03.12.2008

Hochschulpolitik

Mit Hochschulpakt II auch in die Stärkung der sozialen Infrastruktur für Studierende investieren

Service- und Beratungsangebote müssen ausgebaut werden - insbesondere: Mensen und Cafeterien, zusätzliche Wohnplätze, Beratungsangebote und Kinderbetreuungseinrichtungen.

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Die 69. ordentliche Mitgliederversammlung des Deutschen Studentenwerks (DSW):

 

  • sieht mit Sorge, dass die Zahl der Studienanfänger seit Jahren hinter der gestiegenen Zahl der Schulabsolventen mit Hochschulzugangsberechtigung erheblich zurückbleibt und damit dauerhaft die Zielzahlen einer Studienanfängerquote von mindestens 40% und einer Hochschulabsolventenquote von ca. 35% eines Altersjahrgangs kaum erreicht werden;
     
  • unterstreicht,
    -dass Chancengleichheit beim Hochschulzugang und die Entscheidung für ein Studium neben einem ausreichenden Angebot an Studienplätzen insbesondere eine leistungsstarke soziale Infrastruktur für Studierende voraussetzen, wie sie von den Studentenwerken bereitgestellt wird;
    -dass mit den über  die Studienstrukturreform veränderten  Studienbedingungen auch das Leistungsangebot der Studentenwerke auf  die  veränderte  Nachfrage der Studierenden angepasst werden muss;
     
  • fordert daher Bund und Länder innerhalb ihrer gesamtstaatlichen Verantwortung auf, beim Ausbau von Hochschulkapazitäten und bei der Umsetzung der Studienstrukturreform auch in die soziale Infrastruktur für Studierende zu investieren und mit dem Hochschulpakt II insbesondere
    -generell die Service- und Beratungsangebote auszubauen und insoweit
    -Mittel für den Ausbau und die Modernisierung der sozialen Infrastruktur, insbesondere für Mensen/Cafeterien, zusätzliche Wohnplätze, für Beratungsangebote und Kinderbetreuungseinrichtungen zur Verfügung zu stellen;
     
  • fordert die Länder auf, eine in der Höhe ausreichende und in der Struktur verlässliche Finanzierung der Studentenwerke zu gewähren, und sie entsprechend den steigenden Kosten und Bedarfen anzupassen.

Begründung:

Aktuelle Daten des Statistischen Bundesamts dokumentieren, dass die Studienanfängerzahlen seit dem Höchststand im Jahr 2003 trotz starkem Anstieg der Schulabsolvent/innen mit Hochschulzugangsberechtigung von 369.000 auf  358.000  zurückgegangen  sind.  Als  Gründe für den Studienverzicht gelten mangelnde Studienplatzkapazitäten, das bürokratische Wirrwarr bei der Hochschulzulassung seit Inkrafttreten des neuen Auswahlrechts der Hochschulen sowie die sinkende Studierneigung der Abiturienten, insbesondere wegen Problemen hinsichtlich der Studienfinanzierung. Jeder vierte Studienberechtigte, der auf ein Studium verzichtet, nennt als Grund für den Studienverzicht fehlende finanzielle Voraussetzungen (siehe HIS Studienberechtigten-Studie 2006).

 

Diese Entwicklung verläuft gegenläufig zu den Empfehlungen des Wissenschaftsrats zum arbeitsmarkt- und demografiegerechten Ausbau des Hochschulsystems, der eine Studienanfängerquote von 40 Prozent und eine  Hochschulabsolventenquote von 35 % eines Altersjahrgangs für erforderlich hält.

 

Vor diesem Hintergrund begrüßt die 69. Mitgliederversammlung des DSW ausdrücklich das Vorhaben von Bund und Ländern, einen Hochschulpakt II zum Ausbau der Studienplatzkapazitäten zu vereinbaren.

