02.05.2022

Studienfinanzierung

Stellungnahme des Deutschen Studentenwerks (DSW) zum Entwurf eines achtundzwanzigsten Gesetzes zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (28. BAföGÄndG)

Als Verband der 57 Studenten- und Studierendenwerke, die das Studierenden-BAföG umsetzen, nehmen wir Stellung zu einer 28. BAföG-Novelle, die die Einführung eines Notfallmechanismus für nationale Krisenlagen ins BAföG vorsieht. Wir sehen darin einen wichtigen strukturellen Fortschritt – und die Einlösung einer politischen Forderung, die wir seit langem erheben; von daher begrüßen wir das Vorhaben ausdrücklich. Die konkrete Umsetzung ist aber aus unserer Sicht noch zu kompliziert geplant. Zudem müssen auch internationale Studierende in einer Krise vom BAföG-Notfallmechanismus profitieren können.

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Grundsätzliches

Das Deutsche Studentenwerk begrüßt schon aus ordnungspolitischen Gründen sehr, dass ein Notfallmechanismus innerhalb des bewährten staatlichen Förderungsinstruments BAföG geplant ist. Gerade in Notlagen muss die beim BAföG bestehende und funktionierende Infrastruktur bis hin zur Auszahlung über die Landeskassen genutzt werden.

Schon zu Beginn der Corona-Pandemie im März 2020 hat das Deutsche Studentenwerk vorgeschlagen, das BAföG für alle Studierenden zu öffnen, die wegen der Krise in eine finanzielle Notlage geraten waren. Die damalige Bundesbildungsministerin Anja Karliczek entschied sich dagegen – und wir als Deutsches Studentenwerk organisierten in sehr schnellem Tempo die Online-Zuschuss-Überbrückungshilfe für Studierende in pandemiebedingter Notlage, die die Studenten- und Studierendenwerke dann fast eineinhalb Jahre mit großem Engagement und hoch professionell betrieben.

Mit einer Öffnung des BAföG hätte man das auch einfacher haben können; die Prozesse, die Infrastruktur, das Fachpersonal – alles hätte bereitgestanden, mit den BAföG-Ämtern der Studenten- und Studierendenwerke. Es ist gut, dass die neue Regierung nun diesen Weg beschreitet.

Bei der BMBF-Überbrückungshilfe für Studierende als Zuschuss ging es darum, dass aufgrund der notwendigen Kontaktbeschränkungen Studierende die Ausübung von studienbegleitenden Jobs durch Kündigung, Ruhenlassen des Arbeitsverhältnisses sowie verkürzte Arbeitszeiten Einnahmen wegfielen.

Die 21. Sozialerhebung 2016 wies auf, dass der eigene Verdienst aus Tätigkeiten während des Studiums im arithmetischen Mittel 385 Euro im Monat, im Median 350 Euro im Monat betrug, d.h. häufig ein Minijob kompensiert werden musste. Je nach Höhe des Kontostandes betrug die BMBF-Überbrückungshilfe von Juni 2020 bis September 2021 max. 500 Euro im Monat.

Die Überbrückungshilfe zeigte aber auch, dass nicht wenige Studierende bereits vor der COVID-19-Pandemie in struktureller Armut lebten.

 

1. Initialisierung durch einen Bundestagsbeschluss

Die im vorliegenden Entwurf enthaltene Definition der „bundesweiten[1] Notlage“ soll beim BAföG ausschließlich an den Wegfall - ausbildungsbegleitenden Nebentätigkeiten anknüpfen.

Können Studierende ihre „individuelle Betroffenheit“ (§ 59 Abs. 4 und 5) nachweisen, ist eine – limitierbare – Förderung als BAföG-Normalförderung vorgesehen (grundsätzlich 50 % Zuschuss, 50 % zinsloses Darlehen, aber begrenzt auf max. 10.010 Euro Darlehens-Rückzahlung).

Falls keine „individuelle Betroffenheit“ nachgewiesen wird, kann die Förderung als zinsloses Volldarlehen greifen.

Das in § 59 gewählte Kriterium „individuelle Betroffenheit“ kann dabei nur im Einzelfall nachgeprüft werden, was sowohl für Auszubildende als auch die Verwaltung einen hohen Aufwand bedeuten wird.

Die Nothilfe soll zunächst – siehe § 59 Abs. 1 letzter Satz – erst einmal auf drei Monate befristet sein, kann aber verlängert werden, sofern der Bundestag auf Antrag der Bundesregierung das Fortbestehen der Notlage feststellt.

