28.11.2013

Hochschulpolitik

Stellungnahme des Deutschen Studentenwerks (DSW) zum Anhörungsentwurf des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg für ein Drittes Gesetz zur Änderung hochschulrechtlicher Vorschriften (Stand: 15. Oktober 2013)

Die geplante Gesetzesnovellierung sollte genutzt werden, die für die Studentenwerke geltenden gesetzlichen Vorschriften möglichst bedarfsgerecht zu gestalten, um dem Auftrag einer wirtschaftlichen und sozialen Bildungs- und Hochschulinfrastruktur gerecht werden zu können.

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Das Deutsche Studentenwerk (DSW) ist der Dachverband der 58 Studentenwerke in Deutschland und nimmt außerdem satzungsgemäß sozialpolitische Belange der Studierenden der Hochschulen wahr. Vor diesem Hintergrund nehmen wir im Folgenden zu dem Anhörungsentwurf des Wissenschaftsministeriums Baden-Württemberg für ein Drittes Gesetz zur Änderung hochschulrechtlicher Vorschriften Stellung, soweit dies die Arbeit der Studentenwerke bzw. sozialpolitische Belange der Studierenden an den Hochschulen in Baden-Württemberg betrifft.

 

1. Generelle Anmerkungen zu dem Gesetzentwurf

Nach der Begründung des Gesetzentwurfs sieht das Land seine Aufgabe darin, Rahmenbedingungen zu schaffen, zu erhalten und weiterzuentwickeln, um auch künftig hervorragende Lehre und exzellente Forschung an den Hochschulen zu ermöglichen. In der Zielsetzung heißt es dazu: „Das Gesetz setzt Vertrauen in Hochschulen, die autonom sind, aber in besonderer Verantwortung gegenüber Gesellschaft und Staat stehen […], die professionell geleitet mit ihren Ressourcen effektiv und effizient umgehen.“ Das DSW kann die Verantwortung der Hochschulen gegenüber Gesellschaft und Staat – auch aufgrund ihrer überwiegenden öffentlichen Finanzierung - nachvollziehen und begrüßt zugleich das Festhalten an autonomen Hochschulen.

 

Diese Ausgangslage und Zielstellung lassen sich mindestens gleichermaßen auf die Studentenwerke in Baden-Württemberg übertragen. Exzellente Forschung und Lehre erfordern eine adäquate soziale Infrastruktur. Die Leistungen der Studentenwerke in den Bereichen Studienfinanzierung, Verpflegung, Wohnen und soziale Beratungs- und Betreuungsangebote sind unverzichtbar für den Studienerfolg. Dies gilt in besonderem Maß unter den aktuellen Bedigungen der Bologna-Reform und einer zunehmend heterogenen Studierendenschaft.  

Die Studentenwerke bilden mit ihren Angeboten im Rahmen ihres gesetzlichen Auftrags die wirtschaftliche und soziale Bildungs- und Hochschulinfrastruktur und tragen erheblich zur Profilbildung der Hochschulen bei. Eine effiziente, effektive und an den Bedürfnissen von Studierenden und Hochschulen und zugleich am öffentlichen Auftrag orientierte Arbeit der Studentenwerke setzt daher gesetzliche Rahmenbedingungen voraus, welche dies angesichts der im Vergleich zu den Hochschulen geringen öffentlichen Finanzierung bestmöglich erlauben. Die geplante Gesetzesnovellierung sollte daher genutzt werden, diesen Parametern Rechnung zu tragen und die für die Studentenwerke geltenden gesetzlichen Vorschriften möglichst bedarfsgerecht zu gestalten.

 

