06.12.2017

Das BAföG unverzüglich an die Einkommens- und Bedarfsrealität anpassen!

Die 78. ordentliche Mitgliederversammlung des Deutschen Studentenwerks (DSW) fordert den Bund auf,

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  1. unverzüglich, spätestens zum Herbst 2018 die BAföG-Bedarfssätze und -Freibeträge anzupassen,
  2. den BAföG-Elternfreibetrag mittelfristig von 1.715 € auf den nach den Unterhaltstabellen angemessenen Eigenbedarf von 2.340 € anzugleichen,
  3. den spezifischen studentischen Bedarf unter Berücksichtigung der Diversität nach Alter, Wohnen und Lebenslagen auf einer empirischen Grundlage zu ermitteln,
  4. die BAföG-Einkommensverordnung abzuschaffen. Als BAföG-Einkommen soll die Summe aller positiven Einkünfte nach § 21 BAföG gelten. Steuerfreie Einnahmen sind nur einzubeziehen, soweit sie aus dem Einkommensteuerbescheid ersichtlich sind.

Die Beschlüsse zur Studienfinanzierung der vergangenen DSW-Mitgliederversammlungen gelten weiterhin.

Begründung

Insbesondere folgende Forderungen vergangener Beschlüsse nimmt die Mitgliederversamm-lung auf: - Verstetigung der Anpassungen alle zwei Jahre (siehe 2016, 2015, 2014, 2013) - der Rückkehr zu einer einheitlichen BAföG-Förderungsart „Vollzuschuss“ (2013) - der Bemessung der Förderungsdauer im Vollzeitstudium an die Realität: Regelstudi-enzeit plus zwei Semester (siehe 2015, 2014) - der Wiedereinführung des Schüler-BAföG an allgemeinbildenden Schulen (siehe 2015, 2014) - die Einführung einer Generalklausel im BAföG, durch die die neuen Studienmöglich-keiten an Hochschulen förderfähig werden (Generalklausel 2016, sonst 2015, 2014, 2012) - der Gewährung einer elternunabhängigen BAföG-Förderung während des Studiums, sofern bereits elternunabhängiges Schüler-BAföG bezogen wurde – sowie generell ab dem 27. Lebensjahr (siehe 2015, 2014, 2013) - der Abschaffung des BAföG-Leistungsnachweises nach dem vierten Fachsemester (siehe 2015, 2014, 2013, 2012) - der Mitnahmemöglichkeit des BAföG im gesamten Bologna-Hochschulraum (siehe 2015, 2014, 2013, 2012) - einer Lösung für die Elternunterschrift beim BAföG-eAntrag (siehe 2016) - sich bei den Ländern für eine gute personelle und sächliche Ausstattung der BAföG-Ämter wirkungsvoll einzusetzen (siehe 2016, 2015, 2014, 2013, 2012) - den Familienleistungsausgleich sozial gerecht zu gestalten: Kindergeld und Steuer-freibeträge sind in einheitliche Leistungen umzuwandeln und an Volljährige in Ausbil-dung direkt auszuzahlen (siehe 2015, 2014, insbes. 2012) - das BAföG in ein System lebensbegleitenden Lernens einzubetten, in dem auch Wei-terbildungsstudien förderungsfähig sind, Altersgrenzen abgeschafft sind und durch eine Altersdifferenzierung Bildungsanreize jenseits des Sozialhilfeniveaus geschaffen werden (siehe 2015, 2014, Altersgrenze abschaffen 2013, 2012) - die studentische Krankenversicherung, die aus Zeiten vor dem Bologna-Prozess 1999 stammt, aber unverändert blieb, grundlegend zu reformieren (siehe 2016, 2015, 2014, 2013)

Das Studienfinanzierungsinstrument BAföG wurde 1971 parteiübergreifend von Regierungs- und Oppositionsfraktionen beschlossen, um Chancengleichheit und damit soziale Durchlässigkeit im Bildungswesen und Bildungsaufstieg zu sichern. Als staatliches Studienfinanzierungsinstrument ermöglicht allein das BAföG – nach der sozialen Selektion im Schulsystem – den Hochschulzugang unabhängig vom Geldbeutel der Eltern und so die Chancengleichheit, vorausgesetzt, es wird regelmäßig angepasst und die Ausgestaltung orientiert sich an der Lebenswirklichkeit. Das Instrument BAföG kennt fast jede/r.

