31.10.2019

E-Government: Digitalisierung des BAföG

Stellungnahme zum Entwurf eines E-Government-Gesetzes NRW

In dieser Stellungnahme, die wir in Absprache und Abstimmung mit der Arbeitsgemeinschaft der Studierendenwerke NRW an die Regierung des Landes Nordrhein-Westfalen abgegeben haben, stellen wir dar, dass die NRW-Studierendenwerke bei der Digitalisierung des BAföG bildhaft gesprochen zwischen den beiden Stühlen sitzen E-Governmentgesetz des Bundes und E-Governmentgesetz des Landes NRW. Wir plädieren für ein koordiniertes Vorgehen und gesetzgeberische Abstimmung des Bundes und aller Länder bei der Digitalisierung des BAföG, sowohl beim e-BAföG (Beantragung, Akte, Bescheid) als auch bei der IT-Fachanwendung in den BAföG-Ämtern der Studierendenwerke. Und wir fordern mit Nachdruck, dass die BAföG-Ämter in die Konzeption elektronischer Verwaltungslösungen einbezogen werden müssen.

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Stellungnahme zum Gesetzentwurf der Landesregierung zur Änderung des E-Government-Gesetzes Nordrhein-Westfalen und zur Änderung der Verordnung zur Regelung der behördenübergreifenden Bereitstellung und zum Betrieb von IT-Infrastrukturkomponenten und Anwendungen zum elektronischen Nachweis der Identität nach § 3 Absatz 3 des E-Government-Gesetzes Nordrhein-Westfalen

Das Deutsche Studentenwerk (DSW) als Verband der Studenten- und Studierendenwerke in Deutschland nimmt zu den Entwürfen der Landesregierung Nordrhein-Westfalen wie folgt Stellung:

Ziele des Gesetzes und der Verordnung sind

  • die Ausnahmen vom Anwendungsbereich des E-Government-Gesetzes zu reduzieren,
  • eine gesetzliche Grundlage für die Bereitstellung offener Daten zu schaffen,
  • die Digitalisierung der Verwaltung zu beschleunigen.
  1. Anwendungsbereich auf die BAföG-Ämter der Studierendenwerke?

Die Studierendenwerke in NRW sind Landesanstalten öffentlichen Rechts. Ihre landesgesetzlich im Studierendenwerksgesetz NRW definierte Aufgabe ist die wirtschaftliche und soziale Förderung der Studierenden.

Den Studierendenwerken wurde darin auch die Aufgabe als „Ämter für Ausbildungsförderung“ für Studierende an Hochschulen übertragen. In den anderen Aufgabenbereichen wie z.B. Verpflegung in Mensen/Cafeterien oder Studentenwohnheimen schließen sie mit Studierenden in der Rechtsform des Handelns „privatrechtliche Verträge“ ab. Dabei handeln die Studierendenwerke – im Gegensatz zum BAföG – nicht als Behörde.

a) Für BAföG-Ämter gilt das E-Governmentgesetz des Bundes – mit Lücken

Das BAföG wird von den 16 Bundesländern im Auftrag des Bundes ausgeführt (Bundesauftragsverwaltung), in NRW (für Studierende) von den Studierendenwerken. Nach § 1 Abs. 2 des Gesetzes zur Förderung der elektronischen Verwaltung (E-Government-Gesetz - EGovG) gilt dieses (Bundes)Gesetz auch für die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit der Behörden der Länder, der Gemeinden und Gemeindeverbände und der sonstigen der Aufsicht des Landes unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts, wenn sie Bundesrecht ausführen.

Hingegen gilt das E-Government-Gesetz NRW für die (originäre) Landesverwaltung. Allerdings gelten einige der Regelungen des E-Governmentgesetz des Bundes nur für Behörden des Bundes. Diese Regelungen gelten nicht für die Studierendenwerke.

Es existiert folglich für die Studierendenwerke eine Lücke zwischen E-Governmentgesetz des Bundes und des Landes NRW. Bildlich gesprochen sitzen die Studierendenwerke zwischen beiden Stühlen. Dabei war es Ziel des Gesetzentwurfs, Ausnahmen vom Anwendungsbereich des E-Government-Gesetzes zu reduzieren.

b) E-Governmentgesetz NRW orientiert sich am VwVfG NRW, BAföG am SGB

Der Gesetzentwurf strebt eine prinzipielle Orientierung am Anwendungsbereich des Verwaltungsverfahrensgesetzes NRW an. Dieses jedoch ist auf das BAföG nicht (primär) anwendbar, sondern nachrangig, sofern im SGB oder VwVfG gar keine Regelungen getroffen sind. BAföG ist ein Besonderes Buch des Sozialgesetzbuchs (§ 68 SGB I), für die als Verfahrensvorschriften die des SGB gelten, nicht die des Verwaltungsverfahrensgesetzes NRW.

