18.01.2019

BAföG

Stellungnahme zum Referentenentwurf 26. BAföG-Änderungsgesetz

Wir nehmen detailliert zum Referentenentwurf Stellung der Bundesregierung für eine 26. BAföG-Novelle. Wir begrüßen viele der geplanten Erhöhungen, fordern jedoch weiterhin eine regelmäßige BAföG-Anpassung auf der Basis der BAföG-Berichte und halten eine stärkere Erhöhung der Bedarfssätze sowie eine generelle Anpassung des BAföG an die Studienwirklichkeit und Studienformen wie das Teilzeitstudium für notwendig.

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Stellungnahme des Deutschen Studentenwerks (DSW) zur Verbändeanhörung zum Referentenentwurf eines Sechsundzwanzigsten Gesetzes zur Änderung des Bundeausbildungsförderungsgesetzes (26. BAföGÄndG) am 18. Januar 2019 im Bundesministerium für Bildung und Forschung


1. Vorbemerkung
Die Koalition aus CDU/CSU und SPD hat in ihrem Koalitionsvertrag für die 19. Wahlperiode vereinbart, eine Trendumkehr beim BAföG erreichen zu wollen. Hintergrund ist, dass die Erhöhung der Elternfreibeträge und der Bedarfssätze nach sechs Jahren Stillstand zum Herbst 2016 nicht ausreichend war und folgerichtig die Zahl der BAföG-geförderten Studierenden entgegen den ursprünglichen Annahmen der Bundesregierung weiter zurückging. Zudem ist die Zahl der Studierenden, die überhaupt noch unter die gesetzlichen BAföG-Regelungen fallen, seit Jahren gesunken. Inzwischen sind von rund 2,85 Millionen Studierenden nur noch 1,6 Millionen (63 %) potenziell BAföG-antragsberchtigt bzw. damit potenziell förderfähig, bevor überhaupt die erforderliche Einkommens- bzw. Vermögensprüfung ansetzt. Aus Sicht des Deutschen Studentenwerks muss eine Reform des BAföG vor allem hier ansetzen, wenn die gewünschte Trendumkehr erreicht werden soll.


Die 79. Mitgliederversammlung des Deutschen Studentenwerks vom Dezember 2018 hat sich daher mit den im Herbst 2018 seitens des Bundesministeriums für Bildung und Forschung vorgelegten Eckpunkten zu einer geplanten BAföG-Novelle auseinandergesetzt und in ihrem Beschluss zu einer schnellen Trendumkehr unter anderem folgende Forderungen an Adresse der Bundesregierung gerichtet:

  • bereits zum Sommersemester 2019 die Elternfreibeträge und Bedarfssätze erheblich zu erhöhen sowie künftig deren regelmäßige Anpassung auf Basis der BAföG-Berichte der Bundesregierung gesetzlich zu verankern
  • den Krankenversicherungszuschlag für über 30-jährige an die tatsächlichen Kosten anzupassen
  • zur dauerhaften Erweiterung des Kreises der Förderberechtigten die Förderungsfähigkeit neuer Studienmöglichkeiten (Teilzeitstudium oder Studium in unterschiedlichen Geschwindigkeiten) gesetzlich zu verankern, die Förderungsdauer über die Regelstudienzeit zu verlängern und die Altersgrenzen abzuschaffen
  • zur Vereinfachung der Antragsstellung das Gesetz bzw. die Vorschriften zu überarbeiten sowie endlich bundeseinheitlich einen medienbruchfreien e-Antrag, eine Bearbeitungssoftware inkl. e-Akte und e-Bescheid zu realisieren und letztlich
  • möglichen Verschuldungsängsten durch eine erweiterte Aufklärung vor allem an Schulen zu begegnen.

Der seitens der Bundesregierung am 9. Januar 2019 versandte Referentenentwurf sieht gegenüber den im Herbst 2018 vorgelegten Eckpunkten Konkretisierungen und Erweiterungen vor, zu denen das Deutsche Studentenwerk nachfolgend Stellung nimmt.

2. Anmerkungen zum Referentenentwurf
Das Deutsche Studentenwerks begrüßt grundsätzlich, dass das Bundesministerium für Bildung und Forschung nunmehr einen Referentenentwurf vorgelegt hat, der verschiedene Anpassungen und Verbesserungen für Auszubildende vorsieht, die über die vorgelegten Eckpunkte hinausgehen. Auch wenn das Deutsche Studentenwerk einzelne seiner Forderungen aufgegriffen sieht, so bleibt es jedoch skeptisch, ob die mit dem Referentenentwurf beabsichtigten Novellierungen ausreichen werden, die vereinbarte Trendumkehr beim BAföG zu erreichen.