2. Anmerkungen zu einzelnen Aspekten des Gesetzentwurfs

2.1. Belastung der Studierenden durch Kosten vor dem Studium

Das Deutsche Studentenwerk hat sich lange und beharrlich bundesweit für die Abschaffung von Studiengebühren eingesetzt. Studiengebühren schrecken insbesondere junge Menschen aus hochschulfernen und einkommensschwächeren Familien von einem Studium ab und haben so die - bereits im Elementarbereich startende - ausgeprägte soziale Selektivität des deutschen Hochschulsystems noch weiter verschärft. Vor diesem Hintergrund hat das Deutsche Studentenwerk die Abschaffung der Studiengebühren zum Sommersemester 2012 durch die grün-rote Landesregierung in Baden-Württemberg sehr begrüßt. Allerdings sollte dies im Interesse der Studierenden und v.a. der Studienberechtigten nicht durch Kosten an anderer Stelle konterkariert werden, die eine neue Hürde für die Entscheidung zum Studium darstellen können. Der Anhörungsentwurf sieht u.a. eine Änderung des Landeshochschulgebührengesetzes und hier eine Erhöhung von Prüfungs- und Bewerbungsgebühren vor. Demnach sollen die Hochschulen nun verpflichtend für die Durchführung von Studierfähigkeitstests sowie von Auswahlgesprächen im Rahmen von Aufnahmeprüfungen und Auswahlverfahren Bewerbungsgebühren von bis zu 100 Euro statt bisher 50 Euro erheben. Für Studienbewerber/innen ist bei Tests, Bewerbungsgesprächen und der Einschreibung bereits die Präsenzpflicht kostenintensiv. Dies sind Kosten, die im Vorfeld des Studiums entstehen. Hier wird – mangels Einschreibung und Studienbeginn – noch gar keine Studienfinanzierung gewährt. Auch Vergünstigungen wie Semestertickets greifen hier noch nicht. Folglich sind die Kosten privat zu tragen - ein Umstand, der sozial selektiv wirken kann. Das DSW fordert da- her dazu auf, auf gesetzliche Änderungen zu verzichten, die für Studienbewerber/innen und Studierende zu weiteren Kostensteigerungen führen. Im Gegenteil: Solche Kosten sollen nach Möglichkeit verringert werden, um die Chancengleichheit beim Hochschulzugang zu erhöhen. Außerdem sollte sich das Land dafür einsetzen, Kosten vor dem Studium, die im Zusammenhang mit der Studienaufnahme stehen, über das BAföG zu regulieren. Bereits heute sind obligatorische Vorpraktika vor einem Studium durch das BAföG förderungsfähig. Ähnliches wäre für weitere Kosten vor dem Studium einzuführen.

 

2.2. Besondere Belange der Studierenden mit Behinderung oder chronischen Krankheit

Das DSW bewertet es als wichtigen Schritt auf dem Weg zu einer diskriminierungsfreien Hochschule, dass § 2 Abs. 4 Hochschulgesetz nun ausdrücklich als Aufgabe der Hochschulen die Sicherung der chancengleichen Teilhabe der Studierenden an Studium, Lehre und Weiterbildung unter Beachtung von Diversity-Aspekten vorsehen soll. Allerdings sollten für Studierende mit Behinderung oder chronischer Krankheit darüber hinaus konkrete Regelungen zur Realisierung der chancengleichen Teilhabe formuliert werden, wie etwa zum Nachteilsausgleich. Zwar scheibt der vorgesehene § 32 Hochschulgesetz bei Prüfungsordnungen nachteilsausgleichende Regelungen vor. Wünschenswert wäre darüber hinaus die gesetzliche Festschreibung von Nachteilsausgleichen für Studienbewerber/innen und Studierende in Auswahlverfahren, Eignungsfeststellungverfahren sowie bei der Studiendurchführung.

 

Das DSW begrüßt die geplante hochschulgesetzliche Verankerung des Amtes der/des Beauftragten für die Belange der Studierenden mit Behinderungen und chronischen Krankheiten. Damit wird eine wichtige Voraussetzung für die Verwirklichung des inklusiven Hochschulraums geschaffen. Bislang sieht die geplante Vorschrift des § 2 Abs. 3 Hochschulgesetz jedoch lediglich die Regelung der nicht näher definierten Aufgaben der Beauftragten seitens der Hochschulen in den Grundordnungen vor, während konkrete gesetzliche Regelungen zu den Aufgaben, den Mitwirkungsrechten sowie zur finanziellen und zeitlichen Ausstattung der Behindertenbeauftragten im Anhörungsentwurf fehlen. Wünschenswert wären hierzu entsprechende gesetzliche Vorgaben oder mindestens die Ergänzung, dass auch Regelungen zu den Mitwirkungsrechten und zur Ausstattung der Beauftragten in die Grundordnungen aufzunehmen sind.

