Vortrag von Achim Meyer auf der Heyde,Generalsekretär des Deutschen Studentenwerks.
Sehr geehrte Kanzlerinnen, sehr geehrte Kanzler,
Hochschulservice 4.0: Sie haben sich da ein regelrechtes Mega-Thema vorgenommen!
Industrie 4.0, Hochschule 4.0, eGovernment, eBAföG, „digitale Transformation“, „Digitale Agenda“ – die Digitalisierung macht vor kaum einem Bereich unseres Lebens Halt, erst recht nicht vor den Hochschulen, und auch nicht vor den Studentenwerken.
Wir sind mitten auf dem Weg in die digitale Wertschöpfungsökonomie und in die digitale Wissensgesellschaft.
Beim diesjährigen IT-Gipfel der Bundesregierung Mitte November in Saarbrücken wird digitale Bildung das Hauptthema sein! Wir dürfen gespannt sein, was einerseits die Bundesregierung, was andererseits die Länder vorhaben – und wie sich föderal-freundlich miteinander abstimmen.
Ich brauche Ihnen die Leistungen der Studentenwerke kaum in extenso vorstellen. Viele von Ihnen sind in den Verwaltungsräten der Studentenwerke aktiv, teilweise auch als Vorsitzende – und unabhängig davon sind Sie als Hochschulkanzlerinnen und -kanzler strategisch wichtige Partner der Studentenwerke.
Auf Verbandsebene, also bei uns im Deutschen Studentenwerk, arbeiten Kanzlerinnen und Kanzler – praktisch aller Hochschultypen – mit Geschäftsführerinnen und Geschäftsführern von Studentenwerken in einem gemeinsamen Arbeitskreis zusammen.
Man könnte aus der Sicht unserer gemeinsamen Zielgruppe, also aus Sicht der Studierenden, diesen Dreisprung formulieren:
Hochschulservice 4.0 = Hochschule 4.0 = Studentenwerk 4.0
Digitalisierte Hochschul- und digitalisierte Studentenwerks-Services richten sich an die gleiche, an die eine Zielgruppe: Studierende!
Studierende unterscheiden auf dem Campus nicht erst, wer institutionell der Anbieter einer digitalen Dienstleistung oder Information ist. Hautsache, ich bekomme sofort die Info auf mein Smartphone oder Tablet…
Und: Studierende sind Digital Natives.
Wir haben für diese Tagung bei den Studentenwerken eine kleine, nicht-repräsentative Abfrage gemacht: nach den „gemeinsamen und komplementären Serviceangebote Hochschule – Studentenwerk“. die ASten und Studierenden-Räte vernachlässige ich hier, aber sie sind auch ein „Digital Player“ auf dem Campus.
Aus den Ergebnissen einige Praxisbeispiele
Zwei weitere Beispiele, diese jedoch von Universitäten:
Ich würde diese fünf Beispiele sicher den „gemeinsamen“ Serviceangeboten von Hochschulen und Studentenwerken zurechnen.
Sehr vieles, was die Studentenwerke online für die Studierenden anbieten, ist inzwischen so eingeführt, so selbstverständlich, dass man es vielleicht auf den ersten Blick gar nicht mehr als gemeinsamen Service von Hochschule und Studentenwerk erkennt.
Zu diesem „digitalen Mainstream“, der auch auf der engen räumlichen Verflechtung von Hochschulen und Studentenwerken basiert, zähle ich summarisch:
Es gelang, während der Erhebungsphase diesen Sommer, auch dank der Unterstützung der Hochschulen, über Facebook 650.000 Studierende zu erreichen.
Danke an dieser Stelle ausdrücklichen allen Hochschulen, die unsere 21. Sozialerhebung auf ihren Facebook-Seiten beworben haben!
Ich komme zu Online-Services von Studentenwerken, die wohl zwischen „komplementär“ und „solitär“ changieren:
Die Digitalisierung hat enormes Potenzial – und zwar für alle Beteiligten: die Hochschulen, uns Studentenwerke, und nicht zuletzt für die Studierenden selbst. Ich meine gar nicht in erster Linie die Lehre. Ich meine die flankierenden Dienstleistungen.
Natürlich müssen wir den Datenschutz beachten. Natürlich muss die Barrierefreiheit von Anfang mitgedacht und realisiert werden, Stichwort Studierende mit Behinderung, vor allem mit sensorischen Beeinträchtigungen.
Natürlich müssen wir beim Thema Digitalisierung mit Verstand und gesunder Skepsis ran. Aber ich bleibe dabei: Hochschulservices 4.0 können
Ich möchte Ihnen ein Beispiel vorstellen, das aus meiner Sicht enormes strategisches Potenzial hat: unser Pilotprojekt „Europäischer Studierendenausweis“
Wir sind als Deutsches Studentenwerk seit September 2016 an einer zweijährigen EU-Machbarkeitsstudie beteiligt. Es soll ein digitaler Europäischer Studierendenausweis entwickelt werden.
