07.12.2023

Studentische Mobilität muss dauerhaft bezahlbar bleiben

Die 85. ordentliche Mitgliederversammlung des Deutschen Studierendenwerks (DSW) hat beschlossen:

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Am 27. November 2023 haben sich Bund und Länder auf die Einführung eines
einheitlichen deutschlandweiten Mobilitätstarifs für Studierende als Solidarmodell
geeinigt. Die bisherige Upgrade-Möglichkeit für Nutzer*innen von regionalen
Semestertickets auf das Deutschlandticket soll zum Wintersemester 2024/25 enden. Die
jeweiligen Verbundpartner der bestehenden Semestertickets können nun über das Angebot
von Bund und Ländern befinden. Es soll in Abhängigkeit vom Deutschlandticket 60 % des
Ausgabepreises für das reguläre Deutschlandticket kosten, aktuell 29,40 Euro im
Monat. Eine Verteuerung der deutschlandweiten Semestertickets in absehbarer Zeit ist
daher nicht auszuschließen. Bei den Verhandlungen wurden Studierende bzw. ihre
Vertretungen oder Verbände nicht beteiligt.

Das Deutsche Studierendenwerk (DSW) begrüßt, dass sich Bund und Länder nach der
Einführung des Deutschlandtickets im Mai 2023 nun darauf verständigt haben, das
Deutschlandticket für Studierende bundesweit zum Preis von 29,40 Euro anzubieten.
Dabei wird dieses vergünstigte Ticket kein freiwillig zu erwerbendes Kaufticket sein.
Entscheiden sich die jeweiligen Verbundpartner an einer Hochschule für diesen Tarif,
sind alle Studierenden nach dem Solidarmodell dort verpflichtet, ein solches Ticket
pro Semester abzunehmen. Aufgrund des späten Beschlusses von Bund und Ländern wird
zudem eine Umsetzung zum Sommersemester 2024 vielerorts nicht mehr möglich sein.

Es ist gut, dass die monatelange Hängepartie für die Studierenden beendet ist und
beim Deutschlandticket endlich eine Lösung für sie gefunden wurde. Dass die
Studierenden mit dem ermäßigten Deutschlandticket für 29,40 Euro in Zukunft
bundesweit mobil sein können, begrüßen wir. So wird verhindert, dass im Extremfall
Studierende mehr für ihre Mobilität bezahlen müssten, als ihre Professor*innen.

Es muss aber auch klar sein: 29,40 Euro sind die preisliche Oberkante, dessen was
sich viele Studierende leisten können. Studierende brauchen ein kostengünstiges
Verkehrsticket, um ihren Studienort zu erreichen. Das studentische Budget ist ohnehin
auf Kante genäht; die Energiepreis-, Miet- und Lebensmittelpreis-Erhöhungen belasten
Studierende stark – vor allem jene 37 % von ihnen, die mit weniger als 800 Euro im
Monat auskommen müssen.

Die Mobilität von Studierenden ist weiter zu stärken. Regionale bzw. lokale
Semestertickets dürfen nicht benachteiligt werden.
Gerade an kleinen
Hochschulstandorten mit nur kleiner ÖPNV-Versorgung gibt es preisgünstige lokale oder
regionale Semestertickets. Studierende müssen daher weiterhin die Möglichkeit haben,
zusätzlich zu einem nur regional geltenden Semesterticket und ohne Mehrkosten das
Deutschlandticket als Upgrade zu erwerben. Dadurch wird die Mobilität der
Studierenden auch über Verkehrsverbundgrenzen hinweg gestärkt. Die mögliche
Entscheidung gegen ein solidarisches Deutschlandticket für Studierende an einer
Hochschule sollte nicht durch den Wegfall der Upgrade-Möglichkeit auf das
Deutschlandticket bestraft werden.

