SGB II + SGB XII + SGB IX: eigenes Vermögen - eigenes Einkommen - eigene Arbeitskraft

Es gilt die Verpflichtung zur Selbsthilfe - egal, welche Sozialleistungen Menschen mit Beeinträchtigungen beziehen. Einkommen und Vermögen müssen aber nicht komplett eingesetzt werden. Unterschiede gibt es insbesondere bei der Beantragung von Leistungen zum Lebensunterhalt einerseits und beeinträchtigungsbezogenen Zusatzleistungen andererseits.

Mit dem Nachranggrundsatz, der für die Sozialhilfe (SGB XII) wie für das Bürgergeld/die Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II) und auch für die Eingliederungshilfe nach SGB IX gilt, hängt es zusammen, dass Sozialleistungen nicht beansprucht werden können, wenn Selbsthilfe durch Einsatz des eigenen Vermögens oder des Einkommens möglich ist (§ 9 SGB II/§ 2 SGB XII/ § 91 SGB IX) oder Angehörige bzw. andere Leistungsträger vorrangig zur Unterstützung verpflichtet sind. Das gilt auch für den Fall, dass man Ansprüche auf ergänzende nicht-ausbildungsgeprägte, beeinträchtigungsbedingt erforderliche Leistungen zum Lebensunterhalt nach SGB II bzw. SGB XII geltend machen will.

„Schonvermögen“ (§ 12 SGB II/§ 90 SGB XII/ §§ 139, 140 SGB IX) - Einsatz des eigenen Vermögens bei Bezug von Leistungen nach SGB II, SGB XII und SGB IX

Grundsätzlich ist verwertbares Vermögen zu veräußern, bevor Sozialleistungen nach SGB II, SGB XII oder SGB IX verlangt werden können. Allerdings braucht nicht das gesamte Vermögen eingesetzt zu werden, sondern es gibt bestimmte Vermögensteile, das sogenannte „Schonvermögen“, das von der Verwertungspflicht ausgenommen ist. Die Regelungen dazu sind im SGB II, SGB XII und SGB IX ähnlich, aber nicht gleich.

Von der Verwertung ausgenommen:

Von der Verwertung ausgenommen sind insbesondere

  • ein angemessener Hausrat
  • ein angemessenes selbst genutztes Hausgrundstück bzw. eine entsprechende Eigentumswohnung oder
  • ein Vermögen, das der Beschaffung oder Erhaltung eines angemessenen Hausgrundstücks für wesentlich behinderte oder pflegebedürftige Menschen dienen soll und dieser Zweck durch Einsatz des Vermögens ansonsten gefährdet wäre.
  • Außerdem ist im Sozialleistungssystem SGB II und seit 1.1.2023 auch im SGB XII ein angemessenes Kraftfahrzeug von der Anrechnung freigestellt.

Der Einsatz des Vermögens darf nur insofern verlangt werden, wie es dadurch nicht zu einer besonderen Härtefallsituation für den/die Antragsteller*in und deren Angehörige kommt. Die Liste ist nicht abschließend (vgl. § 12 Abs. 1 SGB II, § 90 Abs. 2 SGB XII, § 139 SGB IX).

Daneben gibt es gesetzliche Regelungen dazu, was zusätzlich als Vermögen geschützt bleibt:

Vermögensfreibetrag SGB II (Bürgergeld, früher: ALGII oder Hartz4)

Nutzer*innen von Leistungen zum Lebensunterhalt nach SGB II profitieren nach Einführung des "Bürgergelds" seit 1. Januar 2023 von neuen Regeln zum Schonvermögen (§ 12 SGB II):

