25.08.2020

Baden-Württemberg

Stellungnahme zum Anhörungsentwurf des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg für ein Viertes Gesetz zur Änderung hochschulrechtlicher Vorschriften

Ende Juli 2020 hat das Wissenschaftsministerium Baden-Württemberg einen Anhörungsentwurf für ein Viertes Hochschulrechtsänderungsgesetz vorgelegt. Der Entwurf sieht unter anderem Änderungen des Studierendenwerksgesetzes vor. Wir haben hierzu umfassend Stellung genommen. Wir sehen einige Punkte kritisch, unter anderem, dass der Landes-Gesetzgeber nun regeln will, wie die baden-württembergischen Studierendenwerke zusammen zu arbeiten hätten. Wir weisen vielmehr darauf hin, wie wichtig es ist, den Studierendenwerken in den gesetzlichen Rahmenbedingungen diejenige Autonomie zu gewähren, welche sie für eine effiziente, an den örtlichen Bedürfnissen orientierte Arbeit benötigen.

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Stellungnahme des Deutschen Studentenwerks (DSW) zum Anhörungsentwurf des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg für ein Viertes Gesetz zur Änderung hochschulrechtlicher Vorschriften (Stand: 27. Juli 2020)

Das Deutsche Studentenwerk (DSW) ist der Dachverband der 57 Studenten- und Studierendenwerke in Deutschland und nimmt außerdem satzungsgemäß sozialpolitische Belange der Studierenden der Hochschulen wahr. Vor diesem Hintergrund nehmen wir im Folgenden zu dem Anhörungsentwurf des Wissenschaftsministeriums Baden-Württemberg für ein Viertes Gesetz zur Änderung hochschulrechtlicher Vorschriften Stellung, soweit dies die Arbeit der Studierendenwerke bzw. sozialpolitische Belange der Studierenden an den Hochschulen in Baden-Württemberg betrifft.
 

1. Generelle Anmerkungen zu dem Anhörungsentwurf

Nach der Begründung des Anhörungsentwurfs soll mit den vorgesehenen Änderungen „die Handlungs- und Kooperationsfähigkeit der Hochschulen verbessert werden. Zugleich gilt es, die Verantwortlichkeiten zu präzisieren.“ Weiter heißt es: „Das Gesetzgebungsvorhaben trägt zur Nachhaltigkeit durch Bürokratieabbau […] bei.“

Die Ausrichtung der geplanten Änderungen ist damit offensichtlich eine andere als beim vorherigen, Dritten Hochschulrechtsänderungsgesetz aus 2013. Dort hieß es in der Begründung des Anhörungsentwurfs noch: „Das Gesetz setzt Vertrauen in Hochschulen, die autonom sind, aber in besonderer Verantwortung gegenüber Gesellschaft und Staat stehen […], die professionell geleitet mit ihren Ressourcen effektiv und effizient umgehen.“

Gleichermaßen wie Hochschulen benötigen auch Studenten- und Studierendenwerke für eine erfolgreiche Arbeit im Rahmen ihres sozialen Auftrags neben einer ausreichenden finanziellen Ausstattung einen vertrauensbasierten, breiten Gestaltungsspielraum:

Forschung und Lehre erfordern eine adäquate soziale Infrastruktur. Die Leistungen der Studenten- und Studierendenwerke in den Bereichen Studienfinanzierung, Verpflegung, Wohnen und soziale Beratungs- und Betreuungsangebote sind unverzichtbar für den Studienerfolg. Dies gilt in besonderem Maß unter den aktuellen Bedingungen der Bologna-Reform und einer zunehmend heterogenen Studierendenschaft. Die Studenten-/Studierendenwerke bilden mit ihren Angeboten im Rahmen ihres gesetzlichen Auftrags die wirtschaftliche und soziale Bildungs- und Hochschulinfrastruktur und tragen erheblich zur Profilbildung der Hochschulen bei. Im Vergleich zu den Hochschulen ist der Anteil der öffentlichen Finanzierung bei den Studenten- und Studierendenwerken überschaubar. 2018 lag er im Bundesdurchschnitt bei lediglich noch 8,7 % ihrer Einnahmen, in Baden-Württemberg sogar bei nur 7,5 %. Umso wichtiger ist es, den Studenten- und Studierendenwerken in den gesetzlichen Rahmenbedingungen die Autonomie zu gewähren, welche sie für eine effiziente, an den örtlichen Bedürfnissen orientierte Arbeit benötigen.

