Studienfinanzierung

Statements zur FiBS-Studie

Porträtbild von Dieter Dohmen Dr. Dieter Dohmen, Direktor des FiBS – Forschungsinstitut für Bildungs- und Sozialökonomie

„Seit der Einführung des BAföG im Jahr 1971 wurde immer wieder die Forderung erhoben, die Festlegung der BAföG-Förderungssätze auf Basis einer empirisch fundierten Bedarfsanalyse vorzunehmen. Dies tut die vorliegende Studie und betritt methodisch Neuland, die die Lebenshaltungskosten von Studierenden aus drei Quellen miteinander in Relation setzt: die Daten der 20. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks, die Einkommens- und Verbrauchsstatistik (EVS) des Statistischen Bundesamtes sowie das Sozio-Oekonomische Panel (SOEP).

Die Ergebnisse zeigen, dass Studierende durchweg deutlich höhere Ausgaben haben, als bisher angenommen. Die Ausgaben steigen einerseits mit dem Alter deutlich an und hängen andererseits von der Wohnform ab. Wer alleine wohnt, hat deutlich höhere Kosten als jemand, der mit anderen zusammen oder im Wohnheim wohnt. Bei Studierenden mit Kind verschärft sich die finanzielle Situation.

Mich persönlich überrascht, dass ein relativ großer Teil der Studierenden mit sehr niedrigen Einnahmen zurechtkommen muss. Hier dürfte vielfach von verdeckter Armut auszugehen sein, die häufig mit einer unzureichenden und unausgewogenen Ernährung einhergeht, da offenkundig gerade daran gespart werden muss. In solchen Fällen stellt sich auch die Frage, ob diese Studierenden aus rechtlichen Gründen keinen Anspruch auf BAföG haben oder auf die Förderung freiwillig verzichten.

Die Sozialerhebung erweist sich dabei als eine wichtige Datenquelle. EVS und SOEP zeigen aber, dass das Bild noch unvollständig ist und die Sozialerhebung zukünftig weitere Ausgabenpositionen berücksichtigen sollte. Auch sollten möglichst mehr Studierenden daran teilnehmen.“

 

Porträtbild von Dieter TimmermannProf. Dr. Dieter Timmermann, Präsident des Deutschen Studentenwerks

„Das Bundesverfassungsgericht hat dem Gesetzgeber bei der Bedarfsermittlung der Sozialleistungen im Sozialgesetzbuch II vorgegeben, den Bedarf empirisch zu ermitteln und dazu alle existenznotwendigen Aufwendungen transparent, sach- und realitätsgerecht auf der Grundlage verlässlicher Zahlen und schlüssiger Berechnungsverfahren zu bemessen. Dies gilt auch für die BAföG-Bedarfssätze.

Wir legen für deren Berechnung eine Grundlage vor, die die bisherigen politisch-normativen Setzungen ersetzen sollte. Eine neue Bundes­regierung muss nun den studentischen Bedarf auf der Grundlage aktueller Daten, zum Beispiel eben die EVS oder die 21. Sozialerhebung,  festsetzen und umgehend eine BAföG-Erhöhung auf den Weg bringen, die die heute aufgezeigten Förderlücken schließt.

Wir stehen mit unserer Kritik an normativ-politischen Bedarfssetzungen nicht alleine. Sowohl der Paritätische Wohlfahrtsverband als auch die Diakonie fordern in vergleichbaren Berechnungen für den Sozialleistungs­bedarf eine Erhöhung des Regelsatzes für Erwachsene von derzeit 409 Euro auf 520 beziehungsweise 560,23 Euro. Im Übrigen zeigt die Bundesregierung aktuell selbst die Unterdeckung für Erwachsene auf: Im Vergleich der Bedarfe von SGB II, BAföG, Düsseldorfer Tabelle und Existenzminimumbericht der Bundesregierung müssten der Grundbedarf von derzeit 399 Euro um bis zu 36 Euro und der Wohnbedarf von derzeit 250 Euro um bis zu 76 Euro steigen. Und das BAföG muss der Lebenswirklichkeit einer immer heterogeneren Studierendenschaft gerecht werden.“

 

Porträtbild von Fritz BergerFritz Berger, Geschäftsführer des Hochschul-Sozialwerks Wuppertal,  Vorsitzender des DSW-Fachausschusses Studienfinanzierung

„Weder der bis in die späten 1980er-Jahre vom Deutschen Studentenwerk fortgeschriebene ‚Studentische Warenkorb‘  noch die Sozialerhebung  allein noch die Orientierung an der Inflationsrate konnte in der bisherigen Geschichte des BAföG im Zweifel das staatliche Argument entkräften, die Bedarfsermittlung beruhe nicht auf empirisch unanfechtbarer Grundlage.

Mit der nun vorgelegten Ermittlung der Lebenshaltungskosten  auf der Basis spezifischer Daten des Statistischen Bundesamtes  werden die Forderungen des Deutschen Studentenwerks zur Höhe des BAföG auf eine methodisch neue, valide Grundlage  gestellt, die von keiner Bundesregierung, welcher Couleur auch immer, mehr grundsätzlich in Frage gestellt werden kann.

Ich sehe darin die Verpflichtung, aber auch die Legitimation für jede künftige Bundesregierung, beim BAföG aktiv gesetzgeberisch tätig zu werden, um die Förderung regelmäßig und auskömmlich anzupassen. Gleichzeitig wird gegenüber haushälterisch sparsam denkenden Finanzministern die Notwendigkeit aufgezeigt, dass das BAföG in Konkurrenz zu anderen, vielleicht eher wünschenswerten staatlichen Ausgaben, Vorrang haben muss.

Insbesondere unsere Forderung, das BAföG zu verstetigen, damit keine Studentengeneration abgehängt wird, erhält eine neue,  von der Politik künftig  zu respektierende Grundlage.“

 

Porträtbild von Achim Meyer auf der HeydeAchim Meyer auf der Heyde, Generalsekretär des Deutschen Studentenwerks

„Die Studie zeigt zum einen, dass die Ausgaben von einkommensschwachen Studierenden deutlich unterhalb des BAföG und ALGII-Satzes liegen. Hier kann man von verdeckter Armut sprechen. Wir fragen uns, ob diese Studierenden keinen BAföG-Anspruch haben oder – unter anderem aufgrund des Darlehensanteils – auf die Inanspruchnahme von BAföG  verzichten. Im letzteren Fall können wir Studierenden zur Verbesserung ihrer finanziellen Situation nur dringend empfehlen, BAföG-Anträge zu stellen, zumal erst fünf Jahre nach Förderende maximal nur 10.000 Euro in kleinen Raten zurückzuzahlen sind.

Zum anderen verdeutlicht die Studie die Notwendigkeit der mittelbaren Förderung von Studierenden – zusätzlich zur Individualförderung des BAföG: Die BAföG-Wohnpauschale deckt allenfalls die Mietkosten der Wohnheimbewohner/-innen. Wer höhere Mietkosten hat, spart nach der Studie an Ausgaben für das Essen. Damit wird unsere seit langem erhobene Forderung nach einem flankierenden Hochschulsozialpakt wieder einmal bestätigt: Bund und Länder müssen dringend in Ausbau und Sanierung von Wohnheimen investieren, um die Wohnkosten für Studierende zu senken bzw. auf bezahlbarem Niveau zu halten.“

31.05.2017