  • Karenzzeit für höheres Vermögen bei Erstbeantragung (§ 12 Abs. 3 SGB II): Vermögensfreibetrag im ersten Jahr 40.000 EURO (+15.000 für jede weitere Person in der Bedarfsgemeinschaft), nach einem Jahr: 15.000 EURO (+15.000 für jede weitere Person in der Bedarfsgemeinschaft)
    außerdem in dieser Zeit: keine Prüfung der Angemessenheit einer selbstbewohnten Immobilie, keine Prüfung der Angemessenheit eines Kfz
  • Karenzzeit für höhere Mietkosten bei Erstbeantragung: im ersten Jahr Übernahme der tatsächlich anfallenden Mietkosten, erst nach einem Jahr wird die Angemessenheit geprüft
    aber: keine Karenzzeit für erhöhte Heizkosten; Übernahme von Anfang an nur in "angemessener" Höhe 
  • FAQ des BMAS zum Bürgergeld

Wichtig: Sonderregelungen bei Bezug von Darlehensleistungen nach SGB II
Für Bezieher und Bezieherinnen von Darlehensleistungen nach SGB II gelten verschärfte Verwertungsregeln. Das gilt auch für Studierende, die in Härtefallsituationen Darlehensleistungen nach § 27 Abs. 3 SGB II geltend machen wollen (bzw. müssen). Die oben beschriebenen Vermögensfreigrenzen gelten für Darlehensnehmer*innen nicht. Verwertbares Vermögen ist einzusetzen. Denn alle Darlehen werden gemäß § 42a Abs. 1 S. 1 SGB II nur erbracht, wenn ein Bedarf weder durch Vermögen nach § 12 Abs. 2 und 4 Satz 1 SGB II noch auf andere Weise gedeckt werden kann.

Vermögensfreibetrag SGB XII (Sozialhilfe)

Auch Bezieher*innen von Leistungen nach dem SGB XII profitieren von den Neuregelungen des Bürgergelds, weil parallel zum SGB II Änderungen im SGB XII vorgenommen wurden.

  • Bei Leistungen nach dem SGB XII (z.B. Hilfe zur Pflege oder Hilfe zum Lebensunterhalt) liegt die Schonvermögensgrenze nun bei 10.000 EURO + 10.000 EURO für Ehe- bzw. Lebenspartner*in (vgl. § 1 Durchführungsverordnung zu § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII).
  • Wie im SGB II gilt für Erstbezieher*innen eine Karenzzeit von einem Jahr, in dem die tatsächlichen Kosten für die Unterkunft ohne Angemessenheitsprüfung übernommen werden (§ 35 Abs. 1 SGB XII). Die Karenzzeit bezieht sich NICHT auf dei Heizkosten, die von Anfang an nur in "angemessener" Höhe finanziert werden.
  • Die Angemessenheit der Unterkunft ist im Zuständigkeitsbereich des SGB XII in besonderem Maße vom Einzelfall abhängig. Im Interesse der Antragstellenden wird z.B. geprüft, ob bei Bezug von "Hilfe zur Gesundheit" oder "Hilfe zur Pflege" nach SGB XII durch die Verwertung des Vermögens eine angemessene Lebensführung und die Alterssicherung erschwert würden.
  • Außerdem gilt für all jene, die als Studierende sowohl "Hilfe zur Pflege" nach SGB XII wie auch Eingliederungshilfe nach SGB IX beziehen, die höhere Freibetragsgrenze des SGB IX (s.u.) - allerdings nur, wenn nicht gleichzeitig auch noch BAföG bezogen wird. In diesen Fällen ist die Freibetragsgrenze des BAföGs maßgeblich.
  • Informationen der Lebenshilfe

Vermögensfreibetrag SGB IX (Eingliederungshilfe)

Die Grenze des Schonvermögens liegt bei der Eingliederungshilfe deutlich höher als bei der Sozialhilfe, nämlich im Jahr 2023 bei 61.110 € (= 150 % der jährlichen Bezugsgröße).

Vermögensfreibetrag BAföG

Für alle BAföG-Bezieher*innen ist u.U. der BAföG-Vermögensfreibetrag der maßgebliche Grenzwert: Seit August 2022 wird unverheirateten und kinderlosen Studierenden unter 30 Jahren 15.000 Euro Freibetrag gewährt (bei einem Alter über 30: 45.000 EURO). Anders als im Regelbereich von SGB II und SGB XII gehören Kfz zum Vermögen und sind nicht gesondert geschützt.

