Studienwahl mit Beeinträchtigung: kommentierter Überblick

Beeinträchtigte Studieninteressierte haben häufiger als andere eine vom Üblichen abweichende Ausbildungsbiografie. Manche sind unsicher, ob ihre Vorbildung für den Wunschstudiengang ausreicht. Andere suchen wegen ihrer Beeinträchtigungen nach Alternativen zum Vollzeit-Präsenz-Studiengang. Ein kommentierter Kurzüberblick über das Studiensystem soll bei der Orientierung helfen.

Ist die grundsätzliche Entscheidung zugunsten eines Studiums gefallen, stehen verschiedene Hochschularten und diverse Studiengänge zur Wahl. Interessierte sollten sich einen umfassenden Überblick über die unterschiedlichen Studienangebote verschaffen und sie miteinander vergleichen. Der nachstehende Überblick über die Grundstrukturen des Studiensystems dient der Orientierung. Er kann eine individuelle Informationsrecherche und persönliche Fachberatung nicht ersetzen.

Hochschularten

In Deutschland sind die meisten Studierenden an staatlichen und staatlich anerkannten Hochschulen immatrikuliert. Daneben gibt es kirchliche und private Hochschulen. Man unterscheidet:

  • Universitäten (inklusive Technischer Universitäten, Medizinischer Hochschulen, Theologischer Hochschulen und Pädagogischer Hochschulen in Baden-Württemberg) mit enger Verbindung von Forschung und Lehre; Promotionsrecht
  • Hochschulen für Kunst, Musik, Theater, Film und Fernsehen (stark praxisorientiert)
  • Fachhochschulen oder Hochschulen für angewandte Wissenschaften mit eher anwendungsorientiertem, wissenschaftlichem Ansatz. Fachhochschulen berücksichtigen Belange von berufserfahrenen Studierenden ohne Abitur. Häufig sind Praxisanteile in den Studienverlauf integriert.

Wichtig: Studierende mit Beeinträchtigungen sind in allen Hochschularten vertreten. Alle Hochschulen müssen die Belange behinderter Studierender berücksichtigen.

Hochschulzugangsberechtigungen

Allgemeine Hochschulreife – Fachhochschulreife – Fachgebundene Hochschulreife

Die Art der Hochschulzugangsberechtigung entscheidet in der Regel darüber, an welchen Hochschulen und für welche Fächer eine Bewerbung möglich ist.

  • Für Studieninteressierte mit allgemeiner Hochschulreife gibt es grundsätzlich keine Einschränkungen bei der Wahl von Studiengang und Hochschule.
  • Die Fachhochschulreife berechtigt in der Regel zum Studium an Fachhochschulen und Berufsakademien, in einigen Ländern auch zum Bachelor-Studium an Universitäten.
  • Mit der fachgebundenen Hochschulreife können Fächer einer bestimmten Fachrichtung an allen Hochschulen studiert werden.

Neben der jeweils geforderten Hochschulzugangsberechtigung gelten teilweise zusätzliche Zugangsvoraussetzungen, beispielsweise abgeschlossene Praktika oder Fremdsprachenkenntnisse eines bestimmten Niveaus für eine Studienaufnahme.

Ein Studium an einer Kunst- und Musikhochschule oder im Fach Sport setzt vielfach eine bestandene Aufnahmeprüfung voraus. Besondere Regelungen gibt es für Bewerber*innen, die ihre Hochschulreife im Ausland erworben haben.

Wichtig : Die geforderten Zugangsvoraussetzungen gelten grundsätzlich auch für Studieninteressierte mit Behinderungen und chronischen Krankheiten. Falls zusätzliche besondere Zugangsvoraussetzungen im Einzelfall aus beeinträchtigungsbedingten Gründen nicht wie gefordert zu erfüllen sind, sollte es möglich sein, diese im Rahmen von Nachteilsausgleichen zu modifizieren

Für die Hochschulzulassung spielt es im Übrigen keine Rolle, ob die jeweilige schulische Hochschulreife auf dem direkten, dem so genannten „Ersten Bildungsweg“, erlangt wurde, oder „nachträglich“ nach abgeschlossener Berufsausbildung über den so genannten „Zweiten Bildungsweg“.