Diesen Anforderungen wird der vorliegende Anhörungsentwurf nur eingeschränkt gerecht. Aus Sicht des DSW enthält er eine Reihe von Punkten, auf die verzichtet werden sollte oder die nachjustiert werden müssen.
 

2. Kinderbetreuungseinrichtungen der Studierendenwerke

Der Anhörungsentwurf sieht einen ergänzenden § 2 Abs. 2a Studierendenwerksgesetz (im Folgenden: StWG-E) mit folgender Regelung vor: „Die Studierendenwerke können auch über die Grenzen von Absatz 1 hinaus Kinderbetreuungseinrichtungen betreiben, insbesondere für Kinder von Hochschulmitarbeiterinnen und Hochschulmitarbeitern.“

Das Interesse von Hochschulen und Hochschulbeschäftigten, ebenfalls in gewissem Umfang die Kinderbetreuungseinrichtungen der Studierendenwerke zu nutzen, ist nachvollziehbar. Die dazu vorgeschlagene Gesetzesformulierung erscheint allerdings – anders als in der Begründung des Anhörungsentwurfs angenommen – insbesondere vor dem Hintergrund gemeinnützigkeitsrechtlicher Anforderungen weder notwendig noch sinnvoll: Die Einrichtungen der Studierendenwerke müssen primär den Studierenden bzw. hier deren Kindern zur Verfügung stehen. Die vorgesehene Neuregelung könnte dagegen auch so verstanden werden, dass gesondert Kinderbetreuungseinrichtungen für Kinder von Hochschulbeschäftigten betrieben werden. Dies wären dann sog. Betriebskindergärten, welche gerade nicht gemeinnützig sind, weil sie nicht für die Allgemeinheit bestimmt sind. Bereits in der jetzt geltenden Fassung enthält das Gesetz in § 2 Abs. 5 StWG eine Öffnungsklausel, welche den Studierendenwerken erlaubt, Personen, die nicht Studierende sind, zur Benutzung ihrer Einrichtung zuzulassen, soweit dies mit der Erfüllung der übertragenen Aufgaben vereinbar ist. Dies umfasst auch die gemeinsame Betreuung von Kindern von Studierenden und Hochschulangehörigen, ohne dass es einer gesonderten, möglicherweise steuerschädlichen Einrichtung bedarf. Wenn hier weiterhin eine spezielle gesetzliche Regelung beabsichtigt ist, sollte dies berücksichtigt werden. Und falls die Studierendenwerke zukünftig in noch größerem Umfang für Hochschulen bzw. Hochschulbeschäftigte Leistungen im Bereich der Kinderbetreuung erbringen sollen, wäre auch die Finanzierung hierfür sicherzustellen.
 

3. Zusammenwirken der Studierendenwerke

In einem neu vorgesehenen § 2a StWG-E sind Regelungen zum Zusammenwirken der Studierendenwerke untereinander und mit Hochschulen, Bund, Ländern und Kommunen formuliert. Dieses Zusammenwirken ist für die Studierendenwerke Alltag. Gleichwohl ist es nachvollziehbar, wenn durch die Regelung – wie es in der Begründung zu dem Anhörungsentwurf heißt – vor dem Hintergrund der umsatzsteuerlichen Anforderungen die Praxis auch in der gesetzlichen Normierung abgebildet werden soll. Denn die Leistungen der gemeinnützigen Studenten- und Studierendenwerke sind mehrheitlich von der Umsatzsteuer befreit oder umsatzsteuerbegünstigt. Etwa die Umsatzsteuerfreiheit von Verpflegungsleistungen ergibt sich aus der deutschen Regelung des § 4 Nr. 23 Buchst. c UStG, die zum Teil auf Regelungen des europäischen Rechts für bestimmte, dem Hochschulunterricht eng verbundene Dienstleistungen rekurriert. Die Steuerbefreiung bezweckt eine wirtschaftliche Entlastung der Empfänger/innen von Bildungsleistungen, also der Studierenden selbst bzw. derjenigen Personen und Institutionen, die tatsächlich mit den Kosten des Hochschulunterrichts belastet sind – insbesondere Eltern oder Fördereinrichtungen. Würde diese Befreiung nicht bestehen, würden sich die Leistungen der Studenten- und Studierendenwerke für die Studierenden verteuern bzw. der Zuschussbedarf des jeweiligen Studenten-/Studierendenwerks und damit der Haushaltsaufwand des Landes würden steigen.