Er soll
Geplant ist ein einfacher digitaler Nachweis des Studierendenstatus, der dann den Zugang zu vielfältigen Dienstleistungen für Studierende ermöglicht, die von Hochschulen und Studentenwerken angeboten werden.
Das Ganze läuft über eine Online-Plattform, und weil unsere französische Partnerorganisation CNOUS bei dem Projekt die Federführung hat, soll die Plattform erst in Strasbourg und Besancon, dann auch in Karlsruhe, Mailand und Dublin getestet werden.
Das CNOUS ist der Dachverband der französischen Studentenwerke.
Unser Plan ist: Die Hochschulen entscheiden selbst, ob sie einen europäischen Studierendenausweis vergeben, und sich somit am System beteiligen möchten.
Die teilnehmenden Hochschulen ersetzen den bisherigen Studierendenausweis nicht, sondern legen bei Immatrikulation und Rückmeldung eine digitale Identität für alle Studierenden an, in der lediglich Name, Hochschule und Gültigkeitsdauer des Studierendenstatus enthalten sind.
Dann entscheidet die Studentin oder der Student selbst, ob dieser Account freigeschaltet wird für den Ausweis.
Ich sehe für die Hochschulen großes Potenzial: Langfristig kann die Administration von Studienleistungen digital und grenzüberschreitend in einer Cloud ge-managed werden. Und die Studierenden profitieren von einem nahtlosen Service, das wäre Hochschulservice 4.0. Interessierte Hochschulen können jederzeit in das fertig entwickelte System einsteigen.
Die Hochschulrektorenkonferenz ist als assoziierter Partner in die weitere Entwicklung des Projekts eingebunden. Die HRK ist insbesondere verantwortlich für die Bekanntmachung des Projekts und die Einbindung der Hochschulen in Deutschland.
In den kommenden zwei Jahren werden wir die Ergebnisse begutachten können.
Was lernen wir?
Die Studierenden wollen in der Bibliothek wissen, was es in der Mensa zu essen gibt; sie wollen in der Mensa wissen, was an der Hochschule läuft, sie wollen auf einer Website rasch die gesuchte Information finden: Wo ist das Prüfungsbüro? Wann ist die Sprechstunde? Was gibt’s in der Mensa? Was macht meine Online-Bewerbung auf einen Wohnheimplatz?
Haben wir, haben Hochschulen und Studentenwerke eine gemeinsame Digitalisierungsstrategie für das, was ich mit einem zugegeben altmodischen Begriff „Lebenswelt Hochschule“ nennen?
Haben wir überhaupt die technischen, die infrastrukturellen Voraussetzungen dafür? Anders, positiv gefragt: Gilt es hier nicht, das strategische Potenzial gemeinsamer Lösungen zu heben?
Ich weiß um die Komplexität, um die Heterogenität von IT-Infrastrukturen, um die Schwierigkeit, IT-technisch auch nur eine Sprache zu sprechen. Das Beispiel eBAföG, also ein durchgehend digitalisiertes Verfahren für das BAföG, zeigt ja, wie schwierig allein die Koordination zwischen 16 Bundesländern ist – von rund 400 Hochschulen in Deutschland ganz zu schweigen…
Wir kennen auch die Bedenken von Studierenden gegenüber einer Karte, „die alles kann“, also Studierendenausweis, Bibliothek, Mensa, Rechenzentrum usw. Diese Bedenken müssen wir ernst nehmen.
Datenschutz ist ein berechtigtes Anliegen, wenn man die Digitalisierung des Hochschulservice betreibt. Es muss aber möglich sein, datenschutz-sichere Lösungen zu entwickeln, und das ist nachgerade eine originäre Gemeinschaftsaufgabe von Hochschulkanzlern und Studentenwerken.
Kurz: Die Lebenswelt Hochschule benötigt eine Digitalisierung aus einem Guss
Mein Petitum an Sie: Beziehen Sie „Ihr“ Studentenwerk überall dort ein, wo es mit seinen Angeboten für die Studierenden Ihrer Hochschule wichtig ist. Ja, Digitalisierung ist derzeit ein Mega-Trend.
Wir müssen längst nicht alles machen, wozu uns die großen Internetkonzerne bzw. die Industrie und deren Think-Tanks raten. Wir müssen abwägen, was gut ist. Aber wir sollten dort, wo es um wichtige Dienstleistungen für Studierende geht, die „Lebenswelt Hochschule 4.0“ vorantreiben. Gemeinsam.