Das – nach der Periode 2001 bis 2008 – erneute Einfrieren des BAföG 2010 bis 2016 hat zu einem gravierenden Rückgang der Quote der Geförderten auf nur noch 18 % im Jahr 2016 geführt. Nach der 21. Sozialerhebung ist die Förderquote bei Studierenden der niedrigsten Bildungsherkunft zwischen 2012 und 2016 gar von 40 % auf 27 % gesunken, bei Studierenden mittlerer Bildungsherkunft von 30 % auf 23 %. Durch die für sechs Jahre festgefrorenen BAföG-Elternfreibeträge war für 25 % (für 16 % mit niedriger Bildungsherkunft) der „früher Geförderten“ und für 82 % (für 71 % mit niedriger Bildungsherkunft) der abgelehnten Erstantragsteller das Elterneinkommen zu hoch. Umgekehrt haben 76 % (55 % der Studierenden mit niedriger Bildungsherkunft) in Folge des als zu hoch eingeschätzten Elterneinkommens (z.B. BAföG-Online-Rechner) keinen BAföG-Antrag gestellt. Hinzu kommt: Wer einmal beim BAföG gescheitert ist, stellt nie wieder einen Antrag – die Geschwister ebenfalls nicht.

In der Folge haben nach der 21. Sozialerhebung mindestens 577.000 Studierende, die kein BAföG erhalten, weil sie es nie beantragt haben oder deren Erstantrag abgelehnt wurde, einen Unterhaltsanspruch gegenüber ihren Eltern. Davon haben rund 123.000 monatlich weniger als 500 € aus Elternleistung bzw. Sockelfinanzierung zur Verfügung, also auch unterhalb des im Sommersemester 2016 geltenden BAföG-Höchstsatzes von 670 €. Damit zeigt sich wieder einmal, dass die Elterneinkommen für eine Ausbildungsförderung zu hoch, für eine Finanzierung des Studiums ihrer Kinder jedoch zu gering sind.

Die zurückgehende Ausbildungsförderung sowie die nicht hinreichende Elternunterstützung versuchen die Studierenden durch erhöhte Erwerbstätigkeit zu substituieren. So ist der Anteil des eigenen Verdienstes an den monatlichen Gesamteinnahmen gestiegen, weil der Anteil der BAföG-Förderung der Studierenden um fünf Prozentpunkte gesunken ist. Entsprechend haben sich die Erwerbsquote insgesamt gegenüber 61 % im Jahr 2012 auf den Höchststand von 68 % und die Einnahmen aus Erwerbstätigkeit ebenfalls auf den Höchststand von durchschnittlich 385 € mtl. erhöht.

Die erhöhte Erwerbstätigkeit geht bekanntlich zu Lasten des Zeitaufwands für das Studium und wirkt sich vielfach studiendauerverlängernd aus. Nur 40 % aller Absolvent/innen schafften 2014 den Hochschulabschluss in der Regelstudienzeit.

Mit einer Anhebung der BAföG-Elternfreibetrag von 1.715 € auf den nach den Unterhaltstabellen angemessenen Eigenbedarf von 2.340 € (bei miteinander verheirateten Eltern (1.300+1.040€)) wird berücksichtigt, dass das BAföG ein Surrogat für die Elternleistung ist. Zugleich würden Friktionen mit dem Unterhaltsrecht vermieden. Die relativen BAföG-Freibeträge (§ 25 Abs. 4 BAföG) müssen erhalten bleiben.

Gleichzeitig findet durch diese Umstellung nicht nur eine Leistungsverbesserung statt, sondern auch eine Verwaltungsvereinfachung, die Transparenz wird gestärkt.

Dem BAföG-Bedarf liegt derzeit keine empirische Ermittlung zugrunde, wie sie das Bundesverfassungsgericht 2010 für Sozialleistungen gefordert hat. Der BAföG-Bedarf – der zusätzlich auch für die Ausbildung angesetzt ist (§ 11 Abs. 1 BAföG) – liegt unterhalb des sächlichen Existenzminimums. Seit dem Wintersemester 2016/2017 liegt der BAföG-Grundbedarf bei 399 €, der Grundbedarf von SGB II/XII seit 2017 bei 409 € und ab 2018 bei 414 €. Statt der im 11. Existenzminimumbericht kalkulierten Warmmiete von 336 € werden beim BAföG seit Herbst 2016 auswärts wohnenden Studierenden pauschal 250 €, Elternwohner/innen pauschal 52 € gewährt. Dies ist so gering, dass der Gesetzgeber seit 2016 (9. SGB II-Änderungsgesetz) Schüler/innen und Studierenden, die bei ihren Eltern wohnen, ergänzend einen SGB II-Zuschlag gewährt, der bei den dort zuständigen Ämtern beantragt werden muss.