Die Frage ist, ob der Gesetzgeber dies bewusst so beibehalten möchte. Gleiches gilt z.B. für die Administration des Wohngeldgesetzes, das ebenfalls ein Besonderes Buch des Sozialgesetzbuches ist.
 

2. Bereitstellung offener Daten

Über den Anwendungsbereich des E-Governmentgesetzes hinaus haben die Studierendenwerke als (Sozial)Leistungsträger weitere spezifische Regeln zu beachten: Für das BAföG gilt deshalb nicht nur der allgemeine Datenschutz, sondern der engere, strengere des Sozialdatenschutzes nach §§ 67 ff. SGB X.Daten zum BAföG werden allein zu den Merkmalen erfasst, die in § 55 BAföG explizit genannt sind. Als Zweck ist dort allein die Durchführung einer Bundesstatistik benannt – nach der dazugehörigen BAföG-Verwaltungsvorschrift (Tz 55.1.3)

  • nach Vorgaben des Statistischen Bundesamtes
  • über das regional zuständige Statistische Landesamt an das Statistische Bundesamt.

 

3. Zwischenergebnis

Insoweit ist das E-Government-Gesetz NRW auf die Studierendenwerke als Ämter für Ausbildungsförderung nicht anwendbar, noch ist vorgesehen, dass Daten (Sozialdatenschutz) oder statistische Daten für (kommerzielle) Dritte in maschinenlesbarer Form offen zur Verfügung gestellt werden können.

 

4. Beschleunigung der Digitalisierung der Verwaltung

Allerdings besteht ein Bedarf, die Digitalisierung der Ämter für Ausbildungsförderung sowie ihre Leistungen auch in NRW zu beschleunigen. Nach den Vorgaben des Onlinezugangsgesetzes (OZG) sind Bund und Länder verpflichtet,

-           bis spätestens zum Ablauf des fünften auf die Verkündung dieses Gesetzes folgenden Kalenderjahres [das ist Ende 2022] ihre Verwaltungsleistungen auch elektronisch über Verwaltungsportale anzubieten.

-           ihre Verwaltungsportale miteinander zu einem Portalverbund zu verknüpfen.

 

a) BAföG-Antrag

In der BAföG-Formblatt-Verwaltungsvorschrift von Bund und Ländern ist ausschließlich die Papierform der BAföG-Anträge dargestellt – ein Anachronismus. Die gesetzliche Verpflichtung an die Länder, bis August 2016 eine eAntragstellung zu ermöglichen, hat zu 16 jeweils landesspezifischen BAföG-eAnträgen geführt, die immerhin auf einer Bundes-Website zusammengetragen sind. Bürgerfreundlich sind landesspezifische Anträge für eine Bundesförderung nicht.

Bund und Länder sollten sich zugunsten der Kundenorientierung für die internetaffinste Gruppe der Gesellschaft – der Studierenden - auf einen bundesweiten eAntrag einigen. Dieser sollte dialogorientiert funktionieren. Eine Abbildung des durch die BAföG-Formblatt-Verwaltungsvorschrift vorgegebenen Papierform der BAföG-Anträge reizt die technischen Möglichkeiten einer Digitalisierung nicht aus.

Als Ersatz für die händische Unterschrift soll die Nutzung der „AusweisApp2“ für neuere Smartphones (damit kein extra Kartenlesegerät zum Auslesen des Personalausweises mehr erforderlich) forciert werden. Der landesspezifische NRW eBAföG-Antrag kann dies bereits.Auch Apple-Geräte können seit Ende September 2019 (wegen der Freigabe der NFC-Schnittstelle durch das Betriebssystem iOS 13) partizipieren. (Darauf wird beim NRW eBAföG-Antrag allerdings leider nicht hingewiesen und benennt nur Android-Geräte.)

Es hat insofern kürzlich eine Verwaltungsvereinfachung stattgefunden – ohne dass der Bundes- oder Landesgesetzgeber etwas geändert hat.

 

b) BAföG-Fachanwendung

Diese Software für BAföG-Ämter dient überwiegend der Eingabe, Bearbeitung, Berechnung und Bescheidung über den Antrag. Die Bundesländer stellen diese ihren BAföG-Ämtern zur Verfügung; die BAföG-Ämter nutzen diese vom Land vorgegebene Software. Als BAföG-Fachanwendung stehen derzeit in den 16 Bundesländern drei Modelle zur Verfügung, davon ist die des Landes NRW eine Insellösung nur für NRW. Sie wird den Ämtern für Ausbildungsförderung in NRW vom Landesbetrieb IT NRW zur Verfügung gestellt. Auf anwenderorientierte Gestaltung und Features wurde dabei weitgehend verzichtet. Die Beteiligung der Anwender (BAföG-Ämter) an der Fachanwendung ist zwingend.