Nicht in dieser Form in das Gesetz gehört dagegen aus Sicht des DSW die vorgesehene Ergänzung in § 13 Abs. 5 StWG-E. Dort wäre verpflichtend festgelegt, dass die Geschäftsführer/innen der Studierendenwerke des Landes zur Wahrnehmung ihrer Interessen eine landesweite Vertretung bilden. Die Studenten- und Studierendenwerke stimmen sich bundesweit, auf Landesebene und regional miteinander ab. Dazu bedarf es keines gesetzlichen Zwanges zur institutionalisierten Zusammenarbeit. Demgemäß gibt es eine vergleichbare Regelung auch in keinem anderen Bundesland und es sollte auf sie verzichtet werden oder sie sollte – wenn überhaupt – allenfalls als Kann-Regelung ausgestaltet sein. Denn die Verantwortung der Studierendenwerke für die Belange der Studierenden vor Ort erfordert, dass sich das Wissenschaftsministerium auch mit jedem einzelnen Studierendenwerk individuell auseinandersetzt.  
 

4. Geschäftsführungen

In den §§ 5 und 6 StWG-E wären eine Reihe von Ergänzungen vorgesehen, welche sich auf die Geschäftsführung bzw. deren Vertretung beziehen. In § 5 Abs. 3 und Abs. 6 StWG-E sollen Regelungen zur Passivvertretung bei „Führungslosigkeit“ eingefügt werden. Es handelt sich dabei um die Abwandlung einer Vorschrift aus dem Recht der Kapitalgesellschaften (Aktiengesellschaft, GmbH), welche sich auf eine spezielle Fallkonstellation bezieht. In dem betreffenden Abs. 6 im Entwurf nehmen die Festlegungen zu einem Sonderfall der Führungslosigkeit mehr Raum ein als die Standardfälle der Bestellung und Wiederbestellung. Bundesweit gibt es kein anderes, für die Studenten- und Studierendenwerke geltendes Gesetz, welches eine solche Sonderregelung vorsieht. In der Praxis wird eine solche Konstellation auch kaum vorkommen, da die Geschäftsführung nach § 5 Abs. 3 StWG in der geltenden Fassung eine Abwesenheitsvertretung bestellt. Eine Vertretung durch den Verwaltungsratsvorsitzenden ist dagegen nicht notwendig.

In § 5 Abs. 4 StWG-E soll eine Festlegung zu einer „Verhinderungsvertretung“ erfolgen. Dieser Begriff ist fachsprachlich unüblich. Normalerweise unterscheidet man bei der Vertretung zwischen den beiden Alternativen Abwesenheitsvertretung und ständige Vertretung. Zu einer „Verhinderungsvertretung“ findet sich für die Studenten-/Studierendenwerke bundesweit ebenfalls keine Regelung. Jede der genannten Neuregelungen formuliert zusätzliche bürokratische Anforderungen für Sonderfälle. Jede erscheint verzichtbar.

In § 5 Abs. 6 StWG soll nach dem Anhörungsentwurf der erste Satz gestrichen werden, wo es derzeit heißt: „Die Geschäftsführerin oder der Geschäftsführer muss über ausreichende Erfahrung auf wirtschaftlichem, sozialem oder rechtlichem Gebiet verfügen.“ Angesichts der hohen Komplexität der Aufgabe der Geschäftsführung und der damit verbundenen, umfassenden Verantwortung würden wir es für das falsche Signal halten, diese Qualifizierungsanforderungen zu streichen. Sie erscheinen vielmehr weiterhin notwendig. In der Begründung des Anhörungsentwurfs heißt es dazu, die notwendigen Erfahrungen und Kenntnisse könnten nicht in sinnvoller Weise allgemeingültig konkretisiert werden. Dass keine Person bestellt werde, die dem Amt nicht gewachsen sei, sei durch die gebotene sachliche Auswahlentscheidung des Verwaltungsrates und das Zustimmungserfordernis des Wissenschaftsministeriums hinreichend gewährleistet. Diese Argumentation hält das DSW nicht für durchgreifend: Unabhängig vom Verfahren macht es Sinn, die Festschreibung der Anforderungen im Gesetz beizubehalten.

