07.12.2023

Für eine beherzte BAföG-Reform 2024

Die 85. ordentliche Mitgliederversammlung des Deutschen Studierendenwerks (DSW) hat beschlossen:

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Die Bundesregierung hat einen BAföG-Aufbruch versprochen. Eine höhere Förderung
sollte es für die Studierenden geben, regelmäßige Erhöhungen, auch die Zahl der
geförderten jungen Menschen sollte steigen. Eine echte Trendwende, eine grundlegende
Reform werde man angehen, heißt es im Koalitionsvertrag von SPD, Bündnis 90/Die
Grünen und FDP.

Der Handlungsbedarf wird immer größer, und die Zeit drängt. In den vergangenen Jahren
hat das BAföG enorm an Kraft verloren, weil es schon lange nicht mehr ausreichend
gepflegt wurde. Nullrunde folgte auf Nullrunde. Die Folge: Zum Leben reicht die
staatliche Studienfinanzierung vielfach nicht mehr aus. Der Satz für den Grundbedarf
– für Essen, Trinken und Hygiene – liegt unterhalb des Bürgergelds und der
Düsseldorfer Tabelle. 452 Euro gibt es beim BAföG, 563 Euro hingegen ab 2024 beim
Bürgergeld. Studierende essen, trinken und heizen nicht weniger als andere Menschen,
sie sind keine Bürger*innen zweiter Klasse. Mit der BAföG-Wohnpauschale von 360 Euro
im Monat kann man sich in kaum einer deutschen Hochschul-Stadt noch ein WG-Zimmer
leisten.

Und das BAföG erreicht viel zu wenige junge Menschen. Von seinem ursprünglichen
politischen Anspruch, auch Familien mit mittlerem Einkommen zu erreichen, hat es sich
längst entfernt. Im Jahr 2012 haben noch fast 30 Prozent aller Studierenden von der
Förderung profitiert. Heute sind es elf Prozent, die überhaupt noch BAföG bekommen,
weil über Jahre hinweg weder die Freibeträge erhöht noch die Zugangsvoraussetzungen
an die veränderten Lebenswirklichkeiten der Studierenden angepasst wurden.

Die Bundesregierung ist durchaus ambitioniert in ihre Amtszeit gestartet. Die
Elternfreibeträge und Altersgrenzen wurden im Jahr 2022 kräftig angehoben, auch bei
den Vermögensfreibeträgen gab es ein deutliches Plus. Aber schon die höheren
Bedarfssätze (+5,75 Prozent) wurden schnell von der Inflation aufgefressen. Zwei
Heizkostenzuschüsse und die 200-Euro-Energiepreispauschale haben zwar die Not vieler
Studierenden etwas gelindert, aber das System der staatlichen Studienfinanzierung
nicht strukturell verbessert.

Im Jahr 2024 muss unbedingt eine BAföG-Novelle her, sonst drohen die BAföG-
Versprechen der Koalition, klammheimlich beerdigt zu werden. Es ist deshalb
unabdingbar, dass mindestens die in der Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses
im Deutschen Bundestag verankerten Mittel für eine BAföG-Novelle nun auch tatsächlich
fließen.

Die Bundesregierung muss den versprochenen BAföG-Aufbruch endlich umsetzen. Dazu
fordern wir die Koalition eindringlich auf. Sie muss dabei diese fünf Punkte angehen:

  • BAföG-Sätze und Freibeträge anheben: Dazu gehört ein höherer BAföG-Grundbedarf
    von 563 Euro pro Monat – wie beim Bürgergeld ab 2024 – sowie für die Ausbildung
    112,60 Euro pro Monat (20 Prozent von 563 Euro). Zusammen sind das 676 Euro. Die
    Wohnkostenpauschale ist analog zur Düsseldorfer Tabelle auf mindestens 410 Euro
    anzuheben. Bedarfssätze und Freibeträge müssen künftig jährlich automatisch der
    Entwicklung der Preise und Einkommen angepasst werden.
  • BAföG-Struktur reformieren: Damit mehr Studierende als die derzeit 60 Prozent
    die BAföG-Voraussetzungen erfüllen, braucht es eine BAföG-Strukturreform. Die
    Bundesregierung muss zügig die im Koalitionsvertrag verankerten und im Deutschen
    Bundestag im Juni 2022 bekräftigten anvisierten Reformen angehen:
    Studienstarthilfe, regelmäßigere Anpassungen, Absenkung des Darlehensanteils, 
    BAföG-Förderung für Neustart nach Fachrichtungswechsel/Abbruch, längere
    Förderdauer, Berücksichtigung von Care-Tätigkeiten und behinderungsbedingten
    Mehrbedarfen, flexiblerer BAföG-Leistungsnachweis; Prüfung, ob ein
    Teilzeitstudium gefördert werden kann; Verwaltungsvereinfachung, dann
    vollständige Digitalisierung; neue BAföG-Informationsangebote, stärkere BAföG-
    Werbung.
  • Garantiebetrag ohne Antrag auszahlen: Die Kindergrundsicherung muss wie
    versprochen zum Jahr 2025 kommen und das BAföG elternunabhängiger machen, indem
    der Garantiebetrag direkt an alle erwachsenen Auszubildenden (und damit auch
    Studierenden) ausgezahlt wird. Um Konflikte in der Familie zu vermeiden, sollte
    der Betrag von Amts wegen und nicht per Antrag ausgezahlt werden. Es muss im
    BAföG-Gesetz verankert werden, dass der Garantiebetrag beim BAföG weder an das
    Eltern- noch an das Schüler*innen- bzw. Studierendeneinkommen angerechnet wird.
  • BAföG vollständig digitalisieren: Nötig ist ein komplett digitales BAföG-
    Verfahren mit einer echten e-Akte, einem e-Bescheid und einer verschlüsselten
    Plattform zur digitalen Kommunikation zwischen BAföG-Ämtern und
    Antragstellenden. Wir freuen uns, dass auch der Bundesrechnungshof diesen
    Vorschlag unterstützt. Der gemeinsame Prozess von Bund und Ländern zum BAföG-
    Antragsportal ist daher wieder aufzugreifen und der komplette Prozess –
    verbunden mit einer gesetzlichen Verwaltungsvereinfachung – bundesweit
    einheitlich und vollständig zu digitalisieren. Die Studierendenwerke bieten ihre
    Mitarbeit und Expertise an.
  • BAföG-Ämter ausfinanzieren: Die BAföG-Ämter bei den Studierendenwerken
    übernehmen eine hoheitliche Aufgabe, sind aber zur Erfüllung dieser Aufgaben oft
    personell, räumlich und arbeitmittelbezogen unzureichend ausgestattet. Zur
    gesetzlichen Aufgabenerfüllung benötigen die BAföG-Ämter eine adäquate
    Ausstattung, die seitens des Bundes/der Länder auszufinanzieren ist.