06.08.2014

Hochschulpolitik

Stellungnahme des Deutschen Studentenwerks (DSW) zum Entwurf für ein Gesetz über die Studierendenwerke im Land Mecklenburg-Vorpommern im Rahmen der Verbandsanhörung

Das Deutsche Studentenwerk (DSW) ist der Dachverband der 58 Studentenwerke in Deutschland und nimmt außerdem satzungsgemäß sozialpolitische Belange der Studierenden der Hochschulen wahr. Vor diesem Hintergrund nehmen wir im Folgenden zu dem Anhörungsentwurf für ein Studierendenwerksgesetz im Land Mecklenburg-Vorpommern Stellung, soweit dies die Arbeit der Studentenwerke bzw. sozialpolitische Belange der Studierenden an den Hochschulen in Mecklenburg-Vorpommern betrifft.

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1. Generelle Anmerkungen zu dem Anhörungsentwurf

In der Begründung im Vorblatt zu dem Anhörungsentwurf wird festgestellt: „In den vergangenen 20 Jahren haben die Studierendenwerke den Wandel von Behörden hin zu modernen Dienstleistungsunternehmen für Studierende vollzogen.“ Zur Zielstellung der geplanten Gesetzesnovellierung heißt es dann: „Die neue Organisationsstruktur, die mit dieser Neufassung verbunden ist, wird diese Entwicklung und die Effizienz der Studierendenwerke weiter stärken.“ Es gehe um eine „Stärkung der Autonomie der Studierendenwerke“.

Der vorgelegte Anhörungsentwurf enthält verschiedene Änderungen, welche aus Sicht des DSW geeignet sind, die gesetzlichen Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass sie besser der modernen und effizienten Arbeitsweise der Studentenwerke entsprechen. An anderen Stellen ist jedoch Gegenteiliges der Fall. Daher ist es aus Sicht des DSW erforderlich, in dem Gesetzentwurf noch wesentliche Änderungen vorzunehmen, um der o.g. Zielstellung nicht entgegenzulaufen. Dies betrifft insbesondere die Zusammensetzung des sog. Aufsichtsrats, dessen Aufgaben, die Rechtstellung der Geschäftsführung sowie die Regelungen zur Wirtschaftsführung.

Die Leistungen der Studentenwerke in den Bereichen Studienfinanzierung, Verpflegung, Wohnen und soziale Beratungs- und Betreuungsangebote sind unverzichtbar für den Studienerfolg. Dies gilt in besonderem Maß unter den aktuellen Bedingungen der Bologna-Reform und einer zunehmend heterogenen Studierendenschaft. Die Studentenwerke bilden mit ihren Angeboten im Rahmen ihres gesetzlichen Auftrags die wirtschaftliche und soziale Bildungs- und Hochschulinfrastruktur und tragen damit erheblich zur Profilbildung der Hochschulen bei.

Hochschulen wie Studentenwerke benötigen dafür eine angemessene finanzielle Ausstattung. Mit Sorge sieht das Deutsche Studentenwerk daher, dass die Zuschüsse der Länder in den vergangenen Jahrzehnten kontinuierlich zurückgegangen sind: Anfang der 1990er Jahre lag der Anteil der Zuschüsse zum laufenden Betrieb im Bundesdurchschnitt noch bei mehr als 24% der Gesamteinnahmen der Studentenwerke, 2012 dagegen – so wie in Mecklenburg Vorpommern – bei nur noch rund 10%.

Neben einer hinreichenden finanziellen Ausstattung erfordert die Bewältigung der Herausforderungen daher vor allem gesetzliche Rahmenbedingungen, die ein effektives und effizientes Arbeiten von Studentenwerken ermöglichen. Dies kann nur mit einer künftig noch steigenden Autonomie, einer geringeren Regelungsdichte und am Wohl der Dienstleistungseinrichtung orientierten, entscheidungsfähigen inneren Strukturen erfolgen.