Wegen der Konkurrenz der drei Fachanwendungen ist es trotz jahrelanger Beratungen nicht gelungen, sich auf Schnittstellen zu einigen, die es z.B. bei einem Zuständigkeitswechsel bei einem Hochschulwechsel zwischen Bundesländern die Datensätze untereinander gesichert (z.B. VPN-Tunnel) auszutauschen.

Angesichts diese Erfahrungen kann die Lösung nur in einer bundesweit einheitlichen Fachanwendung bestehen.

 

c) Kommunikation mit Antragsteller/innen, Behörden und Gerichten

Die Studierendenwerke NRW können beim BAföG-Vollzug die Anforderungen an den Sozialdatenschutz nicht gewährleisten, indem sie mit Studierenden per E-Mail kommunizieren.

Demnach wird dringend eine sichere Kommunikation zwischen Studierenden/Bürgern und Ämtern auch beim BAföG benötigt, ebenso für die elektronische Kommunikation mit Gerichten und anderen Behörden, insbesondere das für die BAföG-Rückzahlung zuständige Bundesverwaltungsamt. Die Umsetzung des elektronischen Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) sowie des besonderen Behördenpostfach (beBPo) ist zu forcieren.  

Das BAföG ist nicht der einzige Arbeitsbereich der Studierendenwerke. Auch in anderen Abteilungen (z.B. Hochschulgastronomie, Wohnheime, Beratung, Kitas) wird eine sichere Kommunikation benötigt. Unterschiedliche Systeme für unterschiedliche Abteilungen der Studierendenwerke sind allerdings aus Unternehmenssicht problematisch.

 

d) E-Akte

Mit der Fachanwendung und der Kommunikation ist eng die Dokumentation der Verwaltungsvorgänge verbunden: die Aktenführung. Angesichts von Hochschulwechseln in andere Bundesländer ist Mindestanforderung, dass per Schnittstellen die Daten in andere landesspezifische Fachanwendungen übernommen werden können. Wie oben erwähnt, war bisher eine Schnittstellenlösung nicht erfolgreich. Dies lässt keine Prognose zu, dass künftig eine Schnittstellenlösung gelingt. Folglich ist aus dieser Perspektive eine Einigung auf eine bundesweite e-Aktenlösung zielorientiert.

Auf der anderen Seite gibt es ein Unternehmensinteresse, eine e-Aktenlösung für alle Geschäftsbereiche eines Studierendenwerks zu haben und nicht unterschiedliche rein abteilungsbezogene e-Aktenlösungen.

 

e) Archivierung

Archivierung ist Selbstverwaltungsangelegenheit. Dort liegt die Kompetenz, die Archivierung zu regeln.Natürlich ist eine einheitliche Archivierung für alle Geschäftsbereiche eines Studierendenwerks anzustreben – und die Kompetenz nicht abzugeben. Dann aber würde man sich genauso verhalten wie die Bundesländer, die auf eigene Fachanwendungen, eigene eAnträge beharren und damit die Kundenorientierung nicht im Blick haben.
Letztlich wird eine Bundesförderung nur dann kundenorientiert angeboten, wenn sie aus einem Guss ist und nicht nach kleinteiligen formalen Kompetenzen ausgerichtet ist.

 

Fazit

Bisher sind die BAföG-Ämter der Studierendenwerke nicht vom Geltungsbereich des E-Governmentgesetz NRW erfasst, allerdings auch nicht vollumfänglich vom E-Governmentgesetz des Bundes. Der Gesetzgeber muss entscheiden, wie er Bundesauftragsverwaltung regeln will.

Die Studierendenwerke brauchen zur Aufgabenerfüllung die bestmögliche Unterstützung des Landes – und zwar nicht als Selbstzweck, sondern für die Studierenden. Für den Bereich BAföG ist eine bundesweite Lösung anzustreben, die Information, Antragstellung, Bearbeitung, Kommunikation, Aktenführung und Archivierung – die gesamte Prozesskette – umfasst.

Die Anwenderebene in den BAföG-Ämtern ist zwingend in Planung, Anwender- und Kundenfreundlichkeit und Umsetzung von elektronischen Verwaltungslösungen einzubeziehen.

 

Berlin, 29. Oktober 2019

gez. Achim Meyer auf der Heyde

Generalsekretär des Deutschen Studentenwerks