13.07.2016

Behindertenpolitik

Stellungnahme zum Entwurf der Strategie "Bildung in der digitalen Welt" der KMK

Wir nehmen im Interesse der 7% Studierenden mit Beeinträchtigung hier Stellung zum Entwurf der Strategie "Bildung in der digitalen" Welt der Kultusministerkonferenz (KMK). Die Digitalisierung der Hochschulbildung birgt große Chancen - gerade auch für Studierende mit Beeinträchtigung. Aber nur dann, wenn Barrierefreiheit von Anfang an mitgedacht wird.

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Stellungnahme des Deutschen Studentenwerks zum Entwurf der Strategie der Kultusministerkonferenz "Bildung in der digitalen Welt" vom 27.4.2016

Das Deutsche Studentenwerk (DSW)  ist der Verband der 58 Studentenwerke in Deutschland und nimmt satzungsgemäß sozialpolitische Belange der Studierenden in Deutschland wahr. Das DSW ist zugleich Träger der Informations- und Beratungsstelle Studium und Behinderung (IBS), die 1982 auf Empfehlung der Kultusministerkonferenz und mit Beschluss des Deutschen Bundestages eingerichtet wurde. Vor diesem Hintergrund nehmen wir im Folgenden zu dem Entwurf einer Strategie der Kultusministerkonferenz „Bildung in der digitalen Welt“ vom 27.04.2016 Stellung.

Das Deutsche Studentenwerk unterstützt das Anliegen der Kultusministerkonferenz, mit der Strategie „Bildung in der digitalen Welt“ zu verdeutlichen, welche positiven Perspektiven mit der Digitalisierung im Hochschulbereich verbunden sein können. Die Digitalisierung der Hochschulbildung birgt jedoch auch Exklusionsrisiken. Diese betreffen vor allem Studierende mit Beeinträchtigungen. Ihre Teilhabe an der digitalisierten Hochschulbildung ist nur dann gewährleistet, wenn die Standards der Barrierefreiheit gewährleistet werden. Fragen der barrierefreien Zugänglichkeit und Nutzbarkeit betreffen sowohl die digitale Infrastruktur (z.B. Campus-Management-Systeme, Lernplattformen, Bibliothekskataloge), die Aufbereitung digitaler Lehr- und Lernmaterialien wie auch die didaktische Gestaltung digitaler Lehr- und Lernformen.

Die Hochschulen sind daher gefordert, die barrierefreie Zugänglichkeit und uneingeschränkte Nutzbarkeit der onlinebasierten Lehr- und Lernangebote sowie der digitalen Infrastruktur sicherzustellen. Um die chancengleiche Teilhabe Studierender mit Beeinträchtigungen an der Hochschulbildung zu sichern, ist die Barrierefreiheit in der Strategie der Kultusministerkonferenz zu digitaler Bildung angemessen zu berücksichtigen. Die Handlungsfelder sind entsprechend zu ergänzen.

Im Einzelnen:

Chancen und Risiken der Digitalisierung der Hochschulbildung für Studierende mit Beeinträchtigungen

Die Gruppe der Studierenden mit Beeinträchtigungen beträgt nach Angaben der 20. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks 7 Prozent aller Studierenden. Die Digitalisierung der Hochschulbildung ermöglicht vor allem eine größere räumliche und zeitliche Flexibilität, auf die diese Studierenden häufig in besonderem Maße angewiesen sind. Digitalisierte Angebote ermöglichen es diesen Studierenden zum Beispiel, krankheitsbedingte Fehlzeiten leichter zu überbrücken, weil der Zugang zum Campus-Management-System oder einer Lernplattform auch von zu Hause aus möglich ist, Online-Lehr- und Lerneinheiten jederzeit unterbrochen und fortgesetzt werden können oder der Kontakt zur Lerngruppe auch von der Reha-Klinik aus aufrechterhalten werden kann. 

Studierende mit Beeinträchtigungen – insbesondere Studierende mit einer Hör-, Seh- oder motorischen Beeinträchtigung – können an einer digitalisierten Hochschulbildung aber nur dann teilhaben und von ihr profitieren, wenn die Angebote den Standards der Barrierefreiheit entsprechen und auch für sie uneingeschränkt zugänglich und nutzbar sind. Andernfalls entstehen für diese Studierenden neue Barrieren und Benachteiligungen.

Rechtliche und funktionale Rahmenbedingungen

Die Verpflichtung zum Abbau von Barrieren und zur Gestaltung diskriminierungsfreier Studienbedingungen ist eine Vorgabe der UN-Behindertenrechtskonvention, der Behindertengleichstellungsgesetze und der Hochschulgesetze der Länder. Das Vergaberecht verpflichtet bei öffentlichen Ausschreibungen oberhalb des Schwellenwertes von derzeit 209.000 Euro zur Aufnahme von Zugänglichkeitskriterien in die Leistungsbeschreibung, wenn es sich um Leistungen zur Nutzung durch natürliche Personen handelt. Die Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung (BITV 2.0) gibt die Standards für die digitale Informations- und Kommunikationstechnik vor.

Sensibilisierung und Qualifizierung der Akteure

Alle beteiligten Akteure (IT-Personal, Hochschul- und Mediendidaktiker/innen, Lehrende) sollten entsprechende Kompetenzen zur barrierefreien Gestaltung von E-Learning-Angeboten bzw. zur Einrichtung einer barrierefreien digitalen Infrastruktur erwerben. In den Prozess der Sensibilisierung und Qualifizierung der Akteure sollten Studierende mit Beeinträchtigungen als Expertinnen und Experten in eigener Sache frühzeitig einbezogen werden.

Berücksichtigung von Barrierefreiheit in den Digitalisierungsstrategien

Erfordernisse der Barrierefreiheit sind in den Konzepten und Strategien der Hochschulen zur Digitalisierung und in allen Phasen des Auf- und Ausbaus von E-Learning-Angeboten und digitaler Infrastruktur umfassend zu berücksichtigen. Dies nicht zuletzt auch deshalb, weil eine nachträgliche Optimierung der Angebote auf Barrierefreiheit oft schwierig ist und mit hohem Zeit- und Kostenaufwand einhergehen kann. Die Beauftragten für die Studierenden mit Behinderungen und chronischen Krankheiten können den Prozess der Erarbeitung und Umsetzung von Konzepten oder Strategien der Digitalisierung unterstützen.

 

Berlin, 14. Juli 2016

 

Achim Meyer auf der Heyde
Generalsekretär des Deutschen Studentenwerks