07.12.2023

Beitragssätze für die Kranken- und Pflegeversicherung Studierender reformieren

Die 85. ordentliche Mitgliederversammlung des Deutschen Studierendenwerks (DSW) hat beschlossen:

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Die Bemessung der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge Studierender ist völlig
neu auszuhandeln, denn die derzeitige Bemessung orientiert sich an Fiktionen und wird
der Diversität der Studierendenschaft nicht gerecht. Die Beiträge sind aber auch
insgesamt in der monatlichen Belastung für studentische Budgets zu hoch.

Begründung:

Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge müssen für Studierende bezahlbar sein. Die
Bemessung der Krankenversicherungsbeiträge für Studierende stammt aus einer Zeit in
der eine Ausbildung ausschließlich direkt nach dem Erwerb der Hochschulreife
betrieben wurde, d.h. viele Studierende unter 25 Jahre alt waren. Heute ist die
Studierendenschaft divers, d.h. eine Fokussierung auf Anfang Zwanzigjährige ist zwar
häufig, aber nimmt immer weiter ab. Das Ziel der Bildungsdurchlässigkeit führt zu
älteren Studierenden. Auch nach Familienphasen wird die berufliche Attraktivität
durch andere Studienausrichtungen (21.000 Studiengänge) gesteigert. Die Zeiten, in
denen eine einzige Ausbildung für ein ganzes Erwerbsleben ausreichte, sind längst
vorbei. Auch die Halbwertszeit des Wissens, Internationalisierung und Transformation
erzwingen, dass es Updates zu Ausbildung und grundständigem Studium gibt.

Die Regelungen der Familienversicherung in der gesetzlichen Krankenkasse wurden durch
die Einführung von Minijobs (geringfügige Beschäftigungen) angepasst. Hinsichtlich
der Altersgrenze blieb diese auf unter 25-jährige beschränkt. Während der
Familienversicherung fallen für die Studierenden keine eigenen zur
Krankenversicherung an, bei der Pflegeversicherung schon, denn sie betrifft auch
kinderlose Studierende ab 23 Jahre.

Zwischen 25 und 29 Jahren werden für Studierende an eigenen Beiträgen zur Kranken-
und Pflegeversicherung derzeit (2023) um 125 €/mtl. fällig (unter der antiquierten
Bezeichnung „Krankenversicherung der Studenten (KVdS)“ aus dem Jahr 1975). Dies
summiert sich pro Jahr auf 1.500 €.

Bei den 11 % BAföG-geförderten Studierenden wird ein BAföG-Kranken- und
Pflegeversicherungszuschlag gezahlt, der in etwa die Kosten deckt. Die Deckung hängt
davon ab, ob das BAföG novelliert wird – oder nicht. Auch bei der Anhebung der
Pflegeversicherungsbeiträge zum 1.7.2023 blieb mangels BAföG-Novelle der BAföG-
Zuschlag gleich, was zur Folge hatte, dass der Fehlbetrag aus dem ohnehin zu knappen
BAföG-Grundbedarf bestritten werden muss. Hier bedarf es einer dynamischen
Anpassungsregel.

Bei den 89 % Nicht-BAföG-Empfänger*innen wird der Kranken- und
Pflegeversicherungsbeitrag an dem BAföG-Bedarf bemessen. Es wird also fingiert, als
habe jede*r Studierende diesen Betrag zur Verfügung.

Für alle die kein BAföG und keine Elternunterstützung erhalten, sind die 1.500 € p.a.
eine große Hürde bei Studienaufnahme und Studium. Die Beiträge zur
„Krankenversicherung für Studenten“ haben sich von 2005 bis 2020² bei der
gesetzlichen Krankenversicherung von 47 auf 84 €/mtl. fast verdoppelt, in der
gesetzlichen Pflegeversicherung von 8 € auf 25 €/mtl. mehr als verdreifacht. Ab dem
30. Geburtstag steht eine freiwillige Versicherung in der Kranken- und
Pflegeversicherungsbeitrag an, mit Beitragssätzen von derzeit um 222 €/mtl., mithin
nochmal um 100 €/mtl. gegenüber dem vorigen Beitrag mehr und 2.664 € p.a. Als
Bemessungsgrundlage dienen nunmehr unterstellte 1.131,67 €/mtl.

Der Sprung zum 30. Geburtstag (von einem Tag auf den anderen) um 100 € monatlich
höhere Beiträge ist (zu) hoch – insbesondere, wenn etwa 37 % der Studierenden weniger
als 860 € zur Verfügung haben (siehe 22. Sozialerhebung 2021). Der Ausgleich erfolgt
allzu häufig durch vermehrte Erwerbstätigkeit, dies belastet nicht nur das aktuelle
Zeitbudget der Ü30-jährigen Studierenden, sondern zieht auch die
Studienzeitverzögerungen, eine Unvereinbarkeit mit – in höherem Alter häufigeren –
Care-Tätigkeiten und eine höhere Studienabbruchwahrscheinlichkeit nach sich.

Wenn einerseits mit dem 27. BAföGÄndG 2022 die BAföG-Altersgrenze von 30 bzw. 35 auf
45 Jahre hochgesetzt wurde, zeigt das doch, dass ein gesellschaftliches Interesse
nicht nur an U25-Studierenden gibt. Wer Ü30 BAföG erhält, erhält zwar den höheren
KV/PV-Zuschlag (§ 13a Abs. 2 BAföG). Aber nur 11 % der Studierenden erhält überhaupt
BAföG.

Unterstellte Einkommen von Ü30-jährigen Studierenden führen dazu, dass
Geringverdiener*innen unter ihnen finanziell überfordert sind.