29.05.2013

Wohnheimbau

Stellungnahme zur Anhörung im Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung des Deutschen Bundestags am 5. Juni 2013

Ein zielgerichteter Ausbau der Studentenwohnheimversorgung bindet die studentische Nachfrage und führt generell zu Entlastungen des allgemeinen Wohnungsmarktes

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Das Deutsche Studentenwerk (DSW) ist der Dachverband der 58 Studentenwerke in Deutschland, die als öffentliche Körperschaften Aufgaben der wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen und gesundheitlichen Förderung der Studierenden wahrnehmen.

Zu den Kernaufgaben der Studentenwerke gehört die Versorgung von Studierenden mit preisgünstigem und studiengerechtem Wohnraum in Studentenwohnheimen. Bundesweit gibt es rund 228.000 öffentlich geförderte Wohnplätze, davon stellen die Studentenwerke rund 185.000 Wohnplätze zur Verfügung (rund 80%). Die meisten dieser Plätze befinden sich in Studentenwohnheimen. Vielerorts haben die Studentenwerke zudem bei Dritten Wohnplätze auf eigenes wirtschaftliches Risiko angemietet, um diesen Wohnraum bedürftigen Studierenden zur Verfügung stellen zu können. Alle Wohnplätze werden von den Studentenwerken entsprechend ihrem öffentlichen Auftrag bewirtschaftet.


Die Studentenwerke sehen sich in der Verantwortung, insbesondere Studierenden, die neu an einen Hochschulort kommen, und bei geringem Budget kaum die Möglichkeit haben, geeigneten Wohnraum auf dem privaten Wohnungsmarkt zu erlangen, mit Wohnraum zu versorgen. Dies gilt für inländische Studienanfänger, in besonderem Maße aber auch für Studierende aus dem Ausland.

 


Entwicklung der Studierendenzahlen und der studentischen Wohnplatzversorgung

 


In den vergangenen Jahren übersteigt die Nachfrage nach preisgünstigen Wohnheimplätzen an vielen Hochschulstandorten das Angebot deutlich. Dies ist Folge der seit einigen Jahren stark steigenden Studienanfängerzahlen, der starken Zunahme internationaler Studierender in Deutschland, der hohen Übergangsquoten vom Bachelor zum Masterstudium und somit der insgesamt stark gestiegenen Zahl der Studierenden. Zum Vergleich: 2003 starteten 358.000 Studienanfänger bei insgesamt 1,94 Mio. Studierenden, 2012 dagegen 494.000 Studienanfänger bei 2,5 Mio. Studierenden insgesamt. Parallel ist die Zahl der ausländischen Studierenden seit 1997 von rund 150.000 auf inzwischen rund 260.000 im Jahr 2012 stark angestiegen. Die Steigerung der Studierendenzahlen um 25% in den letzten zehn Jahren korrespondiert in keiner Weise mit der Entwicklung der öffentlich geförderten Wohnheimplätze: deren Angebot stieg in den letzten zehn Jahren nur minimal um 6.500 bzw. knapp 3% auf 228.000 Plätze im Jahr 2012.


Hinzu kommt, dass sich die Situation auf dem allgemeinen Wohnungsmarkt an vielen Hochschulstandorten in den letzten Jahren deutlich verschärft hat und Hochschulstandorte häufig zu der Gruppe von Städten bzw. Regionen gehören, wo – trotz gegenläufiger gesamtdemo-grafischer Entwicklung in Deutschland – auch mittel- und langfristig eine verstärkte Nachfra-ge nach Wohnraum erwartet wird.

 


Wirtschaftliche Lage der Studierenden und Bedarf an preisgünstigem Wohnraum

 


Nach der im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung alle drei Jahre durchgeführten Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks haben regelmäßig ca. 27% der Studierenden Einnahmen unterhalb des BAföG-Höchstsatzes von derzeit monatlich 670 Euro. Daher ist es nicht verwunderlich, dass über 50% der im Wohnheim wohnenden Studie-renden dieser Einkommensgruppe angehören, denn die preisgünstigen Bruttowarmmieten von derzeit durchschnittlich 215 Euro/mtl. ermöglichen nicht zuletzt auch Studierenden mit kleinem Budget ein Studium. Hinzu kommt, dass rund ein Drittel der Studienanfänger zum Studienstart möglichst ins Wohnheim zieht, Gründe sind neben preisgünstigen Mieten die schnelle Ermöglichung sozialer Kontakte in einer fremden Stadt, Hochschulnähe etc.

 


Reaktionen von Bund und Ländern auf den Anstieg der Studierendenzahlen

 


Bund und Länder haben auf den starken Anstieg der Studierendenzahlen mit den Vereinbarungen zu den Hochschulpakten I und II (2007 bis 2015) reagiert, die aktuellen Verhandlungen über eine zusätzliche Anpassung der Studienplätze bis 2015 entsprechend der deutlich gestiegenen Zahl von Studienanfängern wurden durch den Beschluss der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz am 12. April dieses Jahres erfolgreich abgeschlossen.

