04.12.2013

Hochschulpakt für Soziale Infrastruktur dringend erforderlich!

Die 74. ordentliche Mitgliederversammlung des Deutschen Studentenwerks (DSW) fordert Bund und Länder erneut eindringlich auf, ergänzend zu den Hochschulpakten für die Hochschulen endlich einen gemeinsamen Hochschulpakt zur Förderung der sozialen Infrastruktur aufzulegen.

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In den vergangenen Jahren sind die Studierendenzahlen erheblich gestiegen. Für die nächsten Jahre werden weiter hohe Studienanfängerzahlen erwartet, sodass die Studierendenzahlen bis weit ins nächste Jahrzehnt insgesamt auf hohem Niveau verstetigt werden. Bund und Länder haben zudem dieses Jahr eine Strategie zur Internationalisierung des deutschen Hochschulsystems beschlossen, die das Deutsche Studentenwerk ausdrücklich begrüßt und unterstützt. Allerdings wird deren Umsetzung den ohnehin schon bestehenden Ausbaubedarf der sozialen Infrastruktur an den Hochschulen zusätzlich deutlich erhöhen. 

 

Zur Abdeckung der Nachfrage nach studentischem Wohnraum hält das Deutsche Studentenwerk für den Zeitraum 2014 bis 2017 ein Förderprogramm für die Schaffung von zusätzlichen, preisgünstigen Wohnheimplätzen für unabdingbar. Aufgrund des bereits jetzt bestehenden Bedarfs und der zusätzlichen Nachfrage der Internationalisierung hält das Deutsche Studentenwerk nunmehr 45.000 zusätzliche Plätze für erforderlich. Das bedeutet eine Ausweitung des bisherigen Bestandes an Wohnheimplätzen bun-desweit um knapp 20%. Zur Sicherstellung preisgünstiger Mieten werden hierfür Investitionszuschüsse von insg. 1,44 Mrd. € benötigt. 

Für dringend erforderliche zusätzliche Kapazitäten in der Hochschulgastronomie wer-den weiterhin 200 Mio. € Investitionszuschüsse benötigt. 

Der Ausbau bedarfsgerechter Betreuungsangebote für Kinder studentischer Eltern muss weiter vorangetrieben werden; es werden mindestens weitere 2.000 Kita-Plätze benötigt.

Auch die Beratungsangebote der Studentenwerke müssen an den steigenden Bedarf angepasst werden; hier sind mindestens 120 zusätzliche Berater/innen erforderlich.

 

Begründung:

 

Die aktuellen Rahmenbedingungen sind: 

  • In den vergangenen fünf Jahren sind die Studierendenzahlen um fast 30% auf jetzt 2,5 Mio gestiegen, die Studienanfängerzahlen sind sogar um 37% gestiegen. 
  • Zum Vergleich: Die Zahl der öffentlich geförderten Wohnheimplätze ist dagegen im selben Zeitraum gerade einmal um 2,2 % gestiegen. 
  • Die Kultusministerkonferenz der Länder (KMK) hat im Jahr 2012 ihre Prognose zur zukünftigen Entwicklung der Studienanfängerzahlen um jährlich rund 60.000 bis 80.000 erhöht. 
  • Bund und Länder haben im April dieses Jahres in der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK) eine Strategie zur Internationalisierung des deutschen Hochschulsystems verabschiedet, die einen deutlichen und dauerhaften Anstieg der Zahl der ausländischen Studierenden um rund 100.000 bis zum Jahr 2020 vorsieht. 

Bund und Länder haben mit den Vereinbarungen zu den Hochschulpakten die Kapazitäten an den Hochschulen ausgeweitet. Die Mitgliederversammlung des Deutschen Studentenwerks (DSW) hat diese gemeinsamen Anstrengungen mehrfach gewürdigt. 

Der dringend notwendige entsprechende Ausbau der sozialen Infrastruktur des Studiums ist bisher unterblieben. Das DSW würdigt dabei ausdrücklich die Anstrengungen einiger Länder, so von Bayern und Baden-Württemberg, mit Landesförderprogrammen den Ausbau der sozialen Infrastruktur voranzutreiben. Leider haben viele Länder hierfür offenkundig nicht die ausreichenden Ressourcen. Die Folgen sind an vielen Hochschulstandorten deutliche Engpässe insbesondere bei der Wohnraumversorgung wie auch im Bereich der Hochschulgastronomie.

