30.05.2017

Hochschulpolitik

Stellungnahme zum Gesetzentwurf der Landesregierung eines Thüringer Gesetzes zur Stärkung der Mitbestimmung an Hochschulen

In dieser Stellungnahme setzen wir uns dafür ein, das Zusammenwirken zwischen Hochschulen und dem örtlichen Studierendenwerk auch gesetzlich festzuschreiben. Außerdem sprechen wir uns dafür aus, das Amt des/der Behindertenbeauftragten zu erhalten und es nicht in einem Amt des/der Beauftragten für Diversität aufgehen zu lassen, welches dann auch für weitere Personengruppen zuständig sein soll.

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Stellungnahme des Deutschen Studentenwerks (DSW) zum Gesetzentwurf der Landesregierung eines Thüringer Gesetzes zur Stärkung der Mitbestimmung an Hochschulen sowie zur Änderung hochschulrechtlicher Vorschriften (Stand: 9. Mai 2017)

Das Deutsche Studentenwerk (DSW) ist der Dachverband der 58 Studentenwerke in Deutschland und nimmt außerdem satzungsgemäß sozialpolitische Belange der Studieren-den der Hochschulen wahr. Vor diesem Hintergrund nehmen wir im Folgenden im Rahmen des vom Ministerium für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesellschaft des Freistaats Thüringen durchgeführten Anhörungsverfahrens zu dem oben genannten Gesetzentwurf der Landesregierung Stellung.

Zusammenwirken mit dem Studierendenwerk festschreiben

Bundesweit sind die Leistungen der Studentenwerke in den Bereichen Studienfinanzierung, Verpflegung, Wohnen und soziale Beratungs- und Betreuungsangebote unverzichtbar für den Studienerfolg. Dies gilt in besonderem Maß unter den Bedingungen der Bologna-Reform und einer zunehmend heterogenen Studierendenschaft. Die Studentenwerke nehmen die zentrale Rolle bei der sozialen Förderung der Studierenden ein. Sie bilden mit ihren Angeboten im Rahmen ihres gesetzlichen Auftrags die wirtschaftliche und soziale Bildungs- und Hochschulinfrastruktur und tragen damit erheblich zur Profilbildung der Hochschulen bei.

Die Studentenwerke unterstützen die Hochschulen, ihre Lehrenden und Beschäftigten mit einem ausdifferenzierten Leistungsangebot. Die Hochschulen und Studentenwerke sind strategische Partner bei der Sicherung zeitgemäßer Studien- und entsprechender Rahmenbedingungen. Die Kooperation zwischen Hochschulen und Studentenwerken gelingt umso besser und zielgerichteter, je direkter alle Beteiligten ihre Planungen strategisch miteinander und aufeinander abstimmen. Diese – für eine effektive Aufgabenerfüllung beider Seiten grundlegende – Praxis sollte entsprechend im Gesetz festgeschrieben werden. Das DSW schlägt daher vor, § 5 Abs. 10 Thüringer Hochschulgesetz in der Entwurfsfassung, im Folgenden: ThürHG-E, wie folgt zu fassen (Ergänzungen fett gesetzt):

„(10) Die Hochschulen wirken bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben untereinander, mit anderen staatlichen und staatlich geförderten Forschungs- und Bildungseinrichtungen, mit Einrichtungen der überregionalen Forschungsplanung und -förderung, mit dem Studierendenwerk sowie der gesamten gesellschaftlichen Öffentlichkeit zusammen.“

Berücksichtigung der Belange von Menschen mit Behinderung

Der Gesetzentwurf sieht an verschiedenen Stellen die verstärkte Berücksichtigung der Belange von Studienbewerber/innen, Studierenden und Promovierenden mit Behinderungen vor. Dies betrifft beispielsweise die Präzisierung des Auftrages der Hochschulen zur Berücksichtigung der Belange von Studienbewerber/innen, Studierenden und Promovierenden mit Behinderungen/chronischen Krankheiten und zur Herstellung und Sicherung der barrierefreien Zugänglichkeit ihrer Angebote (§ 5 Abs. 7 ThürHG-E). Gleiches gilt für die Verankerung der Verpflichtung der Hochschulen zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention (§ 5 Abs. 8 ThürHG-E). Das Deutsche Studentenwerk begrüßt dies.

Amt der Behindertenbeauftragten erhalten

Um die Vielfalt der Mitglieder und Angehörigen der Hochschulen zu fördern, sieht der Gesetzentwurf vor, das Amt eines Beauftragten für Diversität zu schaffen (§ 6 a ThürHG-E). Der Beauftragte für Diversität soll die Belange aller Mitglieder und Angehörigen der Hochschule vertreten, diese beraten und sich für die Beseitigung bestehender Nachteile und Barrieren einsetzen. Zugleich soll er an der Planung und Organisation der Lehr,- Studien- und Arbeitsbedingungen mitwirken. Dabei soll er sich um die besonderen Bedürfnisse der Studienbewerber/innen, Studierenden und Promovierenden mit Behinderungen und chronischen Krankheiten, mit Kindern und pflegebedürftigen Angehörigen, der ausländischen Studierenden sowie der beruflich qualifizierten Studierenden ohne Hochschulzugangsberechtigung kümmern.