Studieren ohne schulische Hochschulzugangsberechtigung

Auch ohne eine schulisch erworbene Hochschulzugangsberechtigung ist ein Studium unter bestimmten Voraussetzungen möglich.

(Künstlerische) Hochbegabung

Menschen, die in einem bestimmten Gebiet besonders begabt sind, im Übrigen aber die Anforderungen zum Erwerb einer Hochschulreife nicht erfüllen, können zu bestimmten Fächern, nach Bestehen einer Begabtenprüfung zugelassen werden. Seit langem ist dies in musischen und künstlerischen Studiengängen möglich.

Qualifizierung durch Berufstätigkeit

Beruflich Qualifizierte, die nicht über eine schulische Hochschulzugangsberechtigung verfügen, haben trotzdem die Möglichkeit zu studieren.

Zu unterscheiden sind dabei der fachgebundene Hochschulzugang für beruflich Qualifizierte mit abgeschlossener Berufsausbildung und mehrjähriger Berufspraxis und die Allgemeine Hochschulzugangsberechtigung für Inhaber*innen beruflicher Aufstiegsfortbildungen, wie beispielsweise Meister, Techniker oder Fachwirte.

Im ersten Fall kommen nur Studiengänge in Frage, die eng mit dem eigenen Beruf verbunden sind. Im zweiten Fall stehen den Bewerbern und Bewerberinnen grundsätzlich alle Studiengänge offen. Teilweise gibt es außerdem die Möglichkeit, beruflich Qualifizierte ohne Aufstiegsfortbildung über eine erfolgreich absolvierte Zulassungsprüfung zu einem nicht-fachgebundenen Studiengang zuzulassen.

Die Bestimmungen, die den Hochschulzugang für beruflich Qualifizierte regeln und damit auch ein Studieren ohne Abitur ermöglichen, sind in den Hochschulgesetzen und Rechtsverordnungen der Bundesländer festgelegt. Die Regelungen variieren. Interessierte sollten sich stets vor Ort informieren.

Wichtig: Studierende ohne Abitur werden häufig durch spezielle Stipendien für den Lebensunterhalt gefördert. Ein Studieninteressierter, der bisher berufstätig war und aufgrund seiner Behinderung auf Hilfsmittel oder Assistenz angewiesen ist, wird jedoch große Schwierigkeiten haben, von staatlichen Stellen die zur Deckung dieser Bedarfe notwendigen Mittel für ein Studium zu bekommen.

Studienformen

Wichtig: Studienfächer können, in Abhängigkeit der eigenen besonderen Lebenssituation, in unterschiedlicher Form studiert werden.

Vollzeitstudium

Die große Mehrheit der Studierenden studiert im Vollzeitstudium. In diesem Fall beträgt die Regelstudienzeit bei Bachelor-Studiengängen sechs bis acht Semester und bei Master-Studiengängen zwei bis vier Semester.
Wichtig: Auch Studierende mit Behinderungen und chronischen Krankheiten sind in der Regel im Vollzeitstudium eingeschrieben. Daran ändert sich auch nichts, wenn sie in Folge ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigungen langsamer studieren und einen individuellen Studienplan verabreden („faktisches Teilzeitstudium“).

Teilzeitstudium

Manche Studiengänge sind so konzipiert, dass man sie auch als reguläres Teilzeitstudium absolvieren kann. Die Regelstudienzeiten sind entsprechend länger. Diese Studienform wird insbesondere von Studierenden genutzt, die neben dem Studium berufstätig bleiben oder Betreuungsaufgaben für Kinder oder pflegebedürftige Angehörige übernehmen.

