08.10.2009

Hochschulpolitik

Stellungnahme des Deutschen Studentenwerks (DSW) zu dem Gesetzentwurf der Landesregierung für ein Hessisches Hochschulgesetz und Gesetz zur Änderung des TUD-Gesetzes sowie weiterer Rechtsvorschriften. Drucks. 18/1044

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Das Deutsche Studentenwerk (DSW) ist der Dachverband der 58 Studentenwerke in Deutschland und nimmt nach seiner Satzung sozialpolitische Belange der Studierenden der Hochschulen wahr. Vor diesem Hintergrund nehmen wir im Folgenden zu dem o.g. Gesetzentwurf Stellung, soweit das Gesetz Auswirkungen auf die Arbeit der Studentenwerke in Hessen bzw. auf sozialpolitische Belange der Studierenden an den Hochschulen in Hessen hat.

 

Der Gesetzentwurf hat nach seiner Begründung u.a. das Ziel, die Hochschulen in ihrer Autonomie zu stärken und damit die Leistungsfähigkeit des Hessischen Hochschulwesens zu steigern. Das Deutsche Studentenwerk begrüßt diese Ziele. Dennoch erscheint der Gesetzentwurf im Interesse der Studierenden bzw. besonderer Gruppen von Studierenden noch verbesserungsbedürftig. Diese Aspekte stehen nicht im Gegensatz zu den Zielen des Gesetzentwurfs, sondern können vielmehr dazu beitragen, ein modernes, leistungs- und wettbewerbsfähiges Bildungssystems zu erreichen.

 

1. Breiten Zugang zum Studium ermöglichen

In § 54 Abs. 4 S. 1 des Gesetzentwurfs (im Folgenden: HG-E) ist bestimmt, dass die Hochschulen durch Satzung festlegen können, welche studiengangspezifischen Fähigkeiten und Kenntnisse neben der Hochschulzugangsberechtigung zu Beginn des Studiums nachgewiesen werden müssen und in welchem Verfahren der Nachweis erfolgt. Nach Auffassung des Deutschen Studentenwerks muss bei einem solchen hochschuleigenen Auswahlrecht jede Diskriminierung von Studienbewerber/innen vermieden werden. Es muss nach dem Gebot der Chancengleichheit gewährleistet sein, dass auch künftig ein hoher Anteil der Studienplätze auf Grundlage der Abiturnote vergeben wird und es muss grundsätzlich die Durchlässigkeit beim Übergang von Bachelor- und Masterstudiengängen sichergestellt werden. Insofern bewertet es das DSW positiv, dass die bisherige Soll-Vorschrift mit § 54 Abs. 4 S. 1 HG-E in eine Kann-Vorschrift umgewandelt werden soll. Darüber hinaus begrüßt das DSW, dass nach § 16 Abs. 2 HG-E künftig der Zugang zu weiterbildenden Masterstudiengängen auch Bewerbern ohne ersten Hochschulabschluss offen stehen kann.

 

2. Verwaltungskostenbeitrag sozial gestalten

§ 56 Abs. 1 HG-E sieht vor, dass der Verwaltungskostenbeitrag von 50 Euro pro Semester erhoben wird „für die Leistungen bei der Immatrikulation, Beurlaubung, Rückmeldung und Exmatrikulation, bei der allgemeinen Studienberatung sowie für die Leistungen der Auslandsämter und bei der Vermittlung von Praktika“. Lediglich für ausländische Studierende bestehen nach Abs. 5 hiervon Ausnahmen. Nach Ansicht des Deutschen Studentenwerks bedarf es jedoch weitergehender Ausnahmeregelungen, um soziale Härten zu vermeiden. Die Zahlung eines Verwaltungskostenbeitrags kann etwa für Studierende unzumutbar sein, die aufgrund einer persönlichen Sondersituation (z.B. Tod der Eltern) ein Urlaubssemester nehmen müssen. Um in solchen Fällen zu vertretbaren Lösungen zu kommen, sollte entweder eine Ausnahmeregelung eingefügt werden, wonach Studierende, die für ein ganzes Semester beurlaubt sind, von der Zahlung ausgenommen werden (so § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 Niedersächsisches Hochschulgesetz). Oder es könnte wie in § 9 Abs. 4 Landeshochschulgebührengesetz Baden-Württemberg bestimmt werden, dass die Hochschulen im Einzelfall auf Antrag den Beitrag erlassen können, wenn die Erhebung zu einer unbilligen Härte führen würde.