In § 6 Abs. 1 S. 1 StWG-E soll nun festgelegt werden, dass der/die Geschäftsführer/in mit Zweidrittelmehrheit vorzeitig abbestellt werden kann. Eine solche qualifizierte Mehrheit erscheint angesichts der Tragweite der Entscheidung für das Studierendenwerk sinnvoll. Als Folgeänderung sollte § 7 Abs. 1 S. 2 StWG nun wie folgt gefasst werden: „Beschlüsse werden mit einfacher Mehrheit gefasst, soweit sich aus diesem Gesetz keine abweichende Regelung ergibt.“ 

Im Übrigen heißt es in der Begründung des Anhörungsentwurfs, hier werde eine qualifizierte Mehrheit der Stimmen vorausgesetzt, um die Abberufung „auf besondere Fälle“ zu begrenzen. Damit wird suggeriert, es wäre ein für eine Abberufung besonderer Fall bereits dann gegeben, wenn eine solche Mehrheit erreicht würde. Dies ist jedoch nicht der Fall. Auch, wenn das Gesetz keine Abberufungsgründe nennt, so ist dennoch keine Abberufung ohne einen wichtigen Grund möglich. Dies folgt aus dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelungen, die Funktionsfähigkeit der Anstalt zu erhalten. Vor dem Hintergrund der mit der Bestellung übertragenen Amtsverantwortung dürfte genauso wenig ein/e Geschäftsführer/in allein dadurch, dass er/sie die Zusammenarbeit aktuell als schwierig empfindet ohne ausreichenden konkreten Grund einfach die Ausübung seiner/ihrer Amtsgeschäfte einstellen.

Auch ist zu berücksichtigen, dass die Bestellung der Geschäftsführer/innen nach § 5 Abs. 6 StWG auf jeweils sechs Jahre erfolgt. Durch diese Befristung ist die Ausübung des Dienstverhältnisses kontinuierlich mit einem Risiko in Bezug auf die Wiederbestellung behaftet. Für die Studierendenwerke ist es wichtig, trotz dieser Rahmenbedingungen weiter qualifizierte Personen für die Geschäftsführung gewinnen und halten zu können. Daher wäre es –unabhängig von rechtlichen Erwägungen – nicht sinnvoll, das Dienstverhältnisses durch Erzeugung des Eindrucks, dieses könne ohne einen gewichtigen Widerrufsgrund jederzeit beendet werden, weiter zu destabilisieren. Der Begründung des Anhörungsentwurfs darf an dieser Stelle somit zukünftig nicht weiter gefolgt werden.

Bei den Rechtsbeziehungen zwischen Studierendenwerk und Geschäftsführung sind die öffentlich-rechtliche Bestellung und der Abschluss des privatrechtlichen Dienstvertrages zu unterscheiden. Im vorgesehenen § 6 Abs. 6 StWG-E sind Veränderungen in Bezug auf das diesbezügliche Zustimmungserfordernis des Wissenschaftsministeriums vorgesehen. In der Begründung der Neufassung wird davon ausgegangen, mit der Formulierung sei klargestellt, dass das Zustimmungserfordernis sowohl für die Abberufung als auch für die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses vorgesehen sei. Dies kann jedoch nicht nachvollzogen werden, da in der geplanten Neuregelung nur die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses genannt ist.

Unabhängig davon hatte das DSW bereits in der Vergangenheit die Notwendigkeit zur Änderung der derzeitigen Regelung des § 6 Abs. 6 StWG angemahnt. Die nun geplante Fassung stellt jedoch im Gegenteil eine weitere Verschärfung der kritisierten Rechtslage dar:

Die derzeitige Fassung des § 6 Abs. 6 StWG erhielt ihre Gestalt durch das Verfasste-Studierendenschafts-Gesetz vom 10. Juli 2012. Mit dieser Änderung wurde die mit der Novellierung des Studentenwerksgesetzes 1999 neu beschrittene Linie einer ausschließlichen Prüfung und Zustimmung der „Vorschläge für die Wahl des Geschäftsführers sowie die Bestellung und Entlassung des Geschäftsführers“ im Rahmen der Rechtsaufsicht verlassen. Vielmehr bedeutete dieses eingeführte Zustimmungserfordernis des Wissenschaftsministeriums für „die Regelungen des Beschäftigungsverhältnisses“ der Studentenwerksgeschäftsführer/innen einen Schritt zurück in die Wahrnehmung der ministeriellen Fachaufsicht in einem einzelnen wesentlichen Punkt. Das Deutsche Studentenwerk hatte bereits in seiner Stellungnahme vom 19. März 2012 gefordert, die damals geplante Änderung nicht durchzuführen. Nach dem vom Deutschen Studentenwerk in Auftrag gegebenen Rechtsgutachten von Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. Ulrich Battis ist die Regelung nicht mit der Verfassung des Landes Baden-Württemberg konform: vielmehr verstößt die Vorschrift zum einen gegen das verfassungsrechtliche Gebot der Folgerichtigkeit und verletzt darüber hinaus das in Art. 71 Abs. 1 S. 3 Landesverfassung Baden-Württemberg verankerte Recht auf Selbstverwaltung der Studierendenwerke.