 

Mehr Hochschulabsolvent/innen bedeuten eine große Chance für die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung eines Landes. Schon heute zeichnet sich ab, dass der Bedarf des Arbeitsmarkts an Hochschulabsolvent/innen weiter anwachsen wird, und dass ein Fachkräftemangel droht, falls nicht massiv in den Ausbau  des  Hochschulsystems  investiert wird. Ein zukunftsorientiertes Hochschulsystem zeichnet sich jedoch nicht nur durch hinreichende Studienplatzkapazitäten und Exzellenz in Forschung und  Lehre  aus,  sondern auch durch eine exzellente soziale Infrastruktur für Studierende. Gerade damit kann dazu beigetragen werden, Bildungspotenziale zu mobilisieren und  das  parteiübergreifend formulierte Ziel zu realisieren, mindestens 40 Prozent eines  Jahrgangs für ein Studium zu gewinnen.

 

Die Stärkung der sozialen Infrastruktur wurde im Hochschulpakt I leider nicht berücksichtigt. Dieses Versäumnis zählt zu den strukturellen Defiziten des Hochschulpakts I. Die Lehre zu stärken ist richtig und notwendig. Gute Studienbedingungen setzen aber auch eine gut ausgebaute soziale Infrastruktur voraus; sie ist die dritte Säule des deutschen Hochschulsystems neben Forschung und Lehre.

 

Die Anforderungen an die  soziale  Infrastruktur werden in den kommenden Jahren deutlich steigen: nicht nur wegen der angestrebten steigenden Studierendenzahlen, sondern auch aufgrund der sich wandelnden Bedingungen des Studierens  im  Zuge  der Studienstrukturreform und der Einführung von Studiengebühren.

 

Der Hochschulpakt II darf deshalb nicht nur die bloße Erhöhung der Studienanfängerzahlen zum Ziel haben, sondern auch die Stärkung der sozialen Infrastruktur für Studierende. Es ist daher unabdingbar, den Hochschulpakt II mit Investitionen in den Ausbau und die Qualitätssicherung der sozialen Infrastruktur für Studierende zu flankieren: Ein offensiver Ausbau von Studienplätzen und eine erfolgreiche Umsetzung der Studienstrukturreform erfordert Investitionen insbesondere in die Schaffung von zusätzlichem Wohnraum. Die Länder sollten dabei die Möglichkeiten des Wohnraumfördergesetzes nutzen, welches durch die Aufstockung der vom Bund zugewiesenen Mittel bis 2013 erhebliche Gestaltungsoptionen für die Länder bietet. Darüber hinaus sind als Ersatz für Mittel nach dem Hochschulbaufördergesetz Sondermittel für den Bau und die Sanierung von Mensen und Cafeterien erforderlich, die nicht nur Großverpflegungseinrichtungen, sondern auch wichtige Lern- und Kommunikationsräume im Hochschulbereich sind. Auch die Sicherstellung ausreichender Kinderbetreuungseinrichtungen für Kinder von Studierenden und Hochschulmitarbeiter/innen erfordert zusätzliche Investitionen. Es sollte geprüft werden, inwieweit die neu aufgelegten (Investitions-)Programme zum Ausbau der Kinderbetreuungsangebote auch für diese Aufgabe genutzt werden können.

 

Grundlegend ist eine in der Höhe ausreichende und in der Struktur verlässliche Finanzierung der Studentenwerke. Die massiven Erhöhungen der Energiekosten und die enormen Kostensteigerungen im Lebensmittelbereich erschweren es den Studentenwerken zunehmend – trotz kontinuierlichen Effizienzsteigerungen –, die Stabilität der Preise und Semesterbeiträge zu gewährleisten. Eine weitere finanzielle Belastung der Studierenden gilt  es  aber  zu vermeiden. Die Länder sind daher aufgefordert, die Finanzierung der Studentenwerke entsprechend den steigenden Kosten und Bedarfen anzupassen.

 

 

 

69. ordentliche Mitgliederversammlung 

des Deutschen Studentenwerks (DSW)

am 2./3.12.2008