„Schoneinkommen“ (§§ 11, 11a, 11b SGB II/§§ 82, 83, 84 SGB XII) - Einsatz des eigenen Einkommens bei Bezug unterhaltssichernder Leistungen nach SGB II und SGB XII

Ein Einkommen wirkt sich bei der Prüfung von Sozialleistungsansprüchen auf unterhaltssichernde Maßnahmen grundsätzlich anspruchsmindernd oder anspruchsausschließend aus. Im Bereich der Anrechnung des Einkommens bei der Beantragung von Leistungen zum laufenden Lebensunterhalt entsprechen sich die Anforderungen von SGB II und SGB XII grundsätzlich. Maßgeblich sind §§ 11, 11a und 11b im SGB II und §§ 82-84 im SGB XII.

Wichtig: Davon abweichende Regelungen existieren in Bezug auf die Beantragung von Hilfen nach dem 5. bis 9. Kapitel des SGB XII (z.B. Hilfe zur Pflege) und der Eingliederungshilfe nach SGB IX (s.u. Stichwort: "Einkommensgrenzen").

Einnahmen, die im SGB II und SGB XII nicht als Einkommen gelten

Nicht alle Einnahmen gelten als Einkommen im Sinne des SGB II und SGB XII. Durch die Einführung des Bürgergelds (SGB II) und parallele Änderungen im SGB XII können Studierende von einigen neuen Regelungen zusätzlich profitieren.

  • Entschädigungszahlungen wie Schmerzensgeldzulagen
  • Grundrenten nach dem Bundesversorgungsgesetz
  • Renten und Beihilfen nach dem Bundesentschädigungsgesetz für Gesundheitsgeschädigte bis zur Höhe einer vergleichbaren Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz
  • Öffentlich-rechtliche Leistungen, die ausdrücklich einem anderen Zweck als dem der beantragten Sozialleistungen dienen (§ 11 Absatz 3 SGB II/§ 83 Abs. 1 SGB XII). Dazu zählt z. B. das Blindengeld nach Landesblindengeldgesetzen. Wichtig: Das gilt auch für das BAföG, wenn es um die Beantragung von "nicht-ausbildungsbezogenen Mehrbedarfen" nach § 27 Abs. 2 geht (z.B. wegen kostenaufwändiger Ernährung), weil diese Mehrbedarfe im BAföG NICHT berücksichtigt werden.
  • Zuwendungen der Freien Wohlfahrtspflege, sofern Empfänger*innen dadurch nicht so gestellt werden, dass zusätzliche Sozialleistungen nicht gerechtfertigt werden

NEU: für das Bezugssystem SGB II ab 1. Juli 2023/ für das Bezugssystem SGB XII seit 1. Januar 2023

  • Einnahmen aus Studentenjobs bis zur Minijob-Grenze (derzeit: 520 Euro monatlich); Voraussetzung SGB XII: Studierende sind unter 25 und sind in einem Studiengang, der dem Grunde nach BAföG-förderungsfähig ist (§ 82 Abs.1 Nr.7 SGB XII)
  • Aufwandsentschädigungen für ehrenamtliches Engagement, solange sie den jährlichen Freibetrag von 3.000 EURO nicht überschreiten

Zusätzlich können Einkommen (teilweise) anrechnungsfrei bleiben. Die Absetzbeträge bemessen sich nach § 11b SGB II/ § 82 Abs. 2, 3, 4 SGB XII.

Es ist für Studierende und deren Angehörige nicht immer einfach zu beurteilen, welche öffentlichen Leistungen anrechnungsfrei bleiben. Studierende sollten sich deshalb beraten lassen, beispielsweise bei den Sozialberatungsstellen der Studierendenwerke.