 

Es gibt eine gute Tradition erfolgreicher Zusammenarbeit von Bund und Ländern, die mit den Hochschulpakten bereits wieder erfolgreich praktiziert wird. Daher sollte diese Zusammenarbeit wieder für die soziale Hochschulinfrastruktur aufgenommen werden, wenn erforderlich, durch Schaffung entsprechender rechtlicher Grundlagen. 

Mit einem zusätzlichen Hochschulpakt für die soziale Infrastruktur können Bund und Ländern die erforderlichen Maßnahmen umsetzen. 

 

1.Wohnbedarf: 
a) Aktueller Bedarf: 

Das DSW ist bisher davon ausgegangen, dass mindestens 25.000 zusätzliche preisgünstige Wohnheimplätze geschaffen werden müssen, um den dringendsten Bedarf zu decken. 

Nach einer aktuellen Umfrage des Deutschen Zentrums für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW) im Auftrag des DSW müssen rund 15.000 bis 20.000 deutsche Studienanfänger/innen, die nicht elternwohnortnah studieren, mindestens drei Monate oder länger nach einer Unterkunft bei Studienbeginn suchen. Für Studierende aus dem Ausland liegen keine Daten vor, die Zahl der Betroffenen dürfte angesichts der Bewerberlage bei Wohnheimplätzen allerdings ähnlich hoch liegen. Wir müssen somit von insgesamt 35.000 bis 40.000 Studienanfängern mit großen Problemen bei der Wohnraumsuche ausgehen. Diese aktuelle Bedarfsgrößenordnung wird auch durch eine weitere Zahl bestätigt: Rund 50.000 Studierenden standen zu Beginn des Wintersemesters auf der Warteliste für einen Wohn-heimplatz bei den Studentenwerken. Selbst wenn ein Teil davon dann noch eine Unterkunft auf dem freien Wohnungsmarkt findet, dürfte der aktuelle Bedarf damit mindestens bei den bisher genannten 25.000 Plätzen liegen. 

 

b) Zusätzlicher zukünftiger Bedarf durch Internationalisierungsstrategie

Der Anteil der Wohnheimbewohner/innen liegt bei ausländischen Studierenden mit ca. 40% je nach Standort drei bis viermal so hoch wie bei Inländern. Bei dauerhaft zusätzlichen 100.000 ausländischen Studierenden könnte dies zu einem dauerhaften Mehrbedarf von bis zu 40.000 Plätzen führen. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass vermutlich ein Teil des Zuwachses nach den Planungen der GWK auf Bildungsinländer/innen zurückgehen dürfte, bei denen der Bedarf deutlich geringer ist. Zudem erwartet die KMK in den nächsten Jahren einen leichten Rückgang bei der Zahl der inländischen Studienanfänger/innen. Aber auch bei Berücksichtigung dieser Gegeneffekte müssen wir von einem zukünftigen Mehrbedarf von weiteren 20.000 Plätzen ausgehen, zusätzlich zu dem bisher definierten Platzbedarf.

 

c) Gesamtbedarf an öffentlich geförderten Wohnplätzen

Legt man die aktuelle Nachfragesituation zugrunde, plus den zusätzlichen Bedarf durch die Internationalisierungsstrategie benötigen wir aufgrund der aktuellen Entwicklungen somit 45.000 zusätzliche Wohnplätze.

In einigen Ländern gibt es erfreulicherweise Förderprogramme. Es sind derzeit rund 6.000 Plätze im Bau, weitere 6.000 bis 7.000 Plätze sind zumindest in der Planung. Die Maßnahmen beschränken sich aber nur auf einige Länder, der Bedarf ist hingegen flächendeckend gestiegen. Im Einzelfall bauen Studentenwerke auch ohne staatliche Förderung. 

Inwieweit Plätze aus Landesfördermitteln in einem Bundesprogramm angerechnet werden sollten, müssten Bund und die betreffenden Länder in einer Vereinbarung abstimmen. 