 

3. Nutzung der Liegenschaften durch Studentenwerke gewährleisten

In § 9 HG-E ist vorgesehen, dass Zuständigkeiten im Bereich der Grundstücks- und Bauangelegenheiten auf Antrag auf die Hochschulen übertragen werden. Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass beispielsweise die Verpflegungsbetriebe der Studentenwerke häufig Teil der Hochschulgebäude sind. Um den Studentenwerken eine Nutzung im Sinne ihres sozialen Auftrags zu ermöglichen, erfolgt die Überlassung von Grundstücken und Gebäuden des Landes oder der Hochschulen an die Studentenwerke nach § 8 Abs. 6 Studentenwerksgesetz Hessen unentgeltlich. Es muss daher ergänzend im HG-E sichergestellt sein, dass sich auch die organisatorischen Rahmenbedingungen der Nutzung für die Studentenwerke im Fall der Übertragung der Zuständigkeit vom Land auf die Hochschulen nicht verschlechtern.

Hierzu gehören verbindliche Regelungen, dass die den Hochschulen zur Verfügung gestellten Landesmittel für Bau- und Geräteinvestitionen in den den Studentenwerken überlassenen Gebäudeteilen auch eingesetzt werden oder die Mittel von den Hochschulen an die Studentenwerke weitergeleitet werden. Außerdem sollte den Studentenwerken das Recht eingeräumt werden, entsprechende Mittel für Bau- und Geräteinvestitionen selbst beim Land Hessen zu beantragen.

 

4. Besondere Belange der Studierenden mit Behinderung bzw. chronischer Krankheit

Das DSW begrüßt, dass der Gesetzentwurf der besonderen Situation von Studierenden und anderen Hochschulmitgliedern mit Behinderung oder schwerer Krankheit Rechnung tragen will. Dieser Ansatz sollte jedoch konsequent umgesetzt werden. Dies erfordert nach Ansicht des DSW insbesondere, das Amt des/der Beauftragten für die Belange behinderter Studierender auch gesetzlich zu verankern. Regelmäßig gibt es an den Hochschulen zwar solche Beauftragte. Ohne gesetzliche Verankerung sind die Beauftragten häufig nicht mit den notwendigen Ressourcen und Mitwirkungsrechten ausgestattet, die sie bräuchten, um ihren vielfältigen Aufgaben, wie sie in der HRK-Empfehlung vom 3. November 1986 dargestellt sind und in der HRK-Empfehlung vom 21. April 2009 noch einmal bekräftigt wurden, gerecht zu werden. Nur finanziell und personell gut ausgestattete und qualifizierte Beauftragte können den gestiegenen Informations- und Beratungsbedarf der Studierenden mit Behinderung decken, im Team mit Kolleg/innen aus den Studienberatungen, den Prüfungskommissionen und Verwaltungen sowie den Lehrenden für die notwendigen Nachteilsausgleiche sorgen und die Qualitätssicherung der Hochschulen unterstützen. Das Hessische Hochschulgesetz sollte deshalb zur Verankerung des Amtes der Behindertenbeauftragten um eine entsprechende Regelung ergänzt werden, wie etwa das Hamburgische Hochschulgesetz sie in seinem § 88 vorsieht.

 

Studierende mit Behinderung bzw. chronischer Krankheit sind – insbesondere unter den Rahmenbedingungen eines verschulten Studiums in den neuen Studiengängen – auf differenzierte Nachteilsausgleiche angewiesen. Das betrifft nicht nur die Art und Form von Prüfungen. Zusätzlich können sich in den Bachelor-Master-Studiengängen Probleme für Studierende ergeben, wenn sie behinderungsbedingt zeitliche oder inhaltlich-formale Vorgaben des Studiums nicht einhalten können. Dabei kann es sich z.B. um Fristen, Anwesenheitspflichten, aber auch um Bestimmungen zur Reihenfolge von Studien- und Prüfungsabschnitten handeln. Prüfungsordnungen müssen deshalb nicht nur die Möglichkeit zum Nachteilsausgleich bei der Gestaltung aller abschließenden und studienbegleitenden Leistungsnachweise vorsehen, sondern ebenso bei der Gestaltung des Studienverlaufs. In den Kriterien zur Akkreditierung von Studiengängen ist dies bereits festgelegt. § 20 Abs. 3 HG-E sollte entsprechend ergänzt werden.

 

Berlin, 9. Oktober 2009

 

Achim Meyer auf der Heyde

Generalsekretär des Deutschen Studentenwerks