Einkommensgrenzen für Leistungen nach dem 5. – 9. Kapitel SGB XII (§ 85 SGB XII) und der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen nach SGB IX (§§ 136,137 SGB IX)

Bei der Beantragung von „Hilfe zur Gesundheit“ (5. Kap. SGB XII), von „Hilfe zur Pflege“ (7. Kap. SGB XII) und anderer Hilfen nach SGB XII sowie der Eingliederungshilfe für Menschen Behinderung nach SGB IX gelten andere Regeln als bei der Prüfung von Ansprüchen auf unterhaltssichernde Leistungen. In diesen Fällen ist zu prüfen, ob das relevante Einkommen eine festgelegte Einkommensgrenze übersteigt, bis zu der es nicht zumutbar erscheint, dass die Kosten für die beantragten Leistungen selbständig aufgebracht werden können.

Einkommensgrenzen bei der Beantragung von Leistungen nach dem 5.-9. Kapitel SGB XII

Im SGB XII wird das gemeinsame Einkommen von Antragstellenden und ihren Ehegatt*innen/Lebenspartner*innen zugrunde gelegt. Der maßgebliche Betrag setzt sich für die Hilfen nach SGB XII zusammen aus einem Grundbetrag des Zweifachen der Regelbedarfsstufe 1 (am 1. Januar 2023: 502,– Euro), den tatsächlichen Kosten der Unterkunft, soweit diese angemessen sind, und einem Familienzuschlag von 70 % der Regelbedarfsstufe 1 jeweils für den/die nicht getrennt lebende/n Lebenspartner/in und jedes der zu unterhaltenden Kinder. Für alle besonderen Hilfearten nach Kap. 5 – 9 SGB XII gilt die gleiche Einkommensgrenze (§ 85 SGB XII).

Soweit das zu berücksichtigende Einkommen die Einkommensgrenze übersteigt, ist das Aufbringen der Mittel in angemessenem Umfang zumutbar. Die Zumutbarkeit hängt in dem Fall entscheidend von der Art und Schwere der Behinderung bzw. Pflegebedürftigkeit sowie vom Umfang der Leistungen ab (§ 87 Absatz 1 SGB XII). Aber auch wenn das Einkommen die Grenze nicht übersteigt, kann das Aufbringen der finanziellen Mittel von den Antragstellenden gefordert werden, beispielsweis wenn zur Deckung des Bedarfs nur geringfügige Mittel erforderlich sind. Den Einsatz des Einkommens regeln §§ 87, 88, 89 SGB XII.

Einkommengrenzen bei der Beantragung von Eingliederungshilfeleistungen nach SGB IX

Im SGB IX wird allein das Einkommen des/der volljährigen Antragstellenden zugrunde gelegt. Das Einkommen der Eltern spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle. Die Einkommensgrenze wird von Studierenden nur in wenigen Ausnahmefällen überschritten werden. Die Regelungen zu den Einkommensgrenzen finden sich in §§ 135 - 138 SGB IX.

Einsatz der eigenen Arbeitskraft: Grenzen der Zumutbarkeit

Grundsätzlich verlangt der Nachrang der Sozialleistungen nach SGB II und SGB XII die Prüfung, ob die Antragstellenden den begehrten Bedarf zum laufenden Lebensunterhalt nicht ganz oder teilweise durch Einsatz der eigenen Arbeitskraft – insbesondere in den Semesterferien – decken können. Dafür kommen grundsätzlich alle Gelegenheitsarbeiten in Betracht, die von Studierenden üblicherweise ausgeübt werden. Voraussetzung ist allerdings, dass die Ausübung einer Arbeit zumutbar ist.

Wichtig: Bei Vorliegen einer Behinderung, einer Krankheit, bei Kindererziehung oder bei einer Schwangerschaft können Situationen eintreten, in denen eine Erwerbstätigkeit neben dem Studium nicht möglich oder nicht zumutbar ist.

Informations- und Beratungsstelle Studium und Behinderung (IBS)

Tel.: +49 30 297727-64