 

d) Finanzierung des Bedarfs an Wohnheimplätzen

Erforderlich ist ein bundesweites Förderprogramm mit vergleichbaren Bedingungen, wie es seit Jahren vorbildlich der Freistaat Bayern praktiziert. Solch ein Förderprogramm könnte zur Schaffung der notwendigen zusätzlichen Wohnplätze zu preisgünstigen Mieten führen, die sich auch Studierende mit sehr niedrigem Einkommen sowie die zusätzlichen ausländischen Studierenden leisten können, die gemäß der gemeinsamen Internationalisierungsstrategie von Bund und Ländern für ein Studium in Deutschland gewonnen werden sollen. Bayern hat seine Förderung für jeden Wohnheimplatz mit einem faktischen Zuschuss von 26.500 € auf 32.000 € verbessert. Bei einem Gesamtbedarf von 45.000 zusätzlichen Plätzen bedeutet dies einen Zuschussbedarf von 1,44 Mrd. €. Wegen der aktuellen Bedarfssituation und Entwicklung sollte das Förderprogramm bis 2017 durchgeführt werden.

 

2. Hochschulgastronomieeinrichtungen 

Der weitere Ausbau und Umbau der hochschulgastronomischen Einrichtungen der Studentenwerke ist wegen der deutlich gestiegenen Studierendenzahlen, aber auch wegen der stärkeren Verdichtung und „Verschulung“ in den neuen Studiengängen weiterhin dringend geboten. Der Finanzbedarf für Investitionen liegt bei rd. 200 Mio. €, hinzu kommt ein jährlich höherer Personalbedarf in Höhe von rund 10% der derzeitigen Personalaufwendungen.

 

3. Kinderbetreuungsangebote 

Trotz intensiver Ausbaumaßnahmen in den vergangenen Jahren ist an vielen Hochschulen noch keine Bedarfsdeckung erreicht worden. Zusätzlich zu den bereits bestehenden rund 8.500 Kita-Plätzen der Studentenwerke sind mindestens weitere 2.000 Plätze erforderlich. Erweiterte und flexibilisierte Öffnungszeiten in der Regelbetreuung sowie die flexible Kurzzeit-Betreuung sind weitere Erfordernisse bedarfsgerechter Betreuungsangebote für Studierende mit Kind, die bisher jedoch nicht öffentlich gefördert werden. Bund und Länder sind aufgefordert, Finanzierungsmöglichkeiten sowohl für Investitionen als auch für den Betrieb dieser Angebote zu schaffen.

Der Kinderbetreuungsbedarf ausländischer Studierender ist deutlich höher als bei deutschen Studierenden mit Kind: 11% der internationalen Studierende sind Eltern, gegenüber 5% der deutschen Studierenden. Die interkulturellen Fortbildungsmöglichkeiten für Kita-Mitarbeiter/innen müssen ebenfalls erheblich gesteigert werden. 

 

4. Beratungsangebote

Sie sind ein weiterer wesentlicher Baustein zur Sicherstellung eines umfassenden Studien-angebots. Dieses gilt für alle Beratungsbereiche, angefangen von der Studienberatung der Hochschulen bis hin zu Studienfinanzierungs-, Sozial- und Psychosozialen Beratungsange-boten der Studentenwerke. Der zusätzliche Bedarf bei den Studentenwerken besteht beson-ders im Personalbereich, eine personelle Aufstockung um mindestens 50% bis 2017 in allen Beratungsbereichen ist dringend geboten; dies entspricht 120 zusätzlichen Berater/innen.

Hinzu kommt aufgrund der aktuellen Entwicklung der Ausbau des Integrations- und Informa-tionsangebots zur Internationalisierung. Die bestehenden Angebote der Studentenwerke für ausländische Studierende wurden bislang oftmals auf Basis einer zeitlich befristeten und auslaufenden Projektfinanzierung realisiert (DAAD-Programme wie STIBET, PROFIS, PRO-FIN). Bund und Länder sind gefordert, hier eine dauerhafte Finanzierung zu schaffen, die den tatsächlichen Anforderungen gerecht wird.

 

 

74. ordentliche Mitgliederversammlung

des Deutschen Studentenwerks (DSW)

am 3./4.12.2013