Zukunft der Studentenwerke

Autonomie zum Wohle der Studierenden

Begrüßung, Einführung in die Themenstellung

des Präsidenten des Deutschen Studentenwerks, Prof. Dr. Dieter Timmermann (Es gilt das gesprochene Wort!):

Sehr geehrte Frau Ministerin, meine Damen und Herren Landtagsabgeordnete, sehr geehrter Herr Siegesmund, sehr geehrter Herr Meurer, Herr Abgeordneter Bell, sehr verehrte Mitvortragende und Mitdiskutierende, lieber Kollege Bräunig, sehr geehrte Mitglieder der Verwaltungsräte der Studentenwerke NRW, liebe Studierende, sehr geehrte Damen und Herren von Hochschulen und  Studentenwerken aus NRW und dem gesamten Bundesgebiet, geschätzte Vertreterinnen und Vertreter der Medien, meine Herren Lüken und Remmel, lieber Herr Professor Rinkens, liebe Kollegen aus der Geschäftsstelle des Deutschen Studentenwerks, meine Damen und Herren!

Im Namen des Deutschen Studentenwerks begrüße ich Sie ebenfalls ganz herzlich. Ich freue mich, dass Sie hier in Bochum dabei sind!

Wir als Deutsches Studentenwerk freuen uns, gemeinsam mit der Arbeitsgemeinschaft der Studentenwerke NRW dieses Symposium zur Zukunft  der Studentenwerke veranstalten zu dürfen.

Es ist sicher kein Zufall, dass wir uns zum Thema „Zukunft“ in NRW treffen.

Wir wollen in dem Bundesland, das sich ein „Hochschulzukunftsgesetz“ geben will, in die Zukunft blicken.

Wir wollen Positionen austauschen und diskutieren, wir wollen Modelle entwickeln für den künftigen gesetzlichen Rahmen für die Studentenwerke. Wir wollen, wie es sich für ein Symposium gehört, miteinander reden, debattieren, und wenn es sein muss auch streiten.

Wir tun dies aus verschiedenen Perspektiven, aus verschiedenen institutionellen Perspektiven, und sicher auch aus verschiedenen persönlichen Perspektiven.

Die Perspektive des Deutschen Studentenwerks, des Verbands aller Studentenwerke, ist klar:

Wir wollen die Zukunft der Studentenwerke aktiv gestalten.

Wir wollen auch in Zukunft starke, leistungsfähige, im Rahmen ihrer Selbstverwaltung flexibel agierende Studentenwerke – überregional unterstützt und vertreten vom Deutschen Studentenwerk.

Die Studentenwerke sind mehr als 90 Jahre alt. Sie sind zunächst aus der wirtschaftlichen Not der Studierenden entstanden, gegründet von Studierenden und Lehrenden. und in den mehr als neun Jahrzehnten haben sie sich zu modernen Dienstleistungsunternehmen der Bedarfswirtschaft für Studierende und Hochschulen gewandelt.

Und spätestens, seit die Studentenwerke mit Einführung des BAföG im Jahr 1971 Anstalten des öffentlichen Rechts geworden sind, befinden sie sich in einer Art Dauerspannung zwischen subsidiärer öffentlicher Auftragserfüllung und unternehmerischer Verfasstheit im Inneren, zwischen Ansprüchen von Studierenden, Hochschulen und weiteren Anspruchsgruppen wie etwa den Städten.

Die für mich entscheidenden Zukunfts-Fragen sind deshalb:

  • Welchen gesetzlichen Rahmen benötigen die Studentenwerke, um ihren öffentlichen Auftrag auch künftig optimal erfüllen zu können?
  • Wie weit kann und soll das Aufgabenspektrum der Studentenwerke künftig ausgeweitet werden?
  • Wie können die Studentenwerke finanzielle Planungssicherheit seitens der Länder trotz möglicher fiskalischer Zwänge erhalten, um ihren gesetzlich definierten Auftrag erfüllen zu können?
  • Welche Entwicklungsmöglichkeiten gibt es für das bewährte, erfolgreiche „Modell Studentenwerk“, die wir uns heute vielleicht noch gar nicht vorstellen können?
  • Und, last but not least: Welchen gesellschaftlichen, welchen politischen Nutzen können die Studentenwerke mit ihrer Kompetenz, mit ihrem unglaublichen Erfahrungsschatz noch zusätzlich stiften? Für die Stadtgesellschaft, für den Wissenschaftsstandort, für unser Land?

Ich sage das aus Überzeugung: Die Studentenwerke sind eine großartige Erfindung; was sie alles können, kannst sonst, in der Gesamtheit aller Leistungen, sonst niemand.

Meine Damen und Herren, drei Themen will ich herausstreichen.

  1. Autonomie

Die Studentenwerke – noch heißen sie ja so in Nordrhein-Westfalen - haben im Vergleich zu allen anderen Bundesländern in NRW die größte, weitgehendste Autonomie. Und das ist gut so!