Wichtig: Für Studierende mit Behinderungen und chronischen Krankheiten kann ein Teilzeitstudium im Einzelfall eine Alternative zum Vollzeitstudium sein, beispielsweise für die Zeit des Wiedereinstiegs nach einem längeren Krankenhausaufenthalt (für zwei Semester). Studieninteressierte und Studierende sollten sich bewusst sein, dass sich das Studium sehr stark verlängert und BAföG für reguläre Teilzeitstudiengänge nicht zur Verfügung steht. Allerdings besteht in diesem Fall die Möglichkeit, stattdessen Bürgergeld nach SGB II zur Sicherung des Lebensunterhalts zu beantragen. In vielen Fällen ist es sinnvoller, individuelle Anpassungen des Studienplans im Rahmen des Vollzeitstudiums zu realisieren, dann BAföG-gefördert.

Duales Studium

Berufsakademien und Duale Hochschulen, die in einigen Bundesländern existieren, verbinden in ihren Ausbildungsgängen Elemente eines Studiums mit einer betrieblichen Ausbildung. Interessenten einer derartigen Ausbildung müssen sich sowohl an der Hochschule um einen Studienplatz bewerben als auch bei einem Unternehmen um einen Ausbildungsplatz. Das Studium ist so organisiert, dass sich Phasen an der Hochschule und im Betrieb abwechseln. Die Studierenden erhalten sehr häufig eine Ausbildungsvergütung, die den Lebensunterhalt deckt, und werden häufig nach dem Studium vom Ausbildungsbetrieb übernommen.

Wichtig: Studierende, die beeinträchtigungsbedingt auf Assistenzen oder technische Hilfen angewiesen sind, sollten frühzeitig klären, welcher Leistungsträger für die Kostenübernahme in den einzelnen Ausbildungsphasen zuständig ist.

Fernstudium

Als Alternative zum Präsenzstudium bietet das Fernstudium die Möglichkeit, Lernort, Lernzeit und Lerngeschwindigkeit weitgehend selber zu bestimmen. In der Regel sind nur einige wenige und zeitlich begrenzte gemeinsame Aufenthalte für Praktika, Blockseminare und Prüfungen in den Studienzentren vorgesehen. Die Inhalte werden als Studienbriefe oder Skripte schriftlich aufbereitet und den Studierenden auf dem Postweg zugesandt. Die Kommunikation mit Verwaltung, Lehrenden und Mitstudierenden und das Lernen erfolgt über gemeinsame virtuelle Plattformen.

Nach wie vor ist die FernUniversität Hagen die einzige staatliche Fernuniversität Deutschlands mit entsprechend breitem Spektrum an grundständigen und an Ergänzungs- und Aufbaustudiengängen.
Sie berücksichtigt die Belange behinderter Studierender und hat spezielle Kursangebote für blinde und sehbehinderte Studierende. Daneben bieten eine Reihe von Hochschulen und Fachhochschulen – teilweise im regionalen Verbund – Fernstudiengänge an. Das Spektrum hat sich in den letzten Jahren stark erweitert, auch durch die Angebote vieler privater Hochschulen. Interessierte sollten sich über das Angebot vorab ausführlich informieren insbesondere über die Kosten für die Studiengänge.

Für grundständige Studiengänge gelten dabei generell dieselben Zulassungsvoraussetzungen wie bei allen Präsenzhochschulen. Fernstudiengänge sind unter bestimmten Voraussetzungen BAföG-förderungsfähig.

Wichtig: Viele Studierende mit Behinderungen und chronischen Krankheiten schätzen die Gestaltungsfreiheiten eines Fernstudiums. Allerdings sollten die Chancen und Einschränkungen dieser Studienform vor einer Entscheidung genau abgewogen werden. Der fehlende persönliche Austausch ist im Fernstudium trotz Einsatz von Lernplattformen und sozialen Netzwerken nicht immer auszugleichen. Es ist ein hohes Maß an Selbstdisziplin erforderlich, um zu einem erfolgreichen Studienabschluss zu kommen.

