07.12.2023

Der Campus der Zukunft: sozial, nachhaltig, digital und international

Die 85. ordentliche Mitgliederversammlung des Deutschen Studentenwerks (DSW) hat beschlossen:

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Die vielfältigen Krisen unserer Zeit zeigen: Unsere Gesellschaft ist mitten in einem
 sozial-ökologischen Umbruch. Die sich beschleunigende Digitalisierung, Klimakrise,
 Inflation, Energiekrise, neue geopolitische Konflikte und soziale Polarisierung – all
 das setzt auch die Hochschulen unter Druck. Studierende, Hochschulen,
 Studierendenwerke, Bund, Länder und Kommunen müssen den Wandel gemeinsam auf
 Augenhöhe und im Dialog gestalten. Hochschulen müssen Reallabore des Strukturwandels
 werden. Der Campus der Zukunft muss sozial, digital, nachhaltig und international
 sein. Die Studierenden sind in diesem Umbruch erst recht auf eine exzellente, stabile
 soziale Infrastruktur vor Ort angewiesen. Die Studierendenwerke werden sich diesen
 Aufgaben stellen. Sie wollen ihren sozialen Auftrag weiterhin hervorragend erfüllen
 und gleichzeitig nachhaltig arbeiten.

 Dazu bedarf es einer sehr guten finanziellen Förderung. Das Deutsche Studierendenwerk
 begrüßt, dass Bund und Länder in den Krisenjahren 2022 und 2023 direkte Hilfen für
 die Studierenden und die Studierendenwerke aufgelegt haben. Jetzt gilt es, diese
 befristeten Hilfen in eine dauerhafte, gute und planbare finanzielle Förderung
 umzuwandeln.

 Studentisches Wohnen

 Der Wohnungsmarkt in so gut wie allen Hochschulstädten bleibt extrem angespannt, die
 Mieten auf dem freien Markt steigen rasant. Viele Studierende suchen händeringend
 eine bezahlbare Wohnung. Wohnen bleibt eine zentrale soziale Frage unserer Zeit. Das
 DSW begrüßt, dass der Bund mit dem Bund-Länder-Programm „Junges Wohnen“ endlich
 wieder kraftvoll in die Förderung studentischen Wohnens eingestiegen ist.

 Die Studierenden- und Studentenwerke können auch in schwierigen Zeiten gestiegener
 Kosten und Zinsen Wohnheime bauen, wenn es mindestens einen hälftigen öffentlichen
 Zuschuss gibt in Bezug auf die Gesamtherstellkosten (KG 200-700). Mindestens genauso
 wichtig ist die Sanierung von Wohnheimen, um den Bestand zu modernisieren und zu
 erhalten. Auch hier gilt die Voraussetzung einer mindestens hälftigen öffentlichen
 Zuschussförderung.

 Vor diesem Hintergrund fordern wir:

  •  von der Bundesregierung, das Programm „Junges Wohnen“ dauerhaft zu verstetigen
     und auszubauen. Die Länder sind gefordert, die 1,5 Milliarden Euro Bundesmittel
     kräftig aufzustocken.
    Wir benötigen Zuschüsse für Neubau, Modernisierung und
     Sanierung in Höhe insgesamt von mindestens 2,75 Milliarden Euro für die
     kommenden drei Jahre.
  •  von Bund und Ländern eine dauerhafte Verstetigung einer gemeinsamen Förderung
     des studentischen Wohnheimbaus und der Sanierung. Nur eine gemeinsame dauerhafte
     Förderung kann eine notwendige Planungssicherheit, die gerade für den Neubau
     zwingend erforderlich ist, gewährleisten. Denn Immobilienprojekte benötigen
     Zeit, vom Grundstückserwerb über die Schaffung von Baurecht, die Projektplanung,
     ggf. europaweite Ausschreibungsverfahren bis hin zur Umsetzung. Mit einem
     befristeten Förderprogramm wird keine Planungssicherheit geschaffen. Und die
     Vergangenheit hat gezeigt, dass viele Bundesländer alleine eine ausreichende
     Förderung finanziell nicht stemmen können.
  •  Verbesserte Förderung in allen Bundesländern: Das Programm Junges Wohnen hat in
     einigen Bundesländern bereits zu verbesserten Förderkonditionen geführt. Das
     begrüßen wir ausdrücklich. Einige Bundesländer haben allerdings Nachholbedarf
     und müssen rasch nachlegen. Wir benötigen bundesweit und flächendeckend gute
     Konditionen, orientiert am Beispiel von Bayern mit 75.000 Euro Zuschuss pro
     Platz bei vierzig jähriger Bindung.
  •  von Bund die Förderungen für den Heizungstausch nach dem Gebäudeenergiegesetz
     (GEG) zu verbessern:
    Die Studierendenwerke wollen die Wärmewende unterstützen,
     brauchen dazu aber eine bessere finanzielle Förderung. Rund 78.000
     Wohnheimplätze müssen nach dem GEG in den kommenden Jahren von Gas auf
     klimaschonendere, sauberere Energieträger umgerüstet werden. Ohne eine bessere
     staatliche Förderung können die Studierendenwerke nicht anders, als die
     Mehrkosten für den Heizungsaustausch in Form von Mieterhöhungen an die
     Studierenden weiterzugeben – das kann niemand ernsthaft wollen. Es darf nicht zu
     noch weiteren finanziellen Belastungen von Studierenden kommen.
  •  von der Bundesregierung, klimafreundliches Bauen und Sanieren weiterhin zu
     ermöglichen
    durch ergänzende, additive Klimaschutz-Förderprogramme, damit die
     Umsetzung der Klimaschutzziele durch die Studenten- und Studierendenwerke auch
     mit sozialen Mietpreisen erfolgen kann sowie
  •  von den Ländern, Kommunen und der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BiMA),
     den Studierenden- und Studentenwerken wegen der vor allem in den
     Hochschulstädten extrem gestiegenen Bodenpreise kostenfreie bzw. kostengünstige
     Grundstücke
    für die Bebauung mit Wohnheimplätzen zur Verfügung zu stellen,
  •  von Bund und Ländern, grundsätzlich die Förderkulisse für den studentischen
     Wohnheimbau nachhaltig auszugestalten;
    dazu zählen möglichst langfristige,
     mindestens vierzigjährige, Belegungsbindungen, von Seiten der Länder der
     Verzicht auf das Erfordernis des Wohnberechtigungsscheins, eine Verknüpfung von
     Zuschusshöhe und Länge der Belegungsfristen, die Barrierefreiheit bedarfskonform
     zu normieren, Mietpreisbindungen grundsätzlich an der Wohnbedarfspauschale im
     Bafög zu orientieren und regionale Unterschiede bei Baukosten zu
     berücksichtigen, aber auch eine sinnvolle Begrenzung der Wohnfläche von
     gefördertem Wohnraum für Studierende. Dafür muss die Förderung stimmen.
  •  von der Bundesregierung, im Rahmen des Bündnisses bezahlbarer Wohnraum Sorge
     dafür zu tragen, dass die aktuellen Rahmenbedingungen für den Neubau von
     insbesondere öffentlich geförderten und bezahlbaren Wohnheimplätzen grundlegend
     verbessert werden durch eine Beschleunigung und Vereinfachung von Bau- und
     Genehmigungsverfahren – insbesondere Einführung der Typengenehmigung, sowie eine
     Begrenzung der Baukosten.

