulgesetzes (Landtags-Drucksache 16/2660, S. 224) haben in Niedersachsen nur 6,128% im Wintersemester einen Studiengebührenkredit aufgenommen. Dabei  ist  zu  berücksichtigen,  dass  der  aktuelle  Zinssatz  in  Bayern  2,19%  und  in Niedersachsen 2,56% beträgt.

Angesichts der geringen Inanspruchnahme von Studiengebührenkrediten dient das Instrument nicht zur sozialen Absicherung von Studiengebühren.

 

Bundesweit gilt: Studierende, deren Eltern allein für die Studiengebühren aufkommen, gehören überdurchschnittlich häufig zur sozialen Herkunftsgruppe „hoch“ (49% vs. 35% im Durchschnitt. Werden die Studiengebühren durch einen Kredit finanziert, betrifft dies überdurchschnittlich häufig Studierende der  Herkunftsgruppe „niedrig“  (28%  vs.  15%  im Durchschnitt). Eine ausschließliche Finanzierung der Studiengebühren durch eigenen Verdienst wird hingegen überdurchschnittlich häufig von den Studierenden der Herkunftsgruppe „mittel“ realisiert (36% vs. 27% im Durchschnitt), aber auch von denen der Herkunftsgruppe „niedrig“ (20% vs. 15% im Durchschnitt). (S. 277/278)

Die zweitwichtigste Quelle zur Finanzierung der Studiengebühren ist der eigene Verdienst, den 30% aller Gebührenzahler/innen einsetzen. Dementsprechend jobben 91% dieser Studierenden neben dem Studium, 63% sogar „laufend“. Sie wenden dafür durchschnittlich 15 Stunden in der Woche auf. Das sind im Mittel vier Stunden mehr als Studierende in einen Job investieren, die den eigenen Verdienst nicht zur Finanzierung der Studiengebühren einsetzen (müssen). Von ihnen sind darüber hinaus mit 58% deutlich weniger neben dem Studium erwerbstätig. (S. 369)

Zumindest die Gebührenzahler, die Studiengebühren allein mit eigenen Ersparnissen oder in Kombination mit finanziellen Zuwendungen der Eltern bzw. eigenem Verdienst begleichen (23% der Gebührenzahler), leben in einer relativ angespannten finanziellen Situation. (S. 242)

 

Zudem waren in Bayern Kritikpunkt 2011 insbesondere an Hochschulen geparkte Ausgabereste in Höhe von fast ein Viertel der Einnahmen.

 

HIS legt mit der Studie „Studienentscheidung im Kontext der Studienfinanzierung“ dar, dass die Abschreckungswirkung in Akademikerhaushalten zwar gering ist und bleibt, sich aber mit abnehmendem Bildungsabschluss der Eltern bis fast 10% verdoppeln kann. Ebenso werden insbesondere Frauen (2008: 7% vs. 4% in 2006 vor Studiengebühren) und Studienberechtigte mit Fachhochschulreife 72% vs. 67% mit Abitur) abgeschreckt.

Aus den Sozialerhebungen des DSW ergibt sich, dass die Eltern am Rande ihrer Leistungsfähigkeit angelangt sind, ihre Finanzierung zurückgeht, die Studierenden sparen und das Jobben zur Finanzierung der Studiengebühren erweitern, wenn die Eltern nicht finanzieren können/wollen. Ein Viertel der Studierenden hat weniger als 640 Euro zur Verfügung. Das ist das, was Familiengerichte als Regelunterhalt für Studierende 2009 zugrunde legten.

 

Letztlich sinkt die Studierneigung stetig im Zusammenhang mit Studiengebühren – nach einer Studie der Universität Hohenheim („Gebührenkompass“).

 

Das DSW wendet sich auch gegen Langzeitstudiengebühren, wie sie additiv in Niedersachsen erhoben werden. Das DSW hält seine Linie gemäß dem Motto bei: „Helfen statt abstrafen“.

Nach einer Pressemitteilung des Statistischen Bundesamtes vom 18.5.2012 lag der Anteil der Absolventinnen und Absolventen, die 2010 innerhalb der Regelstudienzeit einen Bachelorabschluss erwarben, bundesweit bei 60%. Masterabschlüsse konnten zu 48% innerhalb der Regelstudienzeit abgeschlossen werden. Lehramtsprüfungen wurden zu 33%, herkömmliche Fachhochschuldiplome zu 30% und traditionelle Universitätsdiplome und entsprechende Abschlüsse zu 20% innerhalb der vorgegebenen Studiendauer abgelegt. Die Daten belegen, dass das Überschreiten der Regelstudienzeit bei Weitem kein Einzelproblem und oft schwierigen Lebenslagen geschuldet ist.

Eine Abstrafung für die gegebenen Studienbedingungen ist daher abzulehnen.

 

 

 

73. ordentliche Mitgliederversammlung

des Deutschen Studentenwerks (DSW)

am 4./5.12.2012