 


Jedoch haben Bund und Länder ihren starken Ausbau von Studienplätzen im Rahmen der Hochschulpakte nicht durch entsprechende Ausbaumaßnahmen für die soziale Infrastruktur des Studiums flankiert, auch wenn einzelne Länder in den letzten Jahren an einzelnen Standorten den Bau von Wohnheimen gefördert haben. Entsprechend finden sich gemeinsame Aktivitäten von Bund und Ländern zur Schaffung studentischen Wohnraums erst weit zurückblickend in den erfolgreichen gemeinsamen Förderprogrammen der 1970er und Anfang der 1990er Jahre, die im Wesentlichen den heutigen Bestand an Wohnheimplätzen generiert haben. Zum Vergleich: 1975 studierten unter 900.000, 1990 knapp 1,65 Mio. Studierende.

 


Erforderliche Maßnahmen zur Verbesserung der Wohnraumsituation für Studierende

 


Angesichts des erheblichen Anstiegs der Studierendenzahlen, die nach Expertenschätzungen auch weit über 2020 hinaus auf diesem hohem Niveau verharren werden, hält das Deutsche Studentenwerk eine gemeinsame Initiative von Bund und Ländern für die soziale Hoch-schulinfrastruktur für zwingend erforderlich, parallel zum erfolgreichen Ausbau von Studien-plätzen.

 


Das Deutsche Studentenwerk hatte auf Basis der Hochschulpakte I und II, der durchschnittlichen Verbleibdauer und Fluktuation der Studierenden einen Mindestbedarf von 25.000 zusätzlichen preisgünstigen Wohnheimplätzen errechnet. Diese Bedarfseinschätzung wird sowohl von der Bundesregierung (Runder Tisch des Bundesbauministers am 27.11.2012) wie auch der Opposition (Drucksachen 17/12485 und 17/11696) geteilt. Allerdings fehlt es vor allem seitens des Bundes bisher an Maßnahmen zur Behebung des Defizits an preisgünstigem Wohnraum für Studierende.

 


Als Grundvoraussetzung für die Sicherstellung preisgünstiger Mieten sind öffentliche Zuschussprogramme zwingend erforderlich, über Kreditprogramme alleine lassen sich günstige, von Studierenden zu finanzierende Mieten nicht realisieren. Bei einem geschätzten Kostenvolumen von rund 1,5 Milliarden Euro für 25.000 Wohnheimplätze hält das DSW mindestens 660 Mio. € Zuschüsse für erforderlich, dies entspricht analog der Förderung des Freistaates Bayern rd. 26.000 € pro Platz und ermöglicht die Vermietung zu einer monatlichen Bruttowarmmiete von 230 bis 240 Euro. Angesichts der dramatisch gestiegenen Studierendenzahlen muss die Förderung zeitnah, d.h. bis 2015, erfolgen.

 


Das Deutsche Studentenwerk hält daher den in der Drucksache 17/12485 vorgeschlagenen zusätzlichen Hochschulsozialpakt von Bund und Ländern zur Finanzierung der sozialen Infrastruktur des Studiums für erforderlich, um die erforderlichen Maßnahmen umzusetzen. Alternativ könnte ein Teil der Bundesfinanzierung über eine zweckgebundene Aufstockung der Mittel für den Studentenwohnheimbau im Rahmen der Sozialen Wohnraumförderung erbracht werden.

 


Das DSW begrüßt zwar grundsätzlich eine Orientierung der Wohnheimmieten am BAföG-Bedarfssatz für die auswärtige Unterbringung als Richtwert (Drucksache 17/11696), weist aber zugleich darauf hin, dass zur Realisierung dieses Vorschlags zwingend ausreichende Zuschüsse sowohl für den Neubau als auch zum Ausgleich von Kostenerhöhungen im Bestand bereitgestellt werden müssen. Angesichts des begründeten hohen Bedarfs an zusätzlichen Wohnheimplätzen sieht das DSW jedoch absolute Priorität im Ausbau neuer Wohnheime mit bezahlbaren Mieten, auch wenn diese den BAföG–Bedarfssatz ggf. leicht übersteigen. Die Erhöhung des Angebotes zu bezahlbaren Mieten stellt die prioritäre Verbesserung für die Studierenden dar.

 


Resümee

Angesichts des weiter wachsenden Drucks auf verschiedene regionale Wohnungsmärkte insbesondere in Hochschulstädten bindet ein zielgerichteter Ausbau der Studentenwohn-heimversorgung die studentische Nachfrage, die sich andernfalls auf den Niedrigpreissektor des freien Wohnungsmarktes fokussiert und dort den Verdrängungswettbewerb mit anderen Bevölkerungsgruppen mit niedrigen Einkommen verstärkt. Generell führt daher ein Wohnheimausbau zu zielgerichteten Entlastungen des allgemeinen Wohnungsmarktes.

 


Berlin, 30.5.2013
Achim Meyer auf der Heyde
Generalsekretär des Deutschen Studentenwerks