 

2.3. Änderung des Studentenwerksgesetzes

  • Zusammensetzung des Verwaltungsrats

Nach dem geplanten § 6 Abs. 3 Studentenwerksgesetz soll dem Verwaltungsrat nun auch

„ein Vertreter des Personalrats mit beratender Stimme“ angehören. Nach der derzeitigen Gesetzeslage gehört dem Verwaltungsrat neben Vertreter/innen der Hochschulleitungen, Studierenden und externen Sachverständigen auch ein/e Vertreter/in des Wissenschaftsministeriums an. Bereits die Zulässigkeit einer Vertretung durch das Ministerium ist rechtlich problematisch, wenn  das Ministerium an Entscheidungen mitwirkt, die es gleichzeitig im Rahmen einer erweiterten Rechtsaufsicht überwachen soll. Dies kann zu einem Abgrenzungsproblem und insoweit zu einem Interessenkonflikt führen. Die zusätzliche Mitgliedschaft eine/r Vertreter/in des Personalrats würde weitere Verantwortungsbereiche miteinander vermischen und insofern weitere Interessenkonflikte fördern. Nach § 2 Abs. 1 Landespersonalvertretungsgesetz Baden-Württemberg arbeiten „Dienststelle und Personalvertretung […] unter Beachtung der Gesetze und Tarifverträge vertrauensvoll und im Zusammenwirken mit den in der Dienststelle vertretenen Gewerkschaften und Arbeitgebervereinigungen zum Wohle der Beschäftigten und zur Erfüllung der der Dienststelle obliegenden Aufgaben zusammen.“ Die Aufgabe des Personalrats beinhaltet danach die Wahrnehmung der betrieblichen Mitbestimmung und nicht die Tätigkeit als  rechtsetzendes, rechtsgestaltendes und überwachendes Organ im Verwaltungsrat. Auf die vorgesehene Regelung sollte daher verzichtet werden. Sollte jedoch an der beratenden Mitgliedschaft festgehalten werden, ist die Regelung um die Möglichkeit des Ausschlusses von der Sitzungsteilnahme durch Entscheidung des Verwaltungsrats zu ergänzen. Eine solche Regelung entspricht § 6 Abs. 3 S. 3 des derzeit geltenden Gesetzes für den/die Geschäftsführer/in, der/die an den Sitzungen ebenfalls mit beratender Stimme teilnimmt. Zudem wäre die Kontinuität der Personalratsvertretung sicherzustellen. Dies müsste entweder in dem neuen § 6 Abs. 3 S. 1 Nr. 5 oder in § 6 Abs. 4 Studentenwerksgesetz dahingehend erfolgen, dass ein kontinuierlich benanntes Mitglied des Personalrats dem Verwaltungsrat angehört bzw. von der Vertreterversammlung für die Dauer der Amtsperiode entsprechend den anderen Mitgliedern gewählt wird.

 

  • Regeln guter Unternehmensführung

Der Entwurf sieht zu § 13 Abs. 3 Studentenwerksgesetz vor: „Das Wissenschaftsministerium kann für die Studierendenwerke und ihre Organe den Public Corporate Governance Kodex ganz oder teilweise für anwendbar erklären.“ Dieser Kodex des Landes enthält „wesentliche rechtliche Bestimmungen zur Leitung und Überwachung von Unternehmen sowie anerkannte Standards guter Unternehmensführung“. Wie in der Begründung des Anhörungsentwurfs selbst deutlich gemacht wird, gilt der Kodex für die Hochschulen - als Körperschaften des öffentlichen Rechts mit dem verfassungsmäßigen Recht der Selbstverwaltung - nicht ohne weiteres. Bei den Studentenwerken verhält es sich ebenso. Die in dem Kodex enthaltenen Vorgaben werden oftmals nicht für die spezielle organisatorische und wirtschaftliche Situation der Studentenwerke passgenau sein. Aus Sicht des DSW sind daher eigenverantwortliche Regelungen der Studentenwerke gegenüber Vorgaben des Landes vorzuziehen, zumindest sind nicht auf die Studentenwerke anzuwendende Regelungen aufzuheben und durch passende eigenverantwortliche zu ersetzen.

 

  • Zustimmungserfordernis des Wissenschaftsministeriums

Das Deutsche Studentenwerk hält weiterhin die Rückgängigmachung der durch das Verfasste-Studierendenschafts-Gesetz vom 10. Juli 2012 vorgenommenen Änderung des § 6 Abs. 6 Studentenwerksgesetz für erforderlich. Mit dieser Änderung wurde die mit der Novellierung des Studentenwerksgesetzes 1999 neu beschrittene Linie einer ausschließlichen Prüfung und Zustimmung der „Vorschläge für die Wahl des Geschäftsführers sowie die Bestellung und Entlassung des Geschäftsführers“ im Rahmen der Rechtsaufsicht verlassen. Vielmehr bedeutet dieses eingeführte Zustimmungserfordernis des Wissenschaftsministeriums für „die Regelungen des Beschäftigungsverhältnisses“ der Studentenwerksgeschäftsführer/innen nunmehr einen Schritt zurück in die Wahrnehmung der ministeriellen Fachaufsicht in einem einzelnen wesentlichen Punkt. Das Deutsche Studentenwerk hatte bereits in seiner Stellungnahme vom 19. März 2012 gefordert, die damals geplante Änderung nicht durchzuführen. Nach dem vom Deutschen Studentenwerk in Auftrag gegebenen Rechtsgutachten von Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. Ulrich Battis ist die Regelung nicht mit der Verfassung des Landes Baden-Württemberg konform: vielmehr verstößt die Vorschrift zum einen gegen das verfassungsrechtliche Gebot der Folgerichtigkeit und verletzt darüber hinaus das in Art. 71 Abs. 1