2. Anmerkungen zu einzelnen Aspekten des Gesetzentwurfs

2.1 Aufgaben der Studentenwerke

Als positiv sieht das DSW die in § 4 Abs. 1 in der Fassung des Anhörungsentwurfs (im Folgenden: StudWG-E) beabsichtige Festlegung an, wonach die Studentenwerke „die besonderen Bedürfnisse von Studierenden mit Kindern, von Studierenden mit Behinderungen und chronischen Krankheiten und von ausländischen Studierenden“ berücksichtigen. Die Studierendenschaft wurde in den letzten Jahren aufgrund verschiedenster gesellschaftlicher und bildungspolitischer Entwicklungen zunehmend heterogen. Die jüngste, 20. Sozialerhebung des DSW, durchgeführt im Sommer 2012, macht dies deutlich: 48% der Studierenden im Erststudium sind Frauen, 52% Männer. Das durchschnittliche Alter der Studierenden beträgt 24,4 Jahre. Die Hälfte von ihnen stammt aus einem Elternhaus, in welchem mindestens ein Elternteil einen akademischen Abschluss hat. 41% stammen aus Familien, in denen die Eltern eine berufliche Qualifizierung haben, 9% kommen aus Elternhäusern, in denen ein Elternteil keinen Berufsabschluss hat. 5% der Studierenden sind Eltern; 11% von ihnen alleinerziehend. 7% aller Studierenden haben eine Behinderung oder chronische Krankheit. Rund 10% der Studierenden in Deutschland kommen aus dem Ausland, 23% haben einen Migrationshintergrund. Der Anteil der letztgenannten Personengruppen wird weiter steigen, da Bund und Länder die Zahl der ausländischen Studierenden bis 2020 auf 350.000 erhöhen wollen, um den Hochschulstandort Deutschland weiterhin als Zielland international mobiler Studierender in der weltweiten Spitzengruppe der Zielländer zu halten.

Die Studentenwerke begrüßen diese Diversität. Der Umgang mit ihr ist eine wesentliche Aufgabe der Studentenwerke. Dies betrifft insbesondere auch die von den Studentenwerken erbrachten Beratungsleistungen für Studierende. Um diese Aufgabe bewältigen zu können, ist es notwendig, die Personalkapazitäten in der studienbegleitenden Beratung der Studentenwerke auszubauen und insbesondere die Beratung und Integration ausländischer Studierender dauerhaft zu finanzieren. Folgerichtig sollte sich diese wesentliche Aufgabe der Studentenwerke auch als ausdrücklich genannter Punkt in der konkretisierten Aufgabenfestlegung des § 4 Abs. 1 S. 3 StudWG-E wiederfinden.

2.2 Organstruktur

Eine der wesentlichen, mit der Gesetzesnovellierung beabsichtigten Änderungen ist die Umgestaltung der Organstruktur von den bisher drei Organen – Geschäftsführer/in, Verwaltungsrat und Vorstand – zu zwei Organen – Geschäftsführer/in und Aufsichtsrat. Aus Sicht des DSW soll die Organstruktur den regionalen Bedürfnissen entsprechen. Im Rahmen der Gesetzesnovellierungen der letzten 15 Jahre fand in den meisten Bundesländern eine Umstellung von einer dreigliedrigen in eine zweigliedrige Organstruktur statt. In diesen Bundesländern wurde diese Änderung überwiegend als sinnvoll angesehen. Eine zweiteilige Organstruktur hat den Vorteil, dass eine einfachere Aufgabenabgrenzung der Organe möglich ist. Unklarheiten der Aufgabenzuweisung, welche das derzeit geltende Studentenwerksgesetz Mecklenburg-Vorpommern in Bezug auf den Verwaltungsrat und den Vorstand enthält, können damit vermieden werden.

Gleichwohl ist die in den §§ 6 und 7 StudWG-E vorgesehene Ausgestaltung der Zusammensetzung und der Bildung des Aufsichtsrats so nicht hinnehmbar:

Die Studentenwerke in Mecklenburg-Vorpommern sind – wie in den anderen Bundesländern – Einrichtungen der funktionalen Selbstverwaltung. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 107, 59 (92)) erfordert dies rechtlich sowohl eine organisierte Beteiligung der sachnahen Betroffenen als auch, dass der Gesetzgeber nach dem Demokratieprinzip des Grundgesetzes ausreichende institutionelle Vorkehrungen dafür treffen muss, dass bei der Zusammensetzung des kollektiven Leitungsorgans die betroffenen Interessen angemessen berücksichtigt und nicht einzelne Interessen bevorzugt werden.