Die Eingrenzung der Förderung zunächst auf einen kurzen Zeitraum ist verständlich. Das Deutsche Studentenwerk plädiert aber dafür, angesichts der ersten kurzen Dauer der Nothilfe keine kleinteiligen und hohen Anforderungen an die Hilfe zu stellen.

Mit der 28. BAföG-Novelle wird die Bundesregierung ermächtigt, nach einem vom Deutschen Bundestag festgestellten Wegfall ausbildungsbegleitender Nebentätigkeiten per Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates eine Förderung zu generieren.

Klar ist, dass eine Nothilfe bei einer Beeinträchtigung oder/und einem Zusammenbruch der kritischen Infrastruktur (insbesondere Strom, IT-Netze, Bankenwesen) handlungsunfähig ist.

 

 

2. Regelungsbereiche, die außer Betracht bleiben oder modifiziert werden können

Nach dem neuen § 59 Abs. 3 BAföG bietet der Rahmen der Ermächtigungsgrundlage des neuen § 59 BAföG der Bundesregierung die Möglichkeit, diesen bezogen auf die Notlage anzupassen:

Es kann insbesondere für Auszubildende, die an einer Ausbildungsstätte nach § 2 im Inland ausgebildet werden, bestimmt werden, dass – gänzlich oder nur teilweise –Förderungsvoraussetzungen nach § 2 Absatz 5 Satz 1 Nummer 2 und den §§ 7, 10, 11, 15 Absatz 2 Satz 2 und dem § 48 nicht anzuwenden sind.

Welche Regelungen können damit außer Betracht bleiben oder fortgelten?

  • Nur wenn die Ausbildungsstätte im Inland liegt, kann eine Förderung erfolgen.
  • § 2 BAföG regelt grundsätzlich die förderungsfähigen Ausbildungen.
  • Der neue § 2 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 BAföG schränkt ein: „die Ausbildung die Arbeitskraft des Auszubildenden im Allgemeinen voll in Anspruch nimmt“. Damit sind auch formale Teilzeitausbildungen nicht förderfähig.
  • Der § 7 BAföG regelt Förderungen, die auf einen ersten berufsqualifizierenden Abschluss ausgerichtet sind. Die Erstausbildung fokussiert sich im Bologna-System auf einen ersten Bachelor- sowie einen ersten Masterabschluss.

Nach Abs. 2 kann im Wesentlichen eine einzige weitere Ausbildung gefördert werden soweit dies für die Berufsaufnahme rechtlich erforderlich ist (Standardbeispiel Kieferchirurgin: Zahn- plus Humanmedizin) oder der Zugang (z.B. über den zweiten Bildungsweg) erst eröffnet wird.

§ 7 Abs. 3 regelt eine Förderung nach einem Fachrichtungswechsel oder Neustart nach Studienabbruch.

  • § 10 BAföG regelt die Altersgrenze, die durch die 27. BAföG-Novelle entschärft wird (dann Studienstart vor 45).
  • § 11 BAföG definiert in Abs. 1 die Bestandteile des Bedarfs („für den Lebensunterhalt und die Ausbildung“).

Abs. 2 regelt – im BAföG-Abschnitt III „Leistungen“ – lediglich die Reihenfolge der Anrechnung von Einkommen und Vermögen des Auszubildenden und seiner Eltern. Im Grunde kann die Regelung als Verfahrensvorschrift in Folge des Grundsatzes in § 1 BAföG gesehen werden („wenn dem Auszubildenden die für seinen Lebensunterhalt und seine Ausbildung erforderlichen Mittel anderweitig nicht zur Verfügung stehen.“). Die eigentliche Regelung von Einkommen und Vermögensanrechnung ist in den Abschnitten IV (§§ 21-25) und V (§ 26-34) des BAföG gefasst.

Abs. 2a betrifft den Fall, falls der Aufenthaltsort der Eltern unbekannt ist oder sie rechtlich/tatsächlich gehindert sind, im Inland Unterhalt zu leisten. Dann bleibt der Elternunterhalt außer Betracht.

Abs. 3 regelt die elternunabhängige Förderung, bei der das Einkommen der Eltern außer Betracht bleibt, z.B. wenn regelmäßig kein Unterhaltsanspruch mehr vermutet wird: ab dem 30. Lebensjahr, nach 5-jähriger Erwerbstätigkeit, nach Volljährigkeit oder nach 6 Jahren (i.d.R. 3 Jahre Lehre plus 3 Jahre Erwerbstätigkeit).

Abs. 4 ist eher wieder eine Verfahrensvorschrift, wenn Elterneinkommen außer Betracht bleibt.