Der Gutachter führt dazu u.a. aus: „Diesem Sinn und Zweck und damit dem verfolgten System läuft es jedoch gerade zuwider, wenn § 6 Abs. 6 StWG in der aktuellen Fassung bestimmt, dass die Regelungen des Beschäftigungsverhältnisses des Geschäftsführers der Zustimmung des Wissenschaftsministeriums bedürfen. Dies ist eine Abwendung von dem mit der Strukturreform von 1999 verfolgten Ziel der Abkehr vom staatlichen Steuerungsmodell und dem Weg hin zur Schaffung einer funktionalen Selbstverwaltung. Denn mit § 6 Abs. 6 StWG wird eine Fachaufsicht des Wissenschaftsministeriums statuiert. Diese Vorschrift ist ein Instrument des vor der Reform 1999 bestehenden alten staatlichen Steuerungsmodells. Das Wissenschaftsministerium ist nicht mehr nur auf die in § 13 Abs. 1 StWG angeordnete und die Rechtsaufsicht prägende Prüfung der Rechtmäßigkeit beschränkt. Im Rahmen der Kenntnis von der konkreten Ausgestaltung der einzelnen Dienstverträge der Geschäftsführer kann sie durch ihre erforderliche Zustimmung Einfluss auf die Ausgestaltung nehmen. […] Der intendierten Stärkung der Eigenständigkeit und Autonomie läuft darüber hinaus entscheidend zuwider, dass die Geschäftsführer der Studentenwerke durch die Neufassung ihre Unabhängigkeit faktisch einbüßen. Sie geraten vielmehr in ein Abhängigkeitsverhältnis zum Wissenschaftsministerium […]. Es ist nicht nachvollziehbar, wie sich diese Entwicklung mit der Stellung des Geschäftsführers als Organ der funktionalen Selbstverwaltung vereinbaren lässt; nicht zuletzt, da der Geschäftsführer gemäß § 5 Abs. 3 StWG das Studentenwerk vertritt und regelmäßig auch gegenüber dem Wissenschaftsministerium konträre Positionen beziehen muss.“

Das Deutsche Studentenwerk hatte bereits in seiner o.g. Stellungnahme zum Entwurf des Verfasste-Studierendenschafts-Gesetzes dargelegt, dass sich in Baden-Württemberg die abschließende Regelung des Dienstvertrages unmittelbar zwischen dem/der Vorsitzenden des Verwaltungsrats, der gemäß § 5 Abs. 7 StWG hier der Geschäftsführung gegenüber das Studierendenwerk vertritt, und der/dem Geschäftsführer/in bewährt hatte. Dieses Verfahren ermöglichte es den Beteiligten, an den individuellen Gegebenheiten vor Ort orientierte Rahmenbedingungen der Zusammenarbeit innerhalb des Studierendenwerks zu gestalten. Darüber hinaus entsprach die alte Regelung dem Grundgedanken der Studierendenwerke als Einrichtungen der funktionalen Selbstverwaltung: Hier nimmt der Staat die Erfüllung von Verwaltungsaufgaben nicht unmittelbar selbst vor, sondern er überträgt sie auf rechtlich selbständige Organisationen, über die er dann lediglich die Rechtsaufsicht führt. Rahmenbedingungen für eine möglichst autonome Arbeit der Studierendenwerke sind nach den Erfahrungen des DSW die beste Voraussetzung für die Effizienz der Studenten- und Studierendenwerke und damit für eine optimale Erfüllung des sozialen Auftrags. Daher sollte die Gesetzesnovellierung die betreffende Änderung des § 6 Abs. 6 StWG rückgängig machen und damit die Verfassungskonformität wiederherstellen. In der derzeit geplanten Fassung würde sie dagegen zu einer faktischen Verschärfung der kritisierten Rechtslage führen, da es nun sogar der „vorherigen“ Zustimmung des Wissenschaftsministeriums bedürfte. Wenn das Ministerium – gleich aus welchem Grund – diese vorherige Zustimmung dann nicht erteilt, dürfte in der Praxis kein Verwaltungsrat mehr an der ursprünglich beabsichtigten Bestellung festhalten. Die Selbstverwaltung würde damit noch weiter unterhöhlt, der notwendige Gestaltungsspielraum des Studierendenwerks vor Ort noch weiter eingeschränkt.     
 