Der BAföG-Kranken- und -Pflegeversicherungszuschlag (71 € + 15 €) deckt nicht die tatsächlichen Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge (73,47 € +18,17 €), erst recht nicht die Beiträge der Über-30-Jährigen (149,74 € + 27,77 €). Dass mit höheren BAföG-Bedarfen auch die Krankenversicherungsbeiträge für alle steigen, ist – wie bei den Renten auch – ein Automatismus, der nicht dazu führen darf, den Bedarf nicht bedarfsdeckend anzupassen.

Die Sozialerhebungen weisen eine immer heterogenere Studierendenschaft aus. Ein einheitlicher Bedarf für alle wird dem nicht gerecht. Hohe Einmalbeträge für die Ausbildung nehmen zu (z.B. Rückmeldegebühren Universität Hannover 425,06 € inkl. Semesterticket, zahlbar zwei Monate vor Semesterbeginn), so dass die Höhe des BAföG-Bedarfs auch hierfür eine Lösung bieten muss.

Wenn das BAföG-Einkommen wie bisher die Summe aller positiven Einkünfte umfasst, zusätzlich noch die steuerfreien Einnahmen, die aus dem Einkommensteuerbescheid zu erkennen sind - entsprechend dem Grundsatz der Bindung an den Steuerbescheid – kann die BAföG-Einkommensverordnung, die kleinteilig den Katalog der Einkommensarten erweitert, entfallen.

Insbesondere folgende Forderungen vergangener Beschlüsse nimmt die Mitgliederversammlung auf:

  • Verstetigung der Anpassungen alle zwei Jahre (siehe 2016, 2015, 2014, 2013)
  • der Rückkehr zu einer einheitlichen BAföG-Förderungsart „Vollzuschuss“ (2013)
  • der Bemessung der Förderungsdauer im Vollzeitstudium an die Realität: Regelstudienzeit plus zwei Semester (siehe 2015, 2014)
  • der Wiedereinführung des Schüler-BAföG an allgemeinbildenden Schulen (siehe 2015, 2014)
  • die Einführung einer Generalklausel im BAföG, durch die die neuen Studienmöglichkeiten an Hochschulen förderfähig werden (Generalklausel 2016, sonst 2015, 2014, 2012)
  • der Gewährung einer elternunabhängigen BAföG-Förderung während des Studiums, sofern bereits elternunabhängiges Schüler-BAföG bezogen wurde – sowie generell ab dem 27. Lebensjahr (siehe 2015, 2014, 2013)
  • der Abschaffung des BAföG-Leistungsnachweises nach dem vierten Fachsemester (siehe 2015, 2014, 2013, 2012)
  • der Mitnahmemöglichkeit des BAföG im gesamten Bologna-Hochschulraum (siehe 2015, 2014, 2013, 2012)
  • einer Lösung für die Elternunterschrift beim BAföG-eAntrag (siehe 2016)
  • sich bei den Ländern für eine gute personelle und sächliche Ausstattung der BAföG-Ämter wirkungsvoll einzusetzen (siehe 2016, 2015, 2014, 2013, 2012)
  • den Familienleistungsausgleich sozial gerecht zu gestalten: Kindergeld und Steuerfreibeträge sind in einheitliche Leistungen umzuwandeln und an Volljährige in Ausbildung direkt auszuzahlen (siehe 2015, 2014, insbes. 2012)
  • das BAföG in ein System lebensbegleitenden Lernens einzubetten, in dem auch Weiterbildungsstudien förderungsfähig sind, Altersgrenzen abgeschafft sind und durch eine Altersdifferenzierung Bildungsanreize jenseits des Sozialhilfeniveaus geschaffen werden (siehe 2015, 2014, Altersgrenze abschaffen 2013, 2012)
  • die studentische Krankenversicherung, die aus Zeiten vor dem Bologna-Prozess 1999 stammt, aber unverändert blieb, grundlegend zu reformieren (siehe 2016, 2015, 2014, 2013)