28.10.2010

Hochschulpolitik

Stellungnahme des Deutschen Studentenwerks zum Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Hochschulzugangs und der Qualitätssicherung des Studiums und der Prüfung – Novellierung des Berliner Hochschulgesetzes (Stand: 22. Juli 2010)

/fileadmin

 

Das Deutsche Studentenwerk (DSW) ist der Dachverband der 58 Studentenwerke in Deutschland und nimmt außerdem satzungsgemäß sozialpolitische Belange der Studieren- den der Hochschulen wahr. Vor diesem Hintergrund nehmen wir im Folgenden zu dem Ent- wurf zur Novellierung des Berliner Hochschulgesetzes Stellung, soweit das Gesetz die Arbeit des Studentenwerks Berlin bzw. sozialpolitische Belange der Studierenden an den Berliner Hochschulen betrifft.

 

Das DSW begrüßt die zentralen Zielstellungen des Entwurfes, das Hochschulrecht in Berlin in Bezug auf die Bolognareform nachzusteuern, den Hochschulzugang für beruflich Qualifi- zierte zu erleichtern und zur Entbürokratisierung im Hochschulwesen beizutragen. Der Ent- wurf macht deutlich, dass die Gestaltung eines modernen Hochschulwesens nur mit ausrei- chender Berücksichtigung sozialer Aspekte der Studierenden gelingen kann. Nachfolgend soll auf weitere Punkte hingewiesen werden, bei denen dies aus Sicht des DSW notwendig ist. Das Land Berlin sollte die Chance der Novellierung des Hochschulgesetzes nutzen, um das Gesetz auch an diesen Stellen zu modernisieren und auf einen so zukunftsfähigen Stand zu bringen, wie er in den vergangenen Jahren bereits von einzelnen anderen Bundes- ländern erreicht wurde. Dies betrifft insbesondere Regelungen zur Situation von Studieren- den in besonderen Lebenslagen.

 

Im Einzelnen nehmen wir zu folgenden Regelungen Stellung:

 

  1. Zuständigkeit für Studienfinanzierungsberatung (§ 28 BerlHG-E)
    Nach der geplanten Neuregelung des § 28 Abs. 1 Hochschulgesetz in der Fassung des Ent- wurfs (BerlHG-E) soll die allgemeine Studienberatung der Hochschulen nun auch eine Studi- enfinanzierungsberatung umfassen. Die Studienfinanzierungsberatung wird im Land Berlin jedoch – wie in den anderen Bundesländern – bereits vom Studentenwerk geleistet. Sie ist Teil der Sozialberatung des Studentenwerks, das über umfassenden Sachverstand zu die- sem Thema verfügt: 2009 haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Sozialberatungs- stellen des Studentenwerks Berlin insgesamt 10.377 Beratungen durchgeführt. Deshalb ver- weisen die Hochschulen die Studierenden in Studienfinanzierungsfragen regelmäßig an das Studentenwerk. Dessen gesetzliche Zuständigkeit ergibt sich in Berlin aus § 1 Abs. 1 des Berliner Studentenwerksgesetzes, wonach Aufgabe des Studentenwerks u.a. die soziale und wirtschaftliche Betreuung der Studierenden der Hochschulen ist. Aus unserer Sicht es nicht sinnvoll, über eine Neuregelung im Hochschulgesetz unnötige Doppelstrukturen aufzubauen, die auch bei den Studierenden zu Unklarheiten über die Beratungszuständigkeit führen wür- den. Auf die vorgesehene Ergänzung in § 28 Abs. 1 S. 4 BerlHG-E sollte daher verzichtet werden.
     
  2. Gesetzliche Verankerung des Amtes der/des Behindertenbeauftragten
    Um eine ausreichende Berücksichtigung der Belange von Studierenden mit Behinderung möglich zu machen, ist es nach Ansicht des DSW zwingend erforderlich, das Amt der/des Beauftragten für die Belange behinderter Studierender gesetzlich festzulegen. Oftmals gibt es an den Hochschulen zwar solche Beauftragte. Deren Stellung ist jedoch in Berlin – wie auch in einer Reihe anderer Bundesländer – noch nicht gesetzlich verankert. Dementspre- chend sind die Beauftragten häufig nicht mit den notwendigen Ressourcen und Mitwirkungs- rechten ausgestattet, die sie bräuchten, um ihren vielfältigen Aufgaben gerecht zu werden, wie sie in der HRK-Empfehlung vom 3. November 1986 dargestellt sind und in der HRK- Empfehlung vom 21. April 2009 noch einmal bekräftigt wurden. Nur finanziell und personell gut ausgestattete und qualifizierte Beauftragte können den gestiegenen Informations- und Beratungsbedarf der Studierenden mit Behinderung decken. Sie können die Qualitätssiche- rung der Hochschulen unterstützen und – im Team mit Kolleg/innen aus den Studienbera- tungen, den Prüfungskommissionen und Verwaltungen sowie den Lehrenden – für die not- wendigen Nachteilsausgleiche sorgen. Das Hochschulgesetz sollte deshalb zur Verankerung des Amtes der Behindertenbeauftragten um eine entsprechende Regelung ergänzt werden, wie etwa das Hamburgische Hochschulgesetz sie in seinem § 88 vorsieht.
     

