Beantragung von Leistungen nach SGB II und SGB XII: Anspruchsvoraussetzungen - Zuständigkeiten - Rechtsdurchsetzung

Wer Leistungen des Sozialgesetzbuches beantragen will, sollte über einige Grundprinzipien der Leistungsgewährung informiert sein.

Grundprinzipien der Leistungsgewährung

Leistungen der Sozialhilfe (SGB XII) oder Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II) werden nur erbracht, wenn eigenes Vermögen und Einkommen oder Zuwendungen Dritter nicht ausreichen, um die notwendig anfallenden Kosten zu decken. Sozialleistungen sind nachrangig und werden in der Regel nicht für vergangene Notlagen bewilligt. Zur Sozialhilfe gehören u.a.: Hilfe zum Lebensunterhalt, Grundsicherung wegen voller Erwerbsminderung, Eingliederungshilfe für behinderte Menschen und Hilfe zur Pflege.
Grundprinzipien der Leistungserbringung nach SGB II und SGB XII

Erwerbsfähigkeit

Erwerbsfähig: SGB II

Nur „erwerbsfähige“ Studierende, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben, fallen unter die Bestimmungen des SGB II. Dabei ist es unerheblich, dass Studierende aufgrund ihres Studiums in der Regel gar nicht in der beschriebenen Art erwerbstätig sind oder sein können. Wer erwerbsfähig ist, wird gesetzlich (§ 8 Abs. 1 SGB II) wie folgt festgelegt:

„Erwerbsfähig ist, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein“.

Bereits diejenigen sind als erwerbsfähig anzusehen, die die Voraussetzungen einer vollen Erwerbsminderung nicht erfüllen. Als „absehbare Zeit“ ist ein Zeitraum von sechs Monaten (bzw. 26 Wochen) anzusehen. Demnach ist auch erwerbsfähig, wer die gesundheitlichen Voraussetzungen innerhalb von sechs Monaten erfüllen wird. Die Agentur für Arbeit entscheidet über das Vorliegen der Erwerbsfähigkeit (§ 44a Abs. 1 SGB II), ist aber ggf. an . Studierende mit Behinderungen und chronischen Krankheiten gelten nach dieser Definition i. d. R. als „erwerbsfähig“ und fallen unter die Bestimmungen des SGB II. Das gilt auch für Studierende, deren stationärer Krankenhausaufenthalt voraussichtlich nicht länger als sechs Monate andauert (§ 7 Abs. 4 Satz 3 SGB II).

Nicht erwerbsfähig: SGB XII

Wer gemäß Definition nicht erwerbsfähig ist, hat unter Umständen Anspruch auf Leistungen zum Lebensunterhalt gemäß SGB XII („Sozialhilfe“).

Menschen, die aufgrund von Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit – d. h. länger als sechs Monate – nicht im Stande sind, mindestens drei Stunden täglich unter üblichen Bedingungen einer Arbeit nachzugehen, sind nicht erwerbsfähig im Sinne des SGB II. Ist das der Fall, ist weiter zu prüfen, ob eine volle Erwerbsminderung im Sinne des SGB VI vorliegt.

„Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein.“ (§ 43 Abs. 2 SGB VI)

Man unterscheidet zwischen Antragstellenden, die auf Dauer voll erwerbsgemindert sind und solchen, die lediglich vorübergehend voll erwerbsgemindert sind. Studierende, die vorübergehend oder auf Dauer „voll erwerbsgemindert“ sind, erhalten – sofern die Grundvoraussetzungen zum Bezug erfüllt sind – statt Leistungen des SGB II Sozialhilfe nach dem 3. oder 4. Kapitel des SGB XII oder Sozialgeld, wenn sie mit „erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in einer Bedarfsgemeinschaft leben“ (§ 7 SGB II).

Die Erwerbsfähigkeit der Antragsteller und Antragstellerinnen wird von der Agentur für Arbeit festgestellt (§ 44a SGB II). Eine entsprechende Prüfung wird nur dann eingeleitet, wenn hinreichende Anhaltspunkte vorliegen, die es wahrscheinlich erscheinen lassen, dass der Antragsteller oder die Antragstellerin medizinisch bedingt dauerhaft voll erwerbsgemindert ist. Indizien dafür können entsprechende Atteste des Hausarztes oder Facharztes bzw. eine amtsärztliche Feststellung liefern. Entgegen der allgemeinen Verwaltungspraxis lässt die Zuordnung zu einer Pflegestufe im Sinne des SGB XI keine zwingenden Rückschlüsse auf die Erwerbsfähigkeit eines Menschen mit Behinderungen zu.

Feststellung der Hilfebedürftigkeit

Eigenes Vermögen - eigenes Einkommen - eigene Arbeitskraft

Vor der Bewilligung von Kostenübernahmen bzw. Unterhaltszahlungen wird das Vermögen und Einkommen der Antragstellenden geprüft.
Schonvermögen - Schoneinkommen - eigene Arbeitskraft

Vermögen und Einkommen enger Angehöriger

Vor der Bewilligung von Kostenübernahmen bzw. Unterhaltszahlungen wird auch das Vermögen und Einkommen enger Angehörigen der Antragstellenden geprüft.

Wohn- und Haushaltsgemeinschaften

Vor der Bewilligung von Kostenübernahmen bzw. Unterhaltszahlungen wird eine mögliche Bedarfsdeckung durch Dritte geprüft.  

Leistungsträger

Vor Antragstellung sollten örtliche und sachliche Zuständigkeit der Leistungsträger geprüft werden.

Leistungserbringung

Leistungen nach SGB II und SGB XII werden überwiegend als Zuschüsse, ausnahmsweise als Darlehen erbracht. Kostenersatz droht bei fahrlässigem Verhalten und Falschauskünften.

Rechtsdurchsetzung

Wenn Anträge auf Sozialleistungen abgelehnt werden, kann Widerspruch eingelegt und Klage eingereicht werden. 

Beratung

Zu den Aufgaben der Sozialleistungsträger gehört es u.a. auch, die Antragstellenden umfassend zu beraten und ggf. bei der Geltendmachung vorhandener Ansprüche anderen Stellen gegenüber zu unterstützen (§ 4 SGB II/§ 11 SGB XII). Studierende haben darüber hinaus die Möglichkeit, die Beratungsangebote der Sozialberatungsstellen der örtlich zuständigen Studierendenwerke, die es an vielen Orten gibt, in Anspruch zu nehmen.

Zur Vorabinformation: Durchführungshinweise der Agentur für Arbeit zum SGB II für die Umsetzung in den Jobcentern finden Interessierte über die Seite des RA Harald Thomé: https://harald-thome.de/informationen/sgb-ii-dienstanweisungen.html.