Im Einzelnen nimmt das Deutsche Studentenwerk wie folgt Stellung:


Das Deutsche Studentenwerk bedauert, dass die Bundesregierung erst über ein Jahr nach Vorlage des Einundzwanzigsten Berichtes nach § 35 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes zur Überprüfung der Bedarfssätze, Freibeträge sowie Vomhundertsätze und Höchstbeträge nach § 21 Absatz 2 einen Referentenentwurf vorlegt, sodass dringend erforderliche Verbesserungen nicht bereits zum Sommersemester 2019, sondern erst ab dem Wintersemester 2019/2020 möglich sein werden.


Das Deutsche Studentenwerk bewertet die Anhebung der Freibeträge in drei Stufen bis zum Herbst 2021 positiv. Damit wird Studierenden Verlässlichkeit signalisiert und zudem im turnusmäßigen Wahljahr eine mögliche Anpassungslücke ab der Sommerpause 2021 über die Regierungsbildung bis zur Haushaltsaufstellung im Jahr 2022 vermieden.


Das Deutsche Studentenwerk sieht sich damit in seiner Forderung nach einer Verstetigung – gekoppelt an die nach § 35 BAföG zu erhebenden Daten zur Preis- und Einkommensentwicklung – bestätigt und bedauert, dass sich diese Verankerung weiterhin nicht im Gesetz wiederfindet, sondern im Gegenteil sogar eine Verschiebung des in 2019 fälligen BAföG-Berichts nach § 35 BAföG nun auf 2021 vorgeschlagen wird. § 35 BAföG sieht zu Recht einen zweijährigen Berichtsrhythmus vor. Dieser ist auch zwingend erforderlich, um die Einkommens- und Preissteigerungen jeweils unmittelbar anschließend an den letzten Anpassungszeitraum (und prognostisch für das Folgejahr) zu dokumentieren und in der Folge für die Förderung entsprechende Konsequenzen zu ziehen. Es ist nicht nachvollziehbar, dass der Bericht nunmehr zum dritten Mal innerhalb einer Dekade verschoben werden soll. Dies wird der Regelhaftigkeit des § 35 BAföG nicht gerecht und die Verlässlichkeit der Studienfinanzierung damit durchbrochen.


Das Deutsche Studentenwerk erkennt die Anpassung der Grundbedarfsätze um 5 % zum Herbst 2019 und 2 % zum Herbst 2020 an, sieht diese jedoch auch diese Anhebung nicht als bedarfsdeckend an. Nach einer im Auftrag des Deutschen Studentenwerks durch das Forschungsinstitut für Bildungs- und Sozialökonomie erarbeiteten und am 8.1.2019 vorgestellten Studie auf Basis der Daten der 21. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks wären zur Deckung des Grundbedarfs vielmehr 500 bis 550 Euro erforderlich, eine Steigerung des derzeitigen Betrages von 399 Euro um 25 % bis 38 %.
Auch kann das Deutsche Studentenwerke nicht nachvollziehen, warum die Bedarfssätze nicht ebenso wie die Freibeträge 2021 ein drittes Mal angepasst werden, um der Preisentwicklung und dem damit steigenden Bedarf von Auszubildenden Rechnung zu tragen.

Das Deutsche Studentenwerk (DSW) nimmt mit Freude zur Kenntnis, dass das BMBF der DSW-Forderung nach der Einführung eines BAföG-Kranken- und Pflegeversicherungszuschlags für über 30-Jährige ab dem Wintersemester 2019/2020 gefolgt ist, wird sie nun doch endlich den besonderen Bedarfen dieser Studierendengruppe gerecht.


Das Deutsche Studentenwerk begrüßt darüber hinaus, dass die BAföG-Förderungsart „verzinsliches BAföG-Bankdarlehen“ (KfW) ab dem Wintersemester 2019/2020 durch die Förderungsart „zinsloses Volldarlehen“ (Staat) für (Neu)Bewilligungen ersetzt werden soll. Dies ist für die Studierenden günstiger und reduziert den Verwaltungsaufwand.


