BAföG: Nachteilsausgleiche für beeinträchtigte Studierende

Besondere Belange behinderter Studierender - dazu gehören auch körperlich bzw. psychisch chronisch kranke und neurodivergente Studierende - werden im BAföG durch verschiedene Nachteilsausgleiche berücksichtigt. Alle Ausgleiche auf einen Blick.

Studierende und Studieninteressierte mit Beeinträchtigung sollten die einschlägigen BAföG-Regelungen kennen, mit denen verschiedene Nachteile kompensiert werden können. Nutzen Sie die Beratung des zuständigen BAföG-Amts!

  1. Überschreiten der Altersgrenze bei Studienbeginn
  2. Zusätzlicher Härtefreibetrag bei Einkommensermittlung
  3. Zusätzlicher Vermögensfreibetrag für behinderte Auszubildende
  4. Förderung über die Förderungshöchstdauer hinaus
  5. Studiengangwechsel aus unabweisbarem Grund
  6. Berücksichtigung einer Behinderung bei der Darlehensrückzahlung

1. Überschreiten der Altersgrenze bei Studienbeginn

Die Altersgrenze kann überschritten werden, wenn

  • Studienbewerber/innen die Hochschulzugangsberechtigung über den zweiten Bildungsweg erworben haben oder
  • eine Behinderung oder Krankheit ein Studium notwendig werden lassen oder
  • eine Behinderung oder Krankheit eine rechtzeitige Studienaufnahme verhindern.

Wichtig: Anspruch auf BAföG haben Bewerber/innen nur dann, wenn sie das Studium unverzüglich nach dem Wegfall der Hinderungsgründe oder dem Eintritt der „Bedürftigkeit“ aufnehmen (§ 10 Absatz 3 Satz 3 BAföG).
Beispiel: Studieninteressierte müssen sich bei längeren Krankenhausaufenthalten umgehend um einen Studienplatz in der gewünschten Fachrichtung bewerben, sobald sie in der Lage sind zu studieren.

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2. Zusätzlicher Härtefreibetrag bei Einkommensermittlung

Bei der Ermittlung des Einkommens der Eltern oder der Ehegatten/eingetragenen Lebenspartner/innen kann ein zusätzlicher Härtefreibetrag berücksichtigt werden, wenn außergewöhnliche Zusatzaufwendungen belegt werden können, die durch eine Behinderung bedingt sind (§ 25 Absatz 6 BAföG).

Dadurch kann sich die Freibetragsgrenze unter Umständen erheblich zugunsten der Antragstellenden verschieben. Berücksichtigt werden nicht nur die Behinderungen der antragstellenden Studierenden, sondern auch die eines Elternteils oder eines anderen unterhaltsberechtigten Familienmitglieds. Trifft das auf mehrere Familienmitglieder zu, erhöht sich der Freibetrag entsprechend.

Die Berücksichtigung außergewöhnlicher Belastungen aufgrund von Aufwendungen für Familienmitglieder mit Behinderungen muss beim Amt für Ausbildungsförderung extra beantragt und ausführlich nachgewiesen werden. Dazu müssen die Eltern oder der Ehegatte/Lebenspartner Folgendes beim Amt für Ausbildungsförderung einreichen:

  • eine „Erklärung über außergewöhnliche Belastungen“ (Den Vordruck gibt es beim zuständigen Amt für Ausbildungsförderung.)
  • eine Kopie des Schwerbehindertenausweises des/der Studierenden oder des Feststellungsbescheids des Versorgungsamts als Nachweis einer Behinderung
  • je nach Einzelfall: zusätzliche Belege

Der Antrag muss vor dem Ende des laufenden Bewilligungszeitraums gestellt werden.

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3. Zusätzlicher Vermögensfreibetrag für Auszubildende

Alleinstehenden Studierenden ohne Kind steht aktuell ein Vermögensfreibetrag von 5.200 Euro zu. In Ausnahmefällen kann man beantragen, dass zur Vermeidung unbilliger Härten ein weiterer Teil des Vermögens nicht auf das BAföG angerechnet wird (§ 29 Absatz 3 BAföG). Dazu zählen unter anderem:

  • Ein angemessenes Kraftfahrzeug, sofern es erforderlich ist, um das Studium durchführen zu können.
    Seit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. Juni 2010 sind Kraftfahrzeuge zwar in der Regel voll als verwertbares Vermögen anzurechnen. Aber gerade Studierende mit Behinderungen können den öffentlichen Nahverkehr oft gar nicht oder nicht ausreichend nutzen. Die Teilhabe am Studium und Hochschulleben ist somit ohne ein eigenes Auto oft gar nicht oder nur eingeschränkt möglich.
    In diesen Fällen – zumal wenn das Auto behindertengerecht umgebaut wurde – kann ein Härtefall angenommen werden.

  • Vermögen, das zur Milderung der Folgen einer körperlichen oder seelischen Behinderung bestimmt ist oder nach einem erlittenen Personenschaden die schädigungsbedingten Aufwendungen in der Zukunft decken soll.