Das Deutsche Studentenwerk gibt zu bedenken, dass

  • die beabsichtigte Limitierbarkeit der Höhe der Förderung in § 59 Abs. 6 Nr. 2 „abweichend von § 11 Absatz 1“ nicht greift: In § 11 Abs. 1 ist überhaupt kein monatlicher Höchstbetrag festgesetzt. Vielmehr handelt es sich um eine Legaldefinition für den Begriff „Bedarf“. Die Höhe des Bedarfs ergibt sich vielmehr aus §§ 12-14b BAföG.
  • eine Nichtanwendung des § 11 (Verfahrensvorschrift der Reihenfolge sowie Fälle des Außer-Betracht-Bleibens von Elterneinkommen) keinesfalls dazu führt, dass Einkommen der Eltern/Ehegatten, Einkommen und Vermögen der Auszubildenden, nicht angerechnet werden. Die Nichtanwendung muss sich auf die BAföG-Abschnitte IV und V beziehen. Sofern Elterneinkommen in Normalzeiten außer Betracht bleibt und diese Regelung im Notfall aber nicht angewendet wird, wird exakt das Gegenteil erreicht.

 

3. Was kann der Notfallmechanismus im Gegensatz zur BMBF-Überbrückungshilfe?

Unterschiede: BMBF-Überbrückungshilfe für Studierende als Zuschuss vs. Rahmen der neuen Verordnungsermächtigung (BAföG-Notfallmechanismus)
(vereinfachte, nicht abschließende Darstellung)

Kriterium

BMBF-Überbrückungshilfe 6/2020-9/2021)

Rahmen der Verordnungsermächtigung der 28. BAföG-Novelle

Anknüpfungspunkt

Wegfall von familiärer Unterstützung und/oder Jobverlust/-einschränkung und/oder Einschränkung Selbstständigkeit

ausschließlich Wegfall ausbildungsbegleitender Nebentätigkeiten

Rechtsanspruch

Nein

Ja

Zielgruppe

Nur Studierende an staatlichen oder staatl. anerkannten Hochschulen in Deutschland

 

Auch (Berufs)Schüler/innen neben Studierenden an staatl. oder staatlich anerkannten Ausbildungsstätten in Deutschland

Altersgrenze

Nein

Offen (kann die Verordnung bestimmen)

Auch für internationale Studierende in Deutschland

Ja

Nein (nicht durch Verordnungsermächtigung gedeckt)

Auch für Grenzpendler/innen

Nein

Offen (kann die Verordnung bestimmen)

Auch für Teilzeitausbildungen

Ja

Offen (kann die Verordnung bestimmen)

Förderung nach Neustart nach Fachrichtungswechsel oder Studienabbruch möglich?

Ja

Offen (kann die Verordnung bestimmen)

BAföG-Leistungsnachweis nach dem 4. Fachsemester Voraussetzung für Weiterförderung

Nein

Offen (kann die Verordnung bestimmen)

Bei Fernunterricht längstens für 12 Kalendermonate

Nein

Offen (kann die Verordnung bestimmen)

Auch über die Regelstudienzeit hinaus

Ja

Nein (nicht durch Verordnungsermächtigung gedeckt)

Dauer

Erst 3 Monate (Juni/Juli/August),

dann bis Ende Sept. 2020, Okt. 2020 ausgesetzt, dann bis Ende März 2021, dann bis Ende Sept. 2021.

erst einmal 3 Monate, Verlängerung möglich, dafür Bundestags-Beschluss erforderlich

Bundestag kann jederzeit stoppen (§ 59 Abs. 2)

Höhe

Zwischen 0 und max. 500 €/mtl. (in 100er-Schritten je nach Höhe Kontostand)

Offen (kann die Verordnung bestimmen)

Antrag

Pro Monat

?

Additiv zu einer BAföG-Förderung

Ja

? (wahrscheinlich ja, da Minijobs nicht auf das BAföG angerechnet werden)

Vermeidung einer Doppelförderung (gleicher Zweck, z.B. durch Hochschul- oder Landesprogramme)

Ja

?

Abhängig vom Elterneinkommen

Nein

Offen (kann die Verordnung bestimmen)

Abhängig vom Einkommen der Auszubildenden

Bei Antrag max. 500 €/mtl. auf allen Konten

Offen (kann die Verordnung bestimmen)

Abhängig vom Vermögen der Auszubildenden

Bei Antrag max. 500 €/mtl. auf allen Konten

Offen (kann die Verordnung bestimmen)

Förderungsart

Vollzuschuss

Während der ersten 3 Monate: Bei Nachweis individueller Betroffenheit: Hälfte Zuschuss, Hälfte Darlehen (Rückzahlung gedeckelt auf max. 10.010 €)

Nach 3 Monaten, sofern Bundestag verlängert:

Ohne Nachweis individueller Betroffenheit: zinsloses Volldarlehen (Staatsdarlehen), dabei Selbstlimitierung der Darlehenshöhe möglich.