Nach § 7 Abs. 5 S. 1 StudWG-E wäre jedoch vorgesehen, dass der/die Kanzler/in der Universität automatisch kraft Amtes Vorsitzende/r des Aufsichtsrats wäre. Zudem würde seine/ihre Stimme nach § 9 Abs. 1 S. 3 StudWG-E bei Stimmengleichheit entscheiden. Dies führt zu einer deutlich vorrangigen Stellung einer von vornherein feststehenden Person. Das DSW begrüßt zwar eine aktive Beteiligung der Hochschulleitungen in den Gremien der Studentenwerke. Denn die Studentenwerke verstehen sich nicht nur als Dienstleister für die Studierenden, sondern auch als Dienstleister und Partner der Hochschulen. Beide Aufgabenaspekte können nur in kooperativer Zusammenarbeit mit den Hochschulen gelingen. Die Kanzler/innen können hier als Mitglieder der Hochschulleitung unbestritten breite fachliche Kompetenz einbringen. Dies befähigt allerdings nicht automatisch dazu, in diesem Gremium als Vorsitzende/r zu fungieren. In dieser Position geht es insbesondere auch darum, verschiedene Interessen im Sinne aller Beteiligten zu einem Konsens zu führen und damit eine möglichst optimale Willensbildung erreichen zu können. Wer hierfür in einem Gremium geeignet ist, muss von den Gremienmitgliedern selbst unter Berücksichtigung der Persönlichkeit der betreffenden Personen entschieden werden können. Es ist daher notwendig, diese Festlegung im Gesetzentwurf zu streichen.

Nach § 6 StudWG-E wären für die Zusammensetzung des Aufsichtsrats vorgesehen: vier Studierende, ein nichtstudentisches Mitglied einer Hochschule, der/die Universitätskanzler/in sowie zwei außerhochschulische Mitglieder. Im Sinne effizienter Entscheidungsfindung kann eine kleine Gremiengröße sinnvoll sein. Auch hier sind jedoch die regionalen Besonderheiten zu berücksichtigen. Die beiden Studentenwerke in Mecklenburg-Vorpommern betreuen jeweils drei Hochschulen. Um eine angemessene Vertretung der beteiligten Interessen zu gewährleisten, erscheint daher folgende Zusammensetzung sinnvoll: sechs Studierende, drei nichtstudentische Hochschulmitglieder, der/die Universitätskanzler/in sowie zwei externe Mitglieder. Auf eine solche Lösung hatte sich die vom Bildungsministerium Mecklenburg-Vorpommern zur Gesetzesnovellierung eingesetzte Arbeitsgruppe mit Vertreter/innen der beteiligten Personengruppen verständigt. So positiv aus Sicht des DSW die Einsetzung einer solchen Arbeitsgruppe zur Begleitung von Gesetzgebungsvorgängen ist, so bedauerlich ist es, wenn einer dort von allen Beteiligten als sinnvoll für die Aufgabenerfüllung der Studentenwerke erarbeiteten Lösung in wesentlichen Punkten nicht entsprochen wird. Die von der Arbeitsgruppe empfohlene Gremienzusammensetzung sollte im weiteren Gesetzgebungsverfahren als maßgeblich umgesetzt werden.

2.3 Stellung der Geschäftsführung

Wie in § 11 Abs. 1 S. 1 StudWG-E zu recht festgeschrieben, leitet der/die Geschäftsführer/in das Studentenwerk und führt dessen Geschäfte. Die nach der Begründung des Anhörungsentwurfs gewünschte Autonomie der Studentenwerke und die Notwendigkeiten modernen Managements erfordern eine starke Position der Geschäftsführung. Dies bedeutet nicht, dass die Geschäftsführung ohne Kontrolle agieren soll. Erforderlich ist jedoch eine klare Abgrenzung von Verantwortlichkeiten. In der Gesetzesfassung des Anhörungsentwurfs ist dies an verschiedenen Stellen nicht optimal geregelt:

Die für den Aufsichtsrat in § 8 Abs. 1 S. 3 StudWG-E vorgesehene Normierung eines Weisungsrechts gegenüber der Geschäftsführung ist ebenso ungewöhnlich wie unnötig. Dies verwischt die Verantwortlichkeiten zwischen dem rechtsetzenden Organ, welches ehrenamtlich tätig ist, und der hauptamtlichen Geschäftsführung. Der betreffende Satz sollte gestrichen werden.

Ebenso unverständlich ist die in § 9 Abs. 4 StudWG-E getroffene Festlegung, wonach die stellvertretenden Vorsitzenden die Aufsichtsratssitzungen vorbereiten sollen. Sinnvoll ist, dass dies durch die Geschäftsführung des Studentenwerks geschieht.

