Aus Sicht der Studenten- und Studierendenwerke ziehe ich drei Erkenntnisse aus der Überbrückungshilfe:
- Erstens: Wir konnten Studierenden in ihrer pandemiebedingten Notlage helfen
Bis gestern sind bei den Studenten- und Studierendenwerken mehr als 233.000 Anträge eingegangen.
Über 95% dieser Anträge haben die Studenten- und Studierendenwerke bereits bearbeitet.
63% der Anträge konnte positiv entsprochen werden. In 30% der Fälle ging die Förderung an ausländische Studierende.
Es fließen insgesamt mehr als 60 Millionen Euro Überbrückungshilfe.
Ablehnen mussten die Studentenwerke, Stand heute, nur ein gutes Drittel, 36% der Anträge; bei einem 1% laufen derzeit noch Nachfragen.
Diese Zahlen zeigen: Bei denjenigen Studierenden, die pandemiebedingt in eine finanzielle Notlage geraten sind, ist die Überbrückungshilfe angekommen.
Man darf diese Maßnahme des BMBF nicht isoliert sehen; sie hatte nie den Anspruch, eine reguläre Studienfinanzierung zu ersetzen.
Das sagt schon ihr Name: Überbrückungs-Hilfe.
- zweite Erkenntnis: Die Studenten- und Studierendenwerke haben ihre Leistungsfähigkeit und Flexibilität unter Beweis gestellt.
Die Studenten- und Studierendenwerke haben geschlossen und engagiert gehandelt – zum Wohl der Studierenden, wie es auch Auftrag der Studentenwerke ist.
Insgesamt sind 1.300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit der Überbrückungshilfe betraut. Diese Teams – vor Ort teilweise bis zu 80 Köpfe stark – mussten sich inhaltlich einarbeiten, ein neues Online-System bedienen lernen, und über Monate hinweg mehrere Tausend Anträge bearbeiten.
Das war ein immenser Kraftakt.
Wir standen unter hohem Zeit- und Erwartungsdruck!
Wir hatten gerade einmal fünf Wochen Zeit, ein bundesweit zugängliches Online-System mit einheitlichen Förderkriterien aufzusetzen – ohne Testphase, ohne die einem solchen IT-Großprojekt üblichen Vorläufe.
Um sowohl für die Studierenden selbst als auch die Beschäftigten der Studentenwerke den Infektionsschutz zu gewähren, haben wir auf eine reine Online-Lösung gesetzt.
Wir haben dank hoher Sicherheits-Standards Missbrauch so gut wie ausschließen können.
Und es mussten und konnten noch im laufenden Betrieb technisch nachgebessert werden. Um ein Bild zu benutzen: Unser Formel-1-Rennstall war fit!
Wir haben ein Online-System in Rekordzeit aus dem Boden gestampft, es hat funktioniert und hat sich bewährt.
Wir haben in wenigen Wochen etwas entwickelt, was zum Beispiel beim BAföG so noch nicht gibt: ein bundesweit einheitliches, reines Online-Antragssystem…
- dritte Erkenntnis: Wir konnten leider nicht allen Studierenden helfen.
Das ist die bitterste Erkenntnis.
Die Studentenwerke haben bei den Studierenden viel nachgefragt, bei den negativen Entscheidungen vorher in sogar über der Hälfte der Fälle.
Eine Reihe von Antragstellern hat die Möglichkeit, Sachverhalte aufzuklären, leider nicht genutzt und oft gar nicht reagiert.
Und leider gilt bei mehr als der Hälfte der abgelehnten Anträge: Ablehnung, obwohl die Studierenden in einer Notlage sind – diese aber eben nicht pandemiebedingt ist.
Diese Studierenden sind in einer Notlage, aber nicht, weil sie wegen der Pandemie ihren Nebenjob verloren haben, als Selbständige wegen der Pandemie weniger einnehmen oder wegen der Pandemie von ihren Eltern nicht mehr unterstützt werden.
Diese Studierenden sind in einer dauerhaft prekären Notlage.
Kurz: Es gibt eine strukturelle Armut unter den Studierenden, die schon vor der Pandemie virulent war.
An ihnen musste die Überbrückungshilfe notwendigerweise vorbeigehen; diesen Studierenden konnten wir nicht helfen.
Für sie brauchen wir dringend eine strukturelle Reform der Studienfinanzierung.
Mein Fazit:
- Die Überbrückungshilfe kam an; sie hat funktioniert, sie hat geholfen, leider nicht allen.
- Als in Rekordzeit aufgelegte Maßnahme mitten in einer Pandemie hat sie ihren Zweck erfüllt.
- Die Studenten- und Studierendenwerke haben in der kurzen Zeit Großes geleistet; sie waren die Richtigen für die Aufgabe.
- Wir brauchen einen generellen Notfallmechanismus bei der Studienfinanzierung und dürfen uns daher nicht ausruhen; die Pandemie bedrängt die Studierenden weiter.