Wie „Nachweis der individuellen Betroffenheit“ zu führen ist

---

Offen (kann die Verordnung bestimmen)

Ausnahme, wenn jobben nicht zumutbar

Ja (z.B. eigene Behinderung, Angehörigenpflege)

Offen (könnte die Verordnung bestimmen)


Die Tabelle zeigt auf:

  • Viele Kriterien sind noch völlig offen. Damit entziehen sie sich zum jetzigen Zeitpunkt einer Bewertung.
  • Ob BAföG-Geförderte die Hilfe (für den Wegfall von Jobeinnahmen) additiv zur regulären BAföG-Förderung erhalten, ist nicht abschließend geklärt.
  • Internationale Studierende sowie Studierende über die Regelstudienzeit hinaus können keine Hilfe erwarten. Dies ist nicht nachvollziehbar. Die Nationalität spielt bei der Notlage in Deutschland doch keine Rolle. Fakt ist auch, dass die Regelstudienzeit als rein theoretische Dauer kein geeigneter Anhaltspunkt für eine Förderungshöchstdauer sein kann. Dies sagt auch der Wissenschaftsrat.
  • Statt eines Vollzuschusses – wie bei der Überbrückungshilfe – ist ein zinsloser Darlehensanteil bis hin zum zinslosen Volldarlehen vorgesehen. Damit sind für (Berufs‑)Schüler/innen und Studierende die Konditionen wesentlich schlechter als bei der Pandemie – auch im Vergleich zu Kurzarbeitergeld oder SGB II für den Lebensunterhalt von Selbständigen als Vollzuschuss. Ein Vollzuschuss hätte den Vorteil, dass keine Darlehens-Meldung an das Bundesverwaltungsamt gehen muss, das die BAföG-Darlehen einzieht. Bei einem Vollzuschuss könnte auch – anders als beim Darlehen vorgesehen –eine Selbstlimitierung auf eine Höhe entfallen.

Das Deutsche Studentenwerk schlägt vor, diese Punkte abzuändern.

 

4. Klarheit der Regelung

In der 28. BAföG-Novelle geht es um die Installation einer Verordnungsermächtigung.

Wie der Rahmen der Verordnungsermächtigung letztlich ausgefüllt wird, ist heute noch gar nicht abzusehen. Wie der Notfallmechanismus umgesetzt wird, kann folglich zum jetzigen Zeitpunkt noch gar nicht bewertet werden. 

Das Hauptproblem jedoch ist, dass sich mit der Ermächtigungsgrundlage eine Vielzahl von Handlungsoptionen auf Vorrat gesichert werden und keine Fokussierung auf eine Lösung stattfindet, auf die Vorbereitungen getroffen werden könnten. Dies könnte dazu führen, dass im Krisenfall die Umsetzung der Nothilfe einen sehr langen Zeitraum in Anspruch nimmt.

Trotz der Unsicherheit, welche Notlage eintreten könnte, muss das Verfahren

  • ganz einfach sein (wenig Ausdifferenzierung)
  • bereits IT-technisch – innerhalb der BAföG-Fachanwendungen der einzelnen Bundesländer – „fertig in der Schublade sein“ (ad-hoc-Programmierung je Verordnungskonstellation nicht praktikabel, da dies Monate in Anspruch nimmt)

damit es ab dem Bundestags-Beschluss unmittelbar umgesetzt werden kann.

 

5. Ablaufplan für den Notfallmechanismus

Die Verordnungsermächtigung sieht für den Notfall folgendes, recht umfangreiches Procedere vor:

  • Eintritt einer Notlage.
  • Als Folge der Notlage sind Auswirkungen auf fakultative ausbildungsbegleitende Nebenerwerbstätigkeit feststellbar.
  • Der Bundestag stellt Lage nach § 59 BAföG fest. Der 3-Monats-Zeitraum beginnt.
  • Das BMBF erarbeitet einen auf die konkrete Notlage passenden Verordnungsentwurf, der mit den anderen Ressorts usw. abgestimmt wird -> Ziel: Kabinettsvorlage
  • Bundeskabinett beschließt Rechtsverordnung
  • Verkündung der Rechtsverordnung im Bundesgesetzblatt
  • Vorbereitung der Umsetzung: Die für die Durchführung des BAföG zuständigen 16 Bundesländer (BAföG-Ausführung durch Landesverwaltung) beauftragen die drei Hersteller der BAföG-Fachanwendungen mit der Programmierung der Rechtsverordnungs-Regelungen. Dies bezieht sich in Abstimmung der Behörden für Ausbildungsförderung sowohl auf die Antragstellung, als auch das Prüfraster sowie die Bescheidung, die sich vom BAföG-Normalfall unterscheidet.