Das Deutsche Studentenwerk sieht zwar die deutliche Erhöhung der Wohnpauschale als richtig an, stellt dazu allerdings fest, dass mit dieser Erhöhung die nach der 21. Sozialerhebung 2016 ermittelte durchschnittliche Miete von 325 Euro gerade ausgeglichen wird. Die zwischenzeitliche Mietentwicklung seit 2016, die vor allem Studienanfänger/-innen bzw. Studierende in den unteren Semestern trifft, wird damit kaum berücksichtigt.


Das Deutsche Studentenwerk hält es zudem für erforderlich, dass in der öffentlichen Kommunikation die Erhöhung der Förderung insgesamt hervorgehoben wird. Eine bislang in den Medien stark hervorgehobene Erhöhung der Wohnpauschale kann Vermieter dazu einladen, ihre Miete entsprechend und damit zu Lasten der wesentlich größeren Zahl nicht BAföG-geförderter Studierenden zu erhöhen. Die Immobilienzeitung vom 4. Januar 2019 hat bereits darauf hingewiesen: „Interessant ist diese Nachricht [Erhöhung der Wohnpauschale, Anm. DSW] nicht nur für Studenten, die sich die stark steigenden Mieten in den Uni-Städten nicht mehr leisten können, sondern auch für die zunehmende Anzahl von Investoren in Studenten- und Mikroapartments. Die Steigerung des BAföG-Wohnanteils könnten den Interessentenkreis zumindest für die preiswerteren Linien der Anbieter erhöhen.“


Das Deutsche Studentenwerkbefürwortet, dass die Bundesregierung die möglichen Ängste der Studierenden vor Verschuldung ernst nimmt und hierzu Verbesserungen hinsichtlich der Darlehensrückzahlung angehen will. Hier hält es das Deutsche Studentenwerk jedoch für erforderlich, in der öffentlichen Kommunikation generell die positiven Wirkungen der Novelle hervorzuheben. Es scheint so, dass sich der Schwerpunkt der Novelle auf das Thema Verschuldung und insoweit auf die BAföG-Rückzahlung konzentriert. Da der Großteil der BAföG-Empfänger die Darlehensbeträge erheblich übersteigende Zuschussbeträge erhält, sollte dies auch herausgestellt werden.


Botschaften wie "‚Rückzahlung‘ oder Erlöschen der Darlehensrestschuld infolge fehlender Tilgung trotz nachweisbaren Bemühens aufgrund schlechter wirtschaftlicher Verhältnisse nach 20 Jahren" könnten 18-jährigen Studieninteressierten suggerieren, dass viele nicht zurückzahlen können. Ansonsten wäre eine solche Regelung ja wohl nicht erforderlich.


Im Hinblick auf die beabsichtigte Trendumkehr hätte sich das Deutsche Studentenwerk (DSW) gewünscht, wenn die in der Vorbemerkung dargelegten Forderungen der 79. DSW-Mitgliederversammlung stärker Berücksichtigung gefunden hätten; dies gilt insbesondere hinsichtlich der Steigerung der Zahl der dem Grunde nach Förderberechtigten. Insofern bedauert das Deutsche Studentenwerk, dass weiterhin die Altersgrenzen unberührt bleiben, keine Regelungen zum Teilzeitstudium bzw. zu neuen Studienformen aufgenommen wurden und sich insbesondere eine Förderung über die Regelstudienzeit hinaus nicht im Referentenentwurf findet, obwohl laut Statistischem Bundesamt nur noch 37 % der Studierenden den Studienabschluss innerhalb der Regelstudienzeit und damit der BAföG-Förderungshöchstdauer erreichen, vor allem aus hochschulorganisatorischen Gründen. Auch wenn dies zu regeln primär in die Verantwortung der Hochschulen fällt, so müssen dies jedoch die Studierenden und hier v.a. BAföG-Geförderte ausbaden. Denn in der Regel werden die Unterhalt leistenden Eltern ihre Unterstützung nicht nach Beendigung der Regelstudienzeit kappen. Auch der Wissenschaftsrat hat dieses Problem mit seinem Positionspapier "Hochschulbildung im Anschluss an den Hochschulpakt 2020" umrissen und für die künftige Finanzierung der Studienplätze im Rahmen der Hochschulpakte einen Finanzierungszeitraum von Regelstudienzeit zzgl. einem bis zwei Semester gefordert. Dies sollte analog auf die Förderung nach dem BAföG angewendet werden, solange die Studiengänge nicht in der Regelstudienzeit studierbar sind.


Berlin, den 18. Januar 2019
Achim Meyer auf der Heyde
Generalsekretär