5. Besondere Belange der Studierenden mit Behinderung oder chronischer Krankheit

Das DSW begrüßt, dass durch die geplante Neufassung des § 28 Abs. 1 Landeshochschulgesetz Baden-Württemberg (im Folgenden: LHG) festgeschrieben ist, dass die Hochschulen bei der Informationsversorgung die Belange ihrer Mitglieder und Angehörigen mit Behinderungen berücksichtigen. Denn nur die barrierefreie Gestaltung online-gestützter Lehr- und Lernangebote ermöglicht es Studierenden mit Beeinträchtigungen, uneingeschränkt daran teilzuhaben.

Wir halten es für erforderlich, die Aufgaben der Hochschule (§ 2 Abs. 3 LHG) an die sich aus der UN-Behindertenrechtskonvention ergebenden Verpflichtungen anzupassen. Danach müssen die Hochschulen dafür sorgen, dass Menschen mit Behinderungen ein diskriminierungsfreier und gleichberechtigter Zugang zur Hochschulbildung ermöglicht wird. Hierzu sollten die Hochschulen aktiv auf den Abbau bestehender Barrieren und Benachteiligungen sowie die Schaffung inklusiver Hochschulstrukturen hinwirken.

Die von den Hochschulen zu bestellenden Beauftragten für die Studierenden mit Behinderungen (§ 2 Abs. 3 LHG) sind zentrale Akteure bei der Umsetzung des Rechts Studierender mit Behinderungen auf chancengleiche Teilhabe. Sie unterstützen mit ihrer fachlichen Expertise die Hochschulleitungen, wirken an der Schaffung barrierefreier Lehr- und Studienbedingungen mit und beraten Studierende mit Beeinträchtigungen. Ihren komplexen Aufgaben und dem hohen Anspruch an ihre Tätigkeit können die Beauftragten nur gerecht werden, wenn sie mit ausreichend Rechten und Ressourcen ausgestattet werden. Daher empfehlen wir, § 2 Abs. 3 LHG dahingehend zu ergänzen, dass die Grundordnungen der Hochschulen neben den Aufgaben auch Näheres zu Rechten, Pflichten und Ressourcen der Beauftragten regeln sollen.

 

6. Studiengebühren für Internationale Studierende

Der Anhörungsentwurf sieht auch Änderungen im Landeshochschulgebührengesetz vor. Das DSW verweist zu den Regelungen dieses Gesetzes auf seine ausführliche Stellungnahme vom 13. Januar 2017. Aus Sicht des DSW sind Studiengebühren weiterhin kein geeignetes Instrument, um den bestehenden und zukünftigen Anforderungen des Arbeitsmarkts und der Wirtschaftsentwicklung mit ihrem gesteigerten Qualifikationsbedarf sowie der Internationalisierung des Hochschulstandorts Deutschland Rechnung zu tragen. Dies gilt sowohl für die Einführung von Studiengebühren für Nicht-EU-Ausländer/innen als auch für allgemeine Zweitstudiengebühren.

Besonders hart treffen die Studiengebühren Internationale Studierende. Dass für sie finanzielle Fragen des Studiums ein besonderes Problem sind, ergibt sich regelmäßig auch aus der Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks. Aus der Wahrnehmung des DSW stellt die aktuelle Corona-Situation speziell Internationale Studierende vor existentielle Herausforderungen. Das DSW fordert auch vor diesem zusätzlichen Hintergrund weiterhin, auf die Studiengebühren zu verzichten bzw. die Regelungen zumindest entsprechend der bereits 2017 geforderten Punkte nachzujustieren.  

 

 

Berlin, 26. August 2020

Achim Meyer auf der Heyde

Generalsekretär des Deutschen Studentenwerks