Darlehen in besonderen Härtefällen nach § 27 SGB II

In außergewöhnlichen Härtefällen können ausnahmsweise auch Studierende Leistungen zum laufenden Lebensunterhalt nach dem Sozialgesetzbuch 2. Buch (SGB II) beziehen. Diese Leistungen müssen allerdings zurückgezahlt werden.

Ein besonderer Härtefall liegt vor, wenn außergewöhnliche, schwerwiegende, atypische und möglichst nicht selbst verschuldete Umstände einen zügigen Ausbildungsverlauf verhindern oder eine sonstige Notlage hervorgerufen haben.

Eine besondere Härte liegt auch vor, wenn Studierende ohne die unterhaltssichernden Leistungen nach dem 2. Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in eine existenzbedrohende Notlage gerieten, die sie wahrscheinlich auch nicht durch Unterbrechung der Ausbildung und Aufnahme einer Erwerbstätigkeit beseitigen könnten. Es zählt entscheidend die Besonderheit des Einzelfalls.

Anerkannte Härtefälle

Besondere Härtefälle können sein:

  • Unmittelbar bevorstehender Studienabschluss
    Ein besonderer Härtefall kann angenommen werden, wenn mittellose Studierende sich in der akuten Phase des Abschlussexamens befinden oder der Abschluss des Studiums „unmittelbar“ bevorsteht. Nach der Interpretation der Verwaltungsgerichte gilt das allgemeine Prinzip: Je fortgeschrittener die Ausbildung bereits ist, desto größer die Härte, die ein Abbruch der Ausbildung bedeuten würde. Vorrangig sind alle Härtefallregelungen nach dem BAföG auszuschöpfen.
     
  • Gefahr der andauernden Erwerbslosigkeit
    Ein besonderer Härtefall kann dann vorliegen, wenn es Studierenden mit Behinderungen und chronischen Krankheiten bei Abbruch der Ausbildung langfristig und möglicherweise auf Dauer nicht möglich sein wird, den eigenen Lebensunterhalt durch eine Erwerbstätigkeit ausreichend zu sichern. Gerade für Menschen mit Behinderungen und chronischen Krankheiten ist ein abgeschlossenes Studium häufig wichtige Voraussetzung für eine angemessene Erwerbstätigkeit und erfolgreiche berufliche Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt.
     
  • Behinderungsbedingte Überschreitung von Alters- oder Förderungsgrenzen
    Die Anerkennung eines besonderen Härtefalls ist im Ausnahmefall auch denkbar, wenn das Studium wegen Krankheit oder Behinderung länger dauert, als es durch das BAföG gefördert werden kann, und der erfolgreiche Abschluss wegen fehlender Mittel gefährdet ist. In diesen Fällen ist zunächst noch zu prüfen, ob durch Anwendung der Nachteilsausgleichsregelungen nicht doch BAföG-Leistungen gewährt werden können.
     
  • Keine Möglichkeit der Erwerbstätigkeit neben dem Studium in besonderen Lebenslagen
    Leistungen des BAföG sind – auch unabhängig von behinderungsbedingten Zusatzaufwendungen – häufig nicht bedarfsdeckend. Nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts ist es Auszubildenden an Hochschulen allerdings grundsätzlich zumutbar, durch gelegentliche Nebentätigkeiten den notwendigen Lebensunterhalt im Sinne des SGB II abzudecken, sodass das Vorliegen einer Unterschreitung des Lebensniveaus von ALG-II-Beziehern grundsätzlich nicht ausreicht, einen studentischen Leistungsanspruch gegenüber dem SGB II zu rechtfertigen.
    Dabei geht der Gesetzgeber allerdings vom Regelfall eines „jungen belastbaren Menschen ohne einengende persönliche Verpflichtungen“ aus. Eine „besondere Härtesituation“ kann sich deshalb im Einzelfall schon dadurch ergeben, dass es Studierenden in besonderen Lebenslagen – also beispielsweise wegen Erziehung von Kindern oder Behinderung – nicht möglich oder zumutbar ist, einer Arbeit während des Studiums nachzugehen und ausreichend hinzuzuverdienen.
    In diesen Fällen können unter Umständen ergänzende Darlehensleistungen für Unterkunfts- und Lebenshaltungskosten nach SGB II gezahlt werden.