S. 3 Landesverfassung Baden-Württemberg verankerte Recht auf Selbstverwaltung der Studentenwerke.

 

Der Gutachter führt dazu u.a. aus: „Diesem Sinn und Zweck und damit dem verfolgten System läuft es jedoch gerade zuwider, wenn § 6 Abs. 6 StWG in der aktuellen Fassung bestimmt, dass die Regelungen des Beschäftigungsverhältnisses des Geschäftsführers der Zustimmung des Wissenschaftsministeriums bedürfen. Dies ist eine Abwendung von dem mit der Strukturreform von 1999 verfolgten Ziel der Abkehr vom staatlichen Steuerungsmodell und dem Weg hin zur Schaffung einer funktionalen Selbstverwaltung. Denn mit § 6 Abs. 6 StWG wird eine Fachaufsicht des Wissenschaftsministeriums statuiert. Diese Vorschrift ist ein Instrument des vor der Reform 1999 bestehenden alten staatlichen Steuerungsmodells. Das Wissenschaftsministerium ist nicht mehr nur auf die in § 13 Abs. 1 StWG angeordnete und die Rechtsaufsicht prägende Prüfung der Rechtmäßigkeit beschränkt. Im Rahmen der Kenntnis von der konkreten Ausgestaltung der einzelnen Dienstverträge der Geschäftsführer kann sie durch ihre erforderliche Zustimmung Einfluss auf die Ausgestaltung nehmen. […] Der intendierten Stärkung der Eigenständigkeit und Autonomie  läuft darüber hinaus entscheidend zuwider, dass die Geschäftsführer der Studentenwerke durch die Neufassung ihre Unabhängigkeit faktisch einbüßen. Sie geraten vielmehr in ein Abhängigkeitsverhältnis zum Wissenschaftsministerium […]. Es ist nicht nachvollziehbar, wie sich diese Entwicklung mit der Stellung des Geschäftsführers als Organ der funktionalen Selbstverwaltung vereinbaren lässt; nicht zuletzt, da der Geschäftsführer gemäß § 5 Abs. 3 StWG das Studentenwerk vertritt und regelmäßig auch gegenüber dem Wissenschaftsministerium konträre Positionen beziehen muss.“

 

Das Deutsche Studentenwerk hatte bereits in seiner o.g. Stellungnahme zum Entwurf des Verfasste-Studierendenschafts-Gesetz dargelegt, dass sich in Baden-Württemberg die abschließende Regelung des Dienstvertrages unmittelbar zwischen dem/der Vorsitzenden des Verwaltungsrats, der gemäß § 5 Abs. 7 Studentenwerksgesetz das Studentenwerk vertritt, und der/dem Geschäftsführer/in bewährt hat. Dieses Verfahren ermöglichte es den Beteiligten, an den individuellen Gegebenheiten vor Ort orientierte Rahmenbedingungen der Zusammenarbeit innerhalb des Studentenwerks zu gestalten. Darüber hinaus entsprach die alte Regelung dem Grundgedanken der Studentenwerke als Einrichtungen der funktionalen Selbstverwaltung: Hier nimmt der Staat die Erfüllung von Verwaltungsaufgaben nicht unmittelbar selbst vor, sondern er überträgt sie auf rechtlich selbständige Organisationen, über die er dann lediglich die Aufsicht führt. Rahmenbedingungen für eine möglichst autonome Arbeit der Studentenwerke sind nach den Erfahrungen des Deutschen Studentenwerks die beste Voraussetzung für die Effizienz der Studentenwerke und damit für eine optimale Erfüllung des sozialen Auftrags. Daher sollte die Gesetzesnovellierung die letzte Änderung des § 6 Abs. 6 Studentenwerksgesetz rückgängig machen und damit die Verfassungskonformität wieder herstellen.

 

 

Berlin, 28. November 2013

Achim Meyer auf der Heyde

Generalsekretär des Deutschen Studentenwerks