Der hohe Autonomiegrad der Studentenwerke NRW lässt sich an mehreren Indikatoren festmachen:

  • am Grad der Rechtsaufsicht, zum Beispiel Genehmigung, Vorlage, oder nur Anzeige der Wirtschaftspläne ans Landes-Wissenschaftsministerium
  • Aufgaben und Kompetenzen der Organe, vor allem des Verwaltungsrats
  • Festlegungsverfahren bei den Semesterbeiträgen der Studierenden
  • die Möglichkeit von Unternehmensgründungen oder -beteiligungen

Ich betone: Das ist keine Autonomie zum Selbstzweck. Das ist Autonomie zum Satzungszweck. Autonomie zum Wohle von Studierenden, Hochschulen, Städten, ja Regionen.

Die mit dem Studentenwerksgesetz 1994 vollzogene Umwandlung – ich zitiere –  von der „Behörde Studentenwerk“ zum „Dienstleitungsunternehmen Studentenwerk“ hat sich bewährt. Die Studentenwerke haben damals viele Freiheiten erhalten und diese sehr gut genutzt.

Und ich zitiere weiter: „Die Gesetzesnovelle ist den Studentenwerken (damals) übrigens nicht von oben verordnet worden. Im Gegenteil: sie (war) Resultat einer intensiven Diskussion mit allen Betroffenen.“ Nur zur Klarstellung: beide Zitate entstammen dem Vorwort der damaligen Ministerin für Wissenschaft und Forschung des Landes NRW, Anke Brunn, zur Broschüre: Wie geht’s? Gebrauchsanweisung zum neuen Studentenwerksgesetz.

Wir können uns gerne über neue, andere, bessere staatliche Steuerungsmodelle unterhalten, sollten dies aber nicht losgelöst von einer Diskussion über Erreichung oder Nichterreichung der damals formulierten Ziele tun.

Daran müssen sich neue Modelle orientieren, und sie müssen auch auf die Wirklichkeit und den gesetzlichen sozialen Auftrag der Studentenwerke abzielen. Wer ein anderes, das heißt im Fall NRW ein stärker staatlich gesteuertes Governancesystem in die Hochschulen und Studentenwerke einführen will, muss zuvor überzeugend darlegen, dass und worin das bestehende Governancesystem versagt hat bzw. versagt haben soll. Das würde ich für die Studentenwerke NRW schon sehr gerne einmal erfahren, sehr geehrte Frau Ministerin.

Und bitte bedenken Sie: Der Staat – also auch NRW  – hat sich seit mehr als zwei Jahrzehnten massiv aus der Finanzierung der Studentenwerke zurückgezogen. Im Durchschnitt tragen die Länder gerade mal noch 10% zu den Einnahmen der Studentenwerke bei. In NRW sind es 12%. 1991 waren es noch 20,5%.

Diesen wirtschaftlich nicht zu unterschätzenden Rückzug des Staates konnten die Studentenwerke nur durch ihr wirtschaftliches und unternehmerisches Handeln auffangen.

Damit die Studentenwerke diese erwiesene, ihre belegte unternehmerische Effektivität auch künftig voll ausspielen können, muss der zugrundeliegende gesetzliche Rahmen auch entsprechend aussehen!

Oder wie soll das zusammen gehen, 10% staatlicher Finanzierungsanteil, aber 100% staatliche Kontrolle?

  1. im Kontext der Autonomie: Verantwortung, Subsidiarität

Studentenwerke sind ein Konstrukt mit vielen Stärken, und mit einigen Eigenheiten. Gemeinnützige Anstalten des öffentlichen Rechts, mit einem gesetzlichen sozialen Auftrag, mit einer Selbstverwaltung durch Studierende, Hochschulvertreter und weitere Personen, Unternehmen der Bedarfswirtschaft, die Studierende an allen, auch kleinen Hochschulstandorten versorgen müssen.

Mit ihrer Spezifik passen Studentenwerke in keine Schablonen, auch nicht in gesetzgeberische Schablonen.

Wichtig ist: Die Studentenwerke müssen, um ihren gesetzlichen Sozialauftrag erfüllen zu können, auch die Verantwortung für ihr Tun übernehmen können. Im Rahmen der Rechtsaufsicht sollen die Länder überwachen,  aber Rechtsaufsicht heißt Rechtsaufsicht. Die Zeiten der ministeriellen Fachaufsicht sind zum Glück vorbei.

Die den Organen der Studentenwerke bislang übertragenen Kompetenzen entsprechen dem Prinzip Selbstverwaltung, das ist echte Subsidiarität. Studierende, Hochschulen, Beschäftigte sind in den Organen vertreten, sie entscheiden mit, sie tragen ihre Verantwortung mit.

  1. Vertrauen

Wer Selbstverwaltung beim Wort und ernst nimmt, muss die Verantwortungsträger und -trägerinnen auch entscheiden lassen, muss sie auch arbeiten lassen. Das geht nur mit Vertrauen.

Ich weiß, das ist ein diffuser, ein schwieriger Begriff, der sich auch nur bedingt in Gesetzestext gießen lässt.

Aber wenn ich als Staat Aufgaben und Kompetenzen, wenn ich als Staat Entscheidungen an Organe der Selbstverwaltung delegiere, dann ist das nichts anderes als ein Vertrauensvorschuss. Ein Vertrauen, das die Studentenwerke in NRW, und auch die Studentenwerke in ganz Deutschland, seit vielen Jahrzehnten nicht enttäuscht haben.

Meine Damen und Herren, so viel zur Einstimmung von uns, vom Deutschen Studentenwerke. Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

13.05.2014