Eine Liste anerkannter Härtefallgründe ist in den Durchführungshinweisen des SGB II für die Jobcenter enthalten (Link. s.unten)

Nicht anerkannte Härtefälle

Folgende Aspekte begründen in der Regel keinen besonderen Härtefall, auch wenn sie subjektiv als solcher empfunden werden:

  • Ausschluss von BAföG-Leistungen
    Nach überwiegender Auffassung in der Rechtsprechung begründen die meisten der individuellen Ablehnungsgründe im Zusammenhang mit dem BAföG-Ausschluss keinen Anspruch auf Leistungen zum laufenden Lebensunterhalt nach SGB II. Das heißt konkret, dass folgende Gruppen nicht allein deswegen, weil sie vom Leistungsbezug nach BAföG ausgeschlossen sind, Anspruch auf unterhaltssichernde Maßnahmen nach SGB II (oder SGB XII) haben:

     

    • ausländische Studierende, wenn sie nicht die Kriterien nach § 8 BAföG erfüllen,
    • Studierende in nicht BAföG-geförderten Zweitstudiengängen und
    • solche, die bei Studienaufnahme die zulässige Altersgrenze zum Bezug von BAföG oder die im Studium nach Ausschöpfung aller Nachteilsausgleiche die BAföG-Förderungshöchstdauer überschritten haben.
       
  • Wirtschaftliche Gründe
    Ein besonderer Härtefall wird auch nicht anerkannt, wenn allein wirtschaftliche Gründe zum Aufgeben des Studiums zwingen, ohne dass andere schwerwiegende Gründe hinzukommen.

Ermessensspielraum des Amtes

Ob ein besonderer Härtefall vorliegt, hat der Träger im Einzelfall unter pflichtgemäßer Ausübung des ihm eingeräumten Ermessens zu entscheiden (§ 39 SGB I). Der Ermessensspielraum kann sich unter bestimmten Umständen auf Null reduzieren.

Umfang der Leistungen

Werden Leistungen für Studierende nach SGB II in besonderen Härtefällen bewilligt, so umfasst die Hilfe ausschließlich den ausbildungsgeprägten Bedarf, das heißt die pauschalierte Regelleistung zur Deckung des laufenden Lebensunterhalts, die tatsächlichen – jedoch angemessenen – Aufwendungen für Miete, Heizung, Warmwasser-Mehrbedarf und die notwendigen Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung. Diese Leistungen werden ausschließlich als Darlehen zur Verfügung gestellt (§ 27 Abs. 3 SGB II).

Schulden werden seit 1.8.2016, trotz evt. drohender Wohnungslosigkeit, NICHT mehr übernommen.  (Wegfall § 27 Abs. 5 SGB II).

Mehrbedarfe gemäß § 27 Absatz 2 SGB II können zusätzlich beantragt werden. Sie werden grundsätzlich als Zuschuss gezahlt.

Darlehensbezug nach § 27 Abs. 3 SGB II: Voraussetzungen

Darlehen werden gemäß § 42a SGB II nur gewährt, wenn der Bedarf weder durch Vermögen noch auf andere Weise gedeckt werden kann.

Wichtig:  Gemäß der Darlehensregelungen muss das gesamte verwertbare Vermögen aufgebraucht werden, bevor Darlehensleistungen zum Lebensunterhalt nach SGB II bewilligt werden können. Zum verwertbaren Vermögen zählen auch Barvermögen und Kontoguthaben einschließlich der Rücklagen für kleinere Anschaffungen.

Das Darlehen muss erst nach Abschluss der Ausbildung zurückgezahlt werden (§ 42a Abs. 5 SGB II). Über die Rückzahlung soll eine Vereinbarung unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse getroffen werden.

Informationen zur Durchführung

Die Jobcenter orientieren sich bei der Prüfung der Anträge an den Hinweisen zur Durchführung des SGB II der Bundesagentur für Arbeit. Als Antragstellende kann es nützlich sein, diese Vorschriften zu kennen. Zum Thema Härtefalldarlehen sind die Hinweise maßgeblich zu: § 27, Stichpunkte: Härtefalldarlehen und Übergangsdarlehen.

Sonderfall: voll erwerbsgeminderte Studierende

Sind Studierende aufgrund von Krankheit oder Behinderung "voll erwerbsgemindert" (= maximal 3 Stunden pro Tag unter den üblichen Bedingungen arbeitsfähig), beantragen sie in einer Härtefallsituation keine Leistungen nach dem 2. Buch Sozialgesetzbuch sondern nach dem 12. Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII). Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII können als Zuschuss oder Darlehen vergeben werden.

Informations- und Beratungsstelle Studium und Behinderung (IBS)

Tel.: +49 30 297727-64