Studienabschlüsse

Der Studienabschluss richtet sich nach dem gewählten Studiengang und der damit verbundenen Prüfung. Das Studium kann mit einer Hochschulprüfung und der Verleihung eines akademischen Grads wie Bachelor oder Master (alternativ: Magister), einer Staatsprüfung mit Erlangung des Staatsexamens oder einer anderen, beispielsweise kirchlichen oder künstlerischen Prüfung abgeschlossen werden. In den „auslaufenden“ Studiengängen mit nur noch wenigen Studierenden in hohen Semestern werden noch die Abschlüsse Diplom und Magister verliehen.

Studiengänge: grundständig oder weiterführend

Die Unterscheidung in grundständige und weiterführende Studiengänge hat durch die Einführung des Bachelor-/Master-Studiensystems stark an Bedeutung gewonnen. Bis zur Umsetzung der Bologna-Reform traten die meisten Studierenden nach ihrem ersten Studienabschluss - Diplom, Magister oder Staatsexamen - ins Arbeitsleben ein. Eine spätere Rückkehr an die Hochschule für ein weiteres Studium oder eine Promotion war eher unüblich.

Heute existiert dagegen – mit Ausnahme der Staatsexamensstudiengänge – ein dreistufiges Studiensystem, das zudem deutlich flexibler angelegt ist. Die erste Studienphase dauert gemäß Regelstudienzeit mindestens drei und höchstens vier Jahre und schließt mit dem Abschluss des Bachelor ab. Die zweite Stufe bildet das ein- bis zweijährige Master-Studium, woran sich die dritte Stufe der Promotion anschließen kann.

Bachelor- und Staatsexamens-Studiengänge: „grundständig“

Bachelor-Studiengänge sind grundständige Studiengänge und führen zu einem ersten berufsqualifizierenden Abschluss. Staatsexamensstudiengänge und auslaufende Diplom- und Magister-Studiengänge gehören ebenfalls zu den grundständigen Studiengängen.

Master-Studiengänge: „weiterführend“

Master-Studiengänge sind weiterführende Studiengänge und setzen in der Regel einen ersten berufsqualifizierenden Hochschulabschluss voraus, also beispielsweise den Bachelor. Sie führen zu einem weiteren berufsqualifizierenden Studienabschluss. Man unterscheidet zwischen konsekutiven und weiterbildenden Master-Studiengängen.

  • Konsekutive Master-Studiengänge
    Konsekutive Master-Studiengänge setzen keine Berufspraxis voraus. Sie sind als vertiefende, verbreiternde oder fachübergreifende Studiengänge konzipiert. Sie können sowohl forschungsorientiert ausgerichtet sein als auch die praktische Anwendung in den Vordergrund stellen. Mehrheitlich schließt das Studium eines konsekutiven Master-Studiengangs zeitlich unmittelbar an das Bachelorstudium an. Möglich ist aber auch eine spätere Studienaufnahme.
     
  • Weiterbildende Master-Studiengänge
    Weiterbildende Master-Studiengänge setzen in der Regel mindestens ein Jahr qualifizierte berufspraktische Erfahrung nach dem ersten Hochschulabschluss voraus. An diese Erfahrung knüpft das Ausbildungskonzept an und stellt Bezüge zu bestimmten beruflichen Praxisfeldern her.

Unterschiedliche Ausbildungsbiographien sind möglich

Bachelor und Master können an unterschiedlichen Hochschulen und Hochschultypen erworben werden. Wer direkt im Anschluss an den Bachelor in ein Master-Studium einsteigen will, bewirbt sich für einen konsekutiven Master-Studiengang. Wer nach dem Bachelor-Studium in den Beruf einsteigt und den weiterführenden Studiengang später einplant, hat die Wahl zwischen konsekutiven und weiterbildenden Master-Studiengängen. Nach Abschluss eines Master- oder Staatsexamens-Studiengangs kann sich die Promotion anschließen.