Damit das Studium allen offensteht, bedarf es eines bezahlbaren Angebots für
Studierende und eines funktionierenden öffentlichen Nahverkehrs. Wir fordern daher
von Bund, Ländern und Verkehrsverbünden:

  •  eine Preisobergrenze für Studierendentickets. Die monatlichen Ticketpreise für
     Studierende dürfen nicht höher als 30 Euro sein, auch nicht, falls das
     Deutschlandticket teurer wird.
  •  die Mobilität von Studierenden sicherzustellen und so die Teilhabe von
     Studierenden an Bildungsleistungen und dem gesellschaftlichen Leben zu
     ermöglichen. Es ist zu gewährleisten, dass Studierende ihre Bildungsstätten
     erreichen können. Dazu muss der ÖPNV funktionstüchtig und bezahlbar sein - auch
     in Zukunft.
  •  Verkehrsunternehmen, Verkehrsverbünde bzw. Landestariforganisationen sollen zum
     Abschluss einer Vereinbarung verpflichtet werden, wenn die Hochschulen,
     Studierendenwerken oder Studierendenvertretungen diese wünschen.
  •  die Beibehaltung einer Upgradelösung, bei der Studierende mit regionalen
     Semestertickets das Deutschlandticket freiwillig erwerben können und dabei nur
     die Differenz zwischen dem monatlichen Semesterticketbeitrag und dem
     Deutschlandticketpreis zahlen.
  •  Da das Deutschlandticket für Studierende im Solidarmodell mit verpflichtend von
     allen Studierenden der jeweiligen Hochschule zu entrichtendem
     Semesterticketbeitrag vertrieben wird, muss es Lösungen für Studierende ohne
     Smartphones geben, die nicht zu Mehrkosten bei den Studierenden führen.
  •  Studierendenvertretungen müssen künftig in die Verhandlungen über bundesweite
     ÖPNV-Lösungen für Studierende mit einbezogen werden.

Begründung:

Die Erreichbarkeit der Hochschulen ist die Grundvoraussetzung, um zu studieren. Die
Mehrzahl der Studierenden nutzt öffentliche Verkehrsmittel, um zu ihren Hochschulen
zu gelangen. Daher sind Studierende auf einen funktionierenden öffentlichen
Personennahverkehr (ÖPNV) angewiesen.

Gleichzeitig machen damit die Fahrtkosten einen wesentlichen Teil der Studienkosten
aus. Aus diesem Grund gab es in vielen Städten und Regionen mit den jeweiligen
Verkehrsbetrieben/-verbünden ausgehandelte und über den Semesterbeitrag finanzierte
kostengünstige ÖPNV-Tickets für Studierende im Solidarmodell (Semestertickets), die
zu einer lokalen und/oder regionalen Nutzung des ÖPNV berechtigten.

Im Mai 2023 wurde das sogenannte Deutschlandticket zu einem Einstiegspreis von 49
Euro für alle Bürger*innen mit einer Übergangslösung für Studierende in Form eines
freiwilligen Upgrades vom jeweiligen Semesterticket auf das Deutschlandticket
eingeführt. Mit der Einführung des Deutschlandtickets stößt jedoch das Modell der
verpflichtenden Semesterticketbeiträge insbesondere bei größeren regionalen
Semestertickets zunehmend auf Bedenken: Denn wenn sich der Preis für das
Semesterticket nicht deutlich vom Ticketpreis für das bundesweite Deutschlandticket
unterscheidet, ist der verpflichtend von allen Studierenden einer Hochschule zu
zahlende Solidarbeitrag nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG
v. 08.08.2000 – 1 BvR 1510/99) und Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG v. 12.05.1999 –
6 C 14/1998) nicht mehr ohne Weiteres vertretbar. Der Fortbestand der solidarischen
regionalen Semestertickets, die bisher die Mobilität von Studierenden gesichert
haben, ist damit ernstlich gefährdet und führte in den letzten Monaten bereits zu
Kündigungen von bestehenden bzw. zum Nichtabschluss geplanter
Semesterticketvereinbarungen.

Am 27. November 2023 haben sich Bund und Länder auf die Einführung eines
einheitlichen deutschlandweiten Mobilitätstarifs für Studierende als Solidarmodell
geeinigt. Es soll in Abhängigkeit vom Deutschlandticket 60 % des Ausgabepreises für
das reguläre Deutschlandticket kosten, aktuell 29,40 Euro im Monat. Dieser Preis gilt
allerdings nicht als individuelles Kaufticket, sondern nur als verpflichtendes
Solidarticket für alle Studierenden einer Hochschule. Die jeweiligen Verbundparteien
an einer Hochschule können sich nun für oder gegen das Angebot entscheiden. Der
dauerhafte Erhalt von kostengünstigen solidarischen Semestertickets – auch über die
Laufzeit des Deutschlandtickets hinaus -  ist damit allerdings noch nicht gesichert.