Der Verordnungsgeber Bund hat keine Kompetenz des unmittelbaren Einwirkens auf die Hersteller der BAföG-Fachanwendungen. Herr des Verfahrens sind die Bundesländer – jedes jedoch einzeln für das jeweilige Bundesland.

Die Software-Umstellungskosten sowie der Mehraufwand der BAföG-Ämter aufgrund des Massenverfahrens trägt das jeweilige Bundesland.

  • Pilottestung, Finalisierung
  • Einspielen der Programmierung in die jeweilige BAföG-Fachanwendung des Bundeslandes.

Es bestehen erhebliche Zweifel, ob diese Kette nicht dazu führt, dass die Krisenhilfe oftmals zu spät kommt.

Das Problem ist, dass jetzt noch keine konkreten Vorgaben absehbar sind und folglich noch keine IT-technischen Vorarbeiten geleistet werden können.

Dies wird damit begründet, dass es eine Vielzahl von Notlagen geben kann und jede Notlage anders ist. Dieses Argument greift aus Sicht des Deutschen Studentenwerks nicht.

  • Entscheidend ist nicht die Art der Notlage selbst, sondern ausschließlich die Auswirkung auf die studienbegleitenden Nebentätigkeiten.
  • Es handelt sich erst einmal um eine Regelung für lediglich 3 Monate.
  • Der Bundestag kann die Regelung jederzeit stoppen (§ 59 Abs. 2).

Dies alles spricht gegen eine größtmögliche Flexibilität, sondern für eine von vornherein festgelegte – und damit planbare und schnell umsetzbare – Regelung.

 

6. Das Einfügen der Verordnungsermächtigung verursacht keinen Erfüllungsaufwand, bei einer Umsetzung ist der Aufwand hingegen massiv

Das Deutsche Studentenwerk sieht einen erheblichen Verwaltungsaufwand bei Umsetzung des Mechanismus. Es ist unrealistisch, dass allein schon die schiere Anzahl an Anträgen keinen Mehraufwand verursacht. Wie bei jedem BAföG-Antrag sind förderungsfähige Ausbildung, persönliche Voraussetzungen, Leistungsumfang, Einkommens- und Vermögensanrechnung zu prüfen.

Erfüllungsaufwand für die BAföG-Ämter entsteht auf jeden Fall. Kürzere Bewilligungszeiträume (§ 59 Abs. 6 Nr. 1) bedingen häufigere Beantragung und häufigere Bescheidung.

Die IT-technische Umsetzung durch die drei BAföG-Fachanwendungen in den 16 Bundesländern ist von den Bundesländern zu tragen. Auch dieser Erfüllungsaufwand entsteht. Er wird aber nicht beziffert oder geschätzt.

Für andere unvorhergesehene Ereignisse (z.B. aktuell: Energiepreisexplosion, Einmalzahlungen) ist der Weg über die BAföG-Härteverordnung zu wählen.

7. Fazit

Das Deutsche Studentenwerk begrüßt grundsätzlich, dass ein Notfallmechanismus innerhalb des BAföG etabliert wird. Dies ist ein sehr wichtiger Fortschritt.

Im Krisenfall muss die Nothilfe sehr schnell wirken. Für einen ersten 3-Monats-Zeitraum müssen die Regelungen klar und übersichtlich sein, damit Vorbereitungen getroffen werden können.

Die Hilfe muss – insbesondere wegen der Begrenzung auf eine kurze Dauer – Zuschuss sein. Internationale Auszubildende dürfen nicht ausgeschlossen sein sowie Studierende über die Regelstudienzeit einbezogen werden.

Berlin, 3. Mai 2022

Matthias Anbuhl
Generalsekretär/Vorstand

 


[1] Damit ist auch klar: Im Fall der länderübergreifenden Flutwelle 2021 im Erftstadt/Ahrtal (Bundesländer Rheinland-Pfalz und NRW) hätte wegen der regionalen Betroffenheit der Notfallmechanismus nicht geholfen.