 Hochschulgastronomie

 In ihren 932 Mensen, Cafeterien und Bistros an den Hochschulen bieten die
 Studierenden- und Studentenwerke den Studierenden eine kostengünstige, vielfältige
 und gesunde Verpflegung durch qualitativ hochwertiges Essen an, gleichzeitig eine
 nachhaltige Gastronomie, damit die Klimaschutzziele der Bundesregierung mit
 Unterstützung der Studierendenwerke erreicht werden können. Die Mensen, Cafeterien
 und Bistros sind zudem soziale Begegnungsräume, in denen die Studierenden Zeit zum
 zwanglosen Austausch ohne Verzehrpflicht, aber auch zum gemeinsamen Lernen haben.
 Diese Entwicklungen erfordern Investitionen in die Substanz, in die klimafreundliche
 Sanierung und den Umbau der Verpflegungseinrichtungen.

 Gleichzeitig setzen Studierendenwerke vermehrt auch in der Hochschulgastronomie auf
 einen reduzierten Energieverbrauch, die Verwendung von regionalen und saisonalen
 Lebensmitteln sowie eine Vermeidung von Lebensmittelverschwendung und ein vermehrt
 veganes bzw. vegetarisches Speisenangebot.

 Deshalb fordert die Mitgliederversammlung des DSW von Bund und Ländern:

  •  die Zuschüsse zum laufenden Betrieb zu erhöhen, damit die Studenten- und
     Studierendenwerke weiterhin in der Lage sind, ihre gesetzlichen Aufgaben zu
     erfüllen und die Grundversorgung der Studierenden mit preisgünstigen Mahlzeiten
     sicherzustellen.
  •  in den Um- und Ausbau sowie die klimafreundliche Sanierung der Mensen zu
     investieren. Dabei muss die Nachhaltigkeit von Mensen und Cafeterien mitgedacht
     werden.

 Psychologische und soziale Beratung

 Auch nach dem offiziellen Ende der Pandemie verzeichnen die psychologischen
 Beratungsstellen der Studierendenwerke eine stark erhöhte Nachfrage. Die psychischen
 Belastungen von Studierenden aus der Pandemiezeit wirken nach. Hinzu kommen
 Belastungen, die sich für Studierende aus den anhaltenden multiplen Krisen wie
 Inflation, Energiekrise, kriegerische Auseinandersetzungen, Klimakrise ergeben.

 Bei den Studenten- und Studierendenwerken mangelt es vielerorts weiterhin an
 adäquaten Ressourcen in der psychologischen und sozialen Beratung für alle
 nachfragenden Studierenden; die Wartezeiten haben sich an manchen Standorten
 vervielfacht. Es ist davon auszugehen, dass der Belastungsgrad über einen längeren
 Zeitraum anhalten wird.  

 Das DSW begrüßt, dass im Zuge der Corona-Krise einige Bundesländer – Baden-
 Württemberg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Thüringen, Sachsen
 und Schleswig-Holstein – Sonderprogramme zum Ausbau des Corona-bedingten Ausbaus der
 psychologischen Beratungsstellen aufgelegt haben. Diese Programme laufen zum
 Jahresende 2023 teils aus.

 Um eine bestmögliche Versorgung mit Angeboten zu ermöglichen, ist eine strukturierte
 und einheitliche Datenerhebung notwendig, die Auskünfte über die Bedarfe der
 Studierenden bietet.

 Wir fordern daher von Bund und Ländern:

  •  die personellen Kapazitäten der psychosozialen und sozialen Beratungsstellen der
     Studierendenwerke weiter auszubauen, mit zehn Millionen Euro über die kommenden
     vier Jahre. Perspektivisch muss es zu einer Verstetigung der bereitgestellten
     Mittel kommen.
  •  eine vom Bundesministerium für Bildung und Forschung finanzierte Erhebung zur
     psychosozialen Beratung,
    die nicht nur an Studierendenwerken, sondern auch an
     Hochschulen und bei den Studierendenschaften die Beratungslandschaft untersucht,
     um vergleichbare und repräsentative Ergebnisse zu erzielen.