05.12.2018

Das BAföG muss dauerhaft Finanzierungssicherheit für das Studium bieten

Die Mitgliederversammlung des Deutschen Studentenwerks begrüßt, dass das Bundesministerium für Bildung und Forschung im November Eckpunkte für eine Anhebung der Elternfreibeträge, der Bedarfssätze und der Wohnpauschale zum Herbst 2019 vorgelegt hat. Grundsätzlich sieht die Mitgliederversammlung des Deutschen Studentenwerks hierin positive Ansätze, um jedoch eine Trendumkehr beim BAföG zu erreichen, hält die Mitgliederversammlung des Deutschen Studentenwerks eine deutliche Erhöhung der BAföG-Parameter bereits zum Sommersemester 2019 für erforderlich.

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Seit Jahren sinkt die Zahl der Studierenden, die überhaupt noch unter die gesetzlichen BAföG-Regelungen fallen. Inzwischen sind von rund 2,85 Millionen Studierenden nur noch 1,6 Millionen (63%) potenziell BAföG-förderfähig bzw. damit potenziell antragsberechtigt, bevor überhaupt die erforderliche Einkommens- bzw. Vermögensprüfung ansetzt. Die seit Jahren weitgehend unveränderten gesetzlichen Bestimmungen des BAföG spiegeln zwischenzeitliche hochschulorganisatorische Veränderungen und die Lebenswelt der Studierenden nur noch eingeschränkt wider. Daher muss eine Reform des BAföG vor allem hier ansetzen, wenn die gewünschte Trendumkehr erreicht werden soll.

Auch war und ist die Studienfinanzierung für Studierende aufgrund jahrelang ausgebliebener bzw. nicht ausreichender Anpassungen kaum noch planbar. Die Erhöhung der Elternfreibeträge und der Bedarfssätze fiel nach 6 Jahren Stillstand zum Herbst 2016 viel zu gering aus, folgerichtig ging die Zahl der BAföG-geförderten Studierenden entgegen den ursprünglichen Annahmen der Bundesregierung weiterhin zurück.

Die 79. ordentliche Mitgliederversammlung des Deutschen Studentenwerks (DSW) fordert die Bundesregierung daher auf,

  • das BAföG als grundlegendes – und ausschließlich einen individuellen Rechtsanspruch begründendes – Studienfinanzierungsinstrument bereits zum Sommersemester 2019 anzupassen sowie darüber hinaus zu dynamisieren und dazu
  • die BAföG-Elternfreibeträge spürbar zu erhöhen und mittelfristig dem angemessenen Eigenbedarf von 2.340 € nach den Unterhaltstabellen anzugleichen,
  • den BAföG-Bedarfssatz anzuheben, zum einen auf das sächliche Existenzminimum zzgl. 20 % für die Ausbildung, folglich 916,80 € ab 2019 bzw. 940,80 € ab 2020 und zum anderen über einen bedarfsdeckenden BAföG-Krankenversicherungszuschlag für über 30-jährige zzgl. bisher nicht berücksichtigter Kosten vor Studienbeginn,
  • die regelmäßige und verbindliche Anpassung der BAföG-Parameter an die Einkommens- und Preisentwicklung entsprechend der BAföG-Berichte der Bundesregierung gesetzlich zu verankern, damit die Studienfinanzierung wieder planbar wird.
  • zum Wintersemester 2019/2020 den Kreis der Förderberechtigten wieder dauerhaft zu erhöhen und dazu 
  • die Förderungsfähigkeit neuer Studienmöglichkeiten wie Teilzeitstudien oder Studium in unterschiedlichen Geschwindigkeiten zu sichern,
  • entsprechend dem Vorschlag des Wissenschaftsrats zur zukünftigen Finanzierung der Hochschulen die Förderungsdauer über die Regelstudienzeit zu verlängern
  • die Altersgrenzen abzuschaffen.
  • die Antragsstellung zu vereinfachen und dazu vor allem
  • das Gesetz bzw. die Vorschriften zu vereinfachen
  • die Digitalisierung nutzen und endlich bundeseinheitlich einen medienbruchfreien e-Antrag, eine Bearbeitungssoftware inkl. e-Akte und Bescheid zu realisieren.
  • möglichen Verschuldungsängsten durch eine erweiterte Aufklärung vor allem an Schulen zu begegnen.

Begründung

Sofern nicht umgehend gegengesteuert wird, setzt sich der seit 6 Jahren zu verzeichnende Rückgang der BAföG-Geförderten bis zur Novellierung weiterhin fort. Die angekündigte Trendumkehr muss daher so schnell wie möglich, bereits zum Sommersemester eingeleitet werden, wie bereits in der ersten Haushaltsdebatte im Deutschen Bundestag als Prüfauftrag angeregt wurde (13.9.2018). Erforderlich sind signifikante Erhöhungen der Bedarfssätze und Einkommensfreibeträge, die über die in den Eckpunkten vorgeschlagenen zwei Stufen weit hinausgehen; zusätzlich sind die Anhebungen nun endlich zu verstetigen. Zudem müssen die Freibeträge an das Unterhaltsrecht sowie an das sächliche Existenzminimum zzgl. des Ausbildungsbedarfs* angeglichen werden, damit endlich wieder langfristige Finanzierungssicherheit gegeben ist. Auch sollten bisher nicht berücksichtigte Kosten vor Studienbeginn (vor allem Bewerbung vor Ort, Überweisung Semesterbeitrag - teilweise über 400 € vor Immatrikulation) übernommen werden.