Alle diese Personengruppen haben zu Recht den Anspruch auf eine angemessene und passgenaue Unterstützung und Vertretung ihrer Belange. Problematisch ist aus unserer Sicht jedoch, dass der Beauftragte für Diversität damit zugleich die Funktion des bisher in § 5 Abs. 5 ThürHG geregelten Amtes des Beauftragten für die Belange behinderter Studierender mit übernehmen soll (siehe Begründung zu § 6 a ThürHG-E). Das bisher gesetzlich verankerte und als eigenständige Beratungs- und Unterstützungsstruktur ausgestaltete Amt des Beauftragten für die Studierenden mit Behinderungen würde damit abgeschafft.

Die Bündelung verschiedener komplexer Aufgabenfelder in der Funktion des Beauftragten für Diversität bei gleichzeitiger Zuweisung der besonderen Zuständigkeit für eine einzelne Zielgruppe führt zu der Besorgnis, dass die vielfältigen Belange der Gruppe der Studierenden mit Behinderungen/chronischen Krankheiten nicht in erforderlichem Maße berücksichtigt werden können. Zugleich könnte er sich auch um die Bedürfnisse der anderen, von ihm zu vertretenden Personengruppen nur umso weniger kümmern. Um die notwendigen Beratungs- und Unterstützungsstrukturen für alle genannten Personengruppen zu schaffen bzw. zu erhalten, erscheint es aus unserer Sicht deswegen dringend erforderlich, das Amt des/der Beauftragten für Studierende mit Behinderungen/chronischen Krankheiten weiterhin eigenständig zu verankern und angemessen mit Ressourcen und Mitwirkungsrechten auszustatten.

Hintergrund ist: Studierende mit Behinderungen und chronischen Krankheiten sind selbst eine sehr heterogene Gruppe, deren Belange in Bezug auf die Gestaltung diskriminierungsfreier Zugangs-, Lehr- und Studienbedingungen stark variieren. Sie sind auf passgenaue Beratung und Unterstützung angewiesen, denn noch immer werden Studienzugang, Studium und weiterführende akademische Qualifizierungen durch vielfältige mittelbare und unmittelbare Barrieren erschwert. Aus diesem Grund haben die Kultusministerkonferenz und die Hochschulrektorenkonferenz in ihren Empfehlungen wiederholt auf die besondere Bedeutung des/der Behindertenbeauftragten für die Studierenden wie für die Hochschulen hingewiesen. Die überwiegende Mehrheit der Bundesländer hat demgemäß mittlerweile das Amt des/der Behindertenbeauftragten hochschulrechtlich oder per Ministererlass verankert.

Aufgabe der Beauftragten für Studierende mit Behinderungen ist es, einerseits kontinuierlich daran mitzuwirken, dass Hochschulen vorhandene Barrieren und Benachteiligungen abbauen und ihre Lehr- und Studienangebote chancengerecht und diskriminierungsfrei gestalten. Andererseits sind sie Ansprechpartner/innen und Berater/innen für Studierende, Lehrende und Prüfende bei komplexen individuellen Fragen zum Thema Studium und Behinderungen. Hohe fachliche Expertise z.B. zu den Themen Beeinträchtigungen, Barrierefreiheit und Nachteilsausgleichen, Beratungskompetenz, kontinuierliche Fortbildung und die Möglichkeit zur Vernetzung mit anderen Fachleuten sind wichtige persönliche Voraussetzungen für eine erfolgreiche Arbeit, wie sie bisher schon vielerorts von den Beauftragten für die Studierenden mit Behinderungen an Hochschulen in Thüringen geleistet wird. Es stünde zu befürchten, dass – trotz steigender Nachfrage nach fachkundiger Beratung und Unterstützung behinderter Studierender – diese gewachsene Expertise verloren geht und im Rahmen des im Gesetzentwurf konzipierten umfänglichen Amtes des Beauftragen für Diversität nicht in dem erforderlichen Maße vorgehalten werden kann. Unter dem Druck der verbindlich vorgeschriebenen Einrichtung eines Diversitätsbeauftragten und eingeschränkter Finanzmittel würden bereits vorhandene, spezifische Beratungs- und Unterstützungsstrukturen aufgelöst werden. Während in den Hochschulen für andere Studierendengruppen eigenständige Beratungs- und Unterstützungsstrukturen zur Verfügung stehen (z.B. Internationales Büro, Familienservice, Gleichstellungsbüro), gäbe es für Studierende mit Behinderungen ein solches Angebot dann nicht mehr.

Aus Sicht des Deutschen Studentenwerks sollten Diversitätsbeauftragte vielmehr mit weiterhin vorhandenen Gleichstellungs-, Behindertenbeauftragten und weiteren relevanten Akteuren eng zusammen arbeiten, diese vernetzen und koordinieren, um so die Realisierung einer inklusiven Hochschule und eine Kultur der Wertschätzung von Verschiedenheit zu fördern.

 

Berlin, 31. Mai 2017

Achim Meyer auf der Heyde

Generalsekretär des Deutschen Studentenwerks