Nach § 10 Abs. 2 StudWG-E wird der/die Geschäftsführer/in in einem Dienstverhältnis mit dem Studentenwerk beschäftigt. Dabei handelt es sich um die übliche und angemessene Verfahrensweise: Die Studentenwerke unterliegen der Selbstverwaltung und die Geschäftsführer/innen sind als Organe bei diesen über Dienstverträge beschäftigt. Systemwidrig sind dagegen die Regelungen in § 8 Abs. 2 Nr. 4 und § 10 Abs. 2 S. 2 StudWG-E, wonach dem Aufsichtsrat lediglich ein Vorschlagsrecht in Bezug auf den Dienstvertrag zustehen und die Regelung des Dienstverhältnisses dann durch das Bildungsministerium erfolgen soll. Richtigerweise kann dem Bildungsministerium hier nur ein Zustimmungsrecht zustehen. Das Ministerium kann dagegen nicht einen Vertrag regeln, bei welchem es nicht Vertragspartner ist.

Zu überarbeiten ist in diesem Zusammenhang auch die geplante Regelung des § 14 StudWG-E. Dort findet sich zunächst der Festlegung, dass für die Beschäftigten der Studierendenwerke die Tarifbestimmungen des Landes gelten. Im folgenden Satz 2 soll festgelegt werden, dass das Bildungsministerium im Einzelfall mit der/der Geschäftsführer/in „abweichend vom Tarifrecht, eine günstigere Vereinbarung schließen“ könne. Die Geschäftsführer/innen der Studentenwerke sind Organ und bereits deshalb nicht mit den normalen Beschäftigten der Studentenwerke gleichzusetzen. Wie das Deutsche Studentenwerk gegenüber dem Bildungsministerium Mecklenburg-Vorpommern durch ein Rechtsanwaltsgutachten nachgewiesen hat, unterliegen die Dienstverhältnisse der Geschäftsführer/innen auch nicht dem sog. Besserstellungsverbot. Die grundsätzliche gesetzliche Festschreibung einer Deckelung der Geschäftsführervergütung ist in keinem Bundesland üblich und auch nicht sachgerecht: Die vielfältigen Aufgaben und die umfassende Verantwortung der Geschäftsführer/innen erfordern, hierfür eine angemessene Vergütung leisten zu können. Soweit das Gesetz die Möglichkeit der Ausnahmen von einer Tarifbindung vorsieht, sollte dies zielgerichtet für die regulären Beschäftigten ermöglicht werden. § 14 StudWG könnte in Anlehnung an § 112 Abs. 3 Sächsisches Hochschulfreiheitsgesetz etwa wie folgt formuliert werden: „Für Beschäftigte der Studierendenwerke gelten die Tarifbestimmungen für die Beschäftigten des Landes Mecklenburg-Vorpommern entsprechend, sofern die Studierendenwerke nicht mit Zustimmung des Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur abweichende Vereinbarungen mit ihren Beschäftigten treffen.“

2.4 Wirtschaftsführung

Als positiv ist die in § 1 Abs. 3 StudWG-E beabsichtigte Klarstellung anzusehen, dass die Gewährträgerschaft des Landes besteht. Gleichzeitig findet sich jedoch in § 12 Abs. 6 StudWG-E für die Darlehensaufnahme eine Deckelung, welche so nicht den praktischen Anforderungen entspricht. Die Finanzierung einer ausreichenden sozialen Infrastruktur des Studiums ist eine wesentliche Verantwortung des jeweiligen Landes. Sofern eine solche Finanzierung nicht ausreichend erfolgt, sind die Studentenwerke gezwungen, für entsprechende Investitionen Darlehen aufnehmen zu können. Die an dieser Stelle im Anhörungsentwurf vorgesehenen Einschränkungen würden dies jedoch faktisch in vielen Fällen nicht möglich machen, da das Eigenkapital einschließlich der verwendeten Rücklagen bezogen auf die Summe der Darlehen nicht ausreichend wäre, weil die benötigten Kreditmittel in vielen Fällen das Eigenkapital übersteigen dürften. Auf diese einschränkenden Regelungen ist daher zu verzichten.

Berlin, 7. August 2014

Achim Meyer auf der Heyde

Generalsekretär des Deutschen Studentenwerks