Allein in der Dekade von 2006 bis 2016 ist die Quote der potenziell BAföG-förderungsfähigen und insoweit potenziell Antragsberechtigten Studierenden von 70,5 % auf 63,1 % gesunken. Die Zahl der Studierenden ist im Zeitraum von 2006 bis 2017 um 869.000 (knapp 44 %), die Zahl der geförderten Studierenden absolut jedoch nur lediglich um 58.000 (knapp 12%) bzw. im Monatsdurchschnitt um 22.000 (knapp 11%) gestiegen. Dies weist auf eine Entkopplung von Studienfinanzierung und studentischer Lebenswirklichkeit hin. Laut Statistischem Bundesamt erreichen nur noch 37 % den Studienabschluss innerhalb der Regelstudienzeit und damit der BAföG-Förderungshöchstdauer – danach endet die BAföG-Förderung. Weitere Gründe für einen Rückgang der Förderberechtigten finden sich im Fachrichtungswechsel, Migrationshintergrund, Teilzeitstudium, neuen Studienformen, Überschreitung der Altersgrenzen etc. So ist etwa die Überschreitung der Regelstudienzeit nicht allein den Studierenden zuzurechnen, vielmehr ist dies u.a. hochschulorganisatorisch bedingt. Auch der Wissenschaftsrat hat dieses Problem mit seinem Positionspapier ‚Hochschulbildung im Anschluss an den Hochschulpakt 2020‘ umrissen und für die künftige Finanzierung der Studienplätze im Rahmen der Hochschulpakte einen Finanzierungszeitraum von Regelstudienzeit zzgl. einem Semester gefordert. Dies ist analog auf die Förderung nach dem BAföG anzuwenden, solange die Studiengänge nicht in der Regelstudienzeit studierbar sind. Darüber hinaus muss das Ausbildungsförderungsrecht der hochschulischen Realität (veränderte Studienmöglichkeiten) folgen.

Die Antragstellung muss ebenfalls vereinfacht werden, dazu muss das BAföG einfacher und transparenter, die Zahl der Voraussetzungen mit höchstem Detaillierungsgrad deutlich reduziert sowie sprachlich einfacher als im Amtsdeutsch gefasst werden. Ebenso muss die Verwaltungsvereinfachung durch die Nutzung der Digitalisierung unterstützt werden, über bundeseinheitliche e-Anträge, Fachanwendungen mit e-Akte (bei Hochschulwechsel Versand von Dateien statt Papierakten) und allgemein verständliche Bescheide.

Der Bund muss sich bei den Ländern dafür einsetzen, dass sie jetzt – da sie nur noch die Verwaltung finanzieren – eine gute Personal- und Sachausstattung der BAföG-Ämter gewährleisten. Es gibt gestiegene Informationsbedürfnisse – und für Bearbeitungszeiten oberhalb von sechs Wochen kein Verständnis.

Letztlich hat sich herausgestellt, dass die Informationen über das BAföG als grundlegendes Studienfinanzierungsinstrument insbesondere unter potenziell studieninteressierten Schüler/innen oft nur unzureichend sind. Um dem abzuhelfen bedarf es erheblich verstärkter Aktivitäten des Bundes, über die Fördermöglichkeiten aufzuklären und v.a. mit Verweis auf die Kalkulierbarkeit und Transparenz des Darlehensanteils möglichen Verschuldungsängsten zu begegnen.

 

 

 

*Das Lebensnotwendige, das sog. sächliche Existenzminimum muss als Steuergrundfreibetrag von der Besteuerung ausgenommen werden, um dem Grundgesetz zu genügen. Das sächliche Existenzminimum gilt für alle alleinlebenden Erwachsenen. http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/19/054/1905400.pdf Der Grundsteuerfreibetrag beträgt 2019  9.168 € p.a. und 2020  9.408 € p.a. http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/19/047/1904723.pdf  Das entspricht 2019  764 €/mtl. bzw. 2020  784 €/mtl. Das sächliche Existenzminimum entspricht dem Grundbedarf plus Unterkunftsbedarf. Da Ausbildungsförderung nach § 11 Abs. 1 BAföG für den Lebensunterhalt und die Ausbildung geleistet wird (Legaldefinition Bedarf), ist der Ausbildungsbedarf hinzuzurechnen. Das Bundessozialgericht (Urteil 17.3.2009 - B 14 AS 63/07/R) setzt – wie Teilziffer 11.3.5 der BAföG-Verwaltungsvorschrift – 20 % der BAföG-Leistung allein für ausbildungsbedingte Kosten an, die hinzuzurechnen seien. Als nächste Instanz zweifelte das BVerfG (Beschluss 7.7.2010 – 1 BvR 2556/09) dies nicht an. 20 % von 764 € sind 152,80 €, von 784 €  156,80 €, so dass sich für 2019 ein Bedarf (ohne Kranken- und Pflegeversicherung) von 916,80 €/mtl. bzw. 2020  940,80 €/mtl. ergibt.