  3. Zugangssatzungen (§ 10 Abs. 5 BerlHG-E)
    Mit der Einführung des zweistufigen Studiensystems und neuer hochschuleigener Auswahl- verfahren sowie  von Eignungsfeststellungsverfahren sind nach Wahrnehmung des DSW eine ganze Reihe neuer Barrieren und Benachteiligungen für behinderte Studienbewer- ber/innen entstanden. Um hier gegenzusteuern müssten bereits die Zulassungssatzungen der Hochschulen zwingend Regelungen zum Nachteilsausgleich enthalten. Die in der Ent- wurfsfassung neu gefasste Bestimmung des § 10 Abs. 5 BerlHG-E sollte deshalb um die Vorschrift ergänzt werden, dass die Zugangssatzung Regelungen zum Nachteilsausgleich für behinderte Studierende in den Auswahl- und Eignungsfeststellungsverfahren enthalten müssen. Um die Erfüllung dieser Anforderung sicherzustellen, sollte auch § 8 Abs. 3 Hoch- schulzulassungsgesetz in diesem Sinn ergänzt werden.
     

  4. Bedürfnisse behinderter Studienbewerber/innen (§ 4 Abs. 7 BerlHG)
    Der bisherige § 4 Abs. 7 BerlHG bestimmt, dass die Hochschulen die besonderen Bedürfnis- se behinderter Studierender berücksichtigen müssen. Aus den unter 3. genannten Gründen ist es erforderlich, diese Regelung dahingehend zu ergänzen, dass die bisherigen Sätze 1 und 2 entsprechend für behinderte Studienbewerber und Studienbewerberinnen gelten. 
     

  5. Studiengänge (§ 22 BerlHG-E)
    Das DSW begrüßt, dass mit der geplanten Neuregelung des § 22 Abs. 2 BerlHG-E Kriterien in das Gesetz aufgenommen werden sollen, nach denen die Studiengänge zu organisieren sind, um auf dieser Grundlage eine bessere Studierbarkeit und einen zügigeren Studienab- lauf zu gewährleisten. Dabei dürfen allerdings die spezifischen Bedürfnisse von Studieren- den in besonderen Lebenslagen nicht außer Acht gelassen werden. Für Studierende mit Be- hinderung entspricht dies sowohl den o.g. HRK-Empfehlungen als auch den Regeln des Akk- reditierungsrates für die Akkreditierung von Studiengängen und für die Systemakkreditierung vom 8. Dezember 2009. Als Kriterium in § 22 Abs. 2 BerlHG-E sollte daher auch aufgenom- men werden, dass die besonderen Belange von im Studium eingeschränkten Studierenden mit Behinderung, schwerer Krankheit, mit Kind oder mit zu pflegenden Angehörigen durch Verankerung von Nachteilsausgleichen für die Durchführung, den Verlauf und die Unterbre- chung des Studiums berücksichtigt werden.

Das DSW begrüßt weiter, dass in § 22 Abs. 4 BerlHG-E die Pflicht für die Hochschulen nor- miert wird, Studiengänge so zu strukturieren, dass sie auch in Teilzeit studiert werden kön- nen. Zu Recht sieht der Entwurf in der Aufzählung des § 22 Abs. 4 S. 2 BerlHG-E vor, dass ein Teilzeitstudium u.a. auch bei der Wahrnehmung eines Mandats im Verwaltungsrat des Studentenwerks Berlin zulässig sein soll. Die genannte Aufzählung sollte allerdings aus- drücklich ergänzt werden um den Punkt: wenn Studierende durch Behinderung, chronische Krankheit oder länger andauernde schwere Krankheit in ihrer Teilhabe erheblich einge- schränkt sind. Aus Sicht des DSW sollte dabei ein Wechsel zwischen Teilzeit und Vollzeit von Semester zu Semester möglich sein. Das DSW weist im Übrigen darauf hin, dass ein Teilzeitstudium zwar in einer Reihe von Fällen eine wichtige Alternative sein kann. Das Teil- zeitstudium darf jedoch kein erzwungenes Gegenmodell darstellen, denn es hat die Nachtei- le, dass es die Studiendauer verlängert und nicht BAföG-förderfähig ist. Deshalb sollte auch bei der Gestaltung des Vollzeitstudiums auf die besonderen Belange von Studierenden in besonderen Lebenslagen geachtet werden. Für Studierende mit Kind kann es beispielsweise wichtig sein, dass eine Lehrveranstaltung nicht in jedem Semester zu einer gleichen, oftmals unpassenden Uhrzeit (z.B. später Nachmittag) angeboten wird.

 

Berlin, 29. Oktober 2010

 

Achim Meyer auf der Heyde

Generalsekretär