  • Vermögen, mit dem nachweislich ein Hausgrundstück zu Wohnzwecken für behinderte oder pflegebedürftige Menschen von angemessener Größe beschafft oder erhalten werden soll, was durch den Einsatz oder die Verwertung des Vermögens gefährdet würde (Teilziffer 29.3.2 BAföG-Verwaltungsvorschrift).

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4. Förderung über die Förderungshöchstdauer hinaus

Studierende können über die Förderungshöchstdauer hinaus BAföG bekommen, wenn sich das Studium wegen Behinderung (§ 15 Absatz 3, Nummer 5 BAföG) oder aus anderen „schwerwiegenden Gründen“ (§ 15 Absatz 3, Nummer 1 BAföG) verlängert hat. Nach der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum BAföG kann beispielsweise eine schwere Krankheit ein solcher schwerwiegender Grund sein.  
 

Nachweispflichten

Um eine angemessene Verlängerung der BAföG-Förderung zu beantragen, müssen Nachweise erbracht werden für:

  • die Behinderung oder schwere Krankheit selbst
    Das Amt für Ausbildungsförderung akzeptiert Bescheinigungen anderer Stellen, beispielsweise den Feststellungsbescheid des Versorgungsamtes oder den Schwerbehindertenausweis. Diese Nachweise sind aber nicht zwingend erforderlich.
    Andere geeignete Nachweise, beispielsweise fachärztliche Gutachten, sind zulässig. Es muss aber aus ihnen hervorgehen, dass eine Behinderung gemäß der gesetzlich festgelegten Definition vorliegt (§ 2 Absatz 1 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX)). Das ist für jene Studierende wichtig, die keinen Ausweis für schwerbehinderte Menschen beantragen wollen. Schwer erkrankte Studierende haben entsprechende Nachweise zu erbringen.
    Der Nachweis der Behinderung oder schweren Krankheit allein reicht nicht aus, um eine Förderung über die Förderungshöchstdauer hinaus zu beantragen.

  • die Ursächlichkeit der Behinderung oder Krankheit für die Studienzeitverlängerung
    Es muss individuell und konkret nachgewiesen werden, dass sich das Studium gerade aufgrund einer Behinderung/schweren Erkrankung verzögert hat und nicht durch einen davon unabhängigen Lernrückstand.

  •  die Unmöglichkeit oder die Unzumutbarkeit, diese Verzögerung zu verhindern

  •  die tatsächlichen Zeitverluste.

Wichtig: Der Verlängerungs-Antrag muss rechtzeitig gestellt werden, nämlich vor Ende des aktuellen Bewilligungszeitraums.
 

Verzögerungen unbedingt frühzeitig geltend machen

Verzögerungen im Studienverlauf wegen einer Behinderung oder schweren Krankheit sollten vor dem obligatorischen BAföG-Leistungsnachweis geltend gemacht werden. Dieser ist in der Regel am Ende des vierten Semesters dem BAföG-Amt vorzulegen, je nach Prüfungsordnung aber auch schon früher (§ 48 Absatz 1 BAföG).

Das BAföG-Amt kann die Vorlage der entsprechenden Bescheinigung zu einem späteren Zeitpunkt zulassen, wenn Studierende aufgrund einer Behinderung oder schweren Erkrankung nachweislich nicht in der Lage waren, die geforderten Leistungen rechtzeitig zu erbringen. Dafür müssen die Studierenden die Verzögerungsgründe darlegen.
Wenn die Begründung in diesem Fall anerkannt wird und sich der Studienverlauf später wegen der gleichen Umstände weiter verlängert, wird das BAföG-Amt mit hoher Wahrscheinlichkeit einer Verängerung der Förderung über die Höchstdauer hinaus zustimmen.

Wird der Leistungsnachweis dagegen trotz Behinderung fristgerecht erbracht, geht das Amt in der Regel davon aus, dass sich die Behinderung nicht studienzeitverlängernd auswirkt.
Wenn sich nicht nachweisen lässt, dass sich der persönliche Zustand verschlechtert und/oder die Gesamtsituation sich verändert hat, kann diese Tatsache bei einem späteren Antrag auf Verlängerung dann als Indiz dafür gewertet werden, dass das Studium in der Regelstudienzeit hätte abgeschlossen werden können.
In diesem Fall müssen andere Tatsachen vorgetragen und Nachweise erbracht werden, um einen weitergehenden Anspruch zu begründen.

Wichtig: Studierende sollten ihre Leistungsfähigkeit schon in den ersten Semestern realistisch einschätzen und sich gegebenenfalls rechtzeitig um eine angemessene Fristverlängerung bemühen, bevor der obligatorische BAföG-Leistungsnachweis ansteht.
 

Tipp: Es kann hilfreich sein, wenn Studierende ihren Studienverlauf schriftlich dokumentieren. So können sie bei Bedarf behinderungsbedingte Studienverzögerungen nachweisen. Die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen im Studium kann beispielsweise ein wichtiges Indiz sein. Die Dokumentation kann auch im Zusammenhang mit der Befreiung von Langzeitstudiengebühren wichtig werden.
 

Bei Bewilligung: BAföG-Leistungen als Vollzuschuss

Wird dem Antrag stattgegeben, wird BAföG auch über die Förderungshöchstdauer hinaus gezahlt, und zwar für diesen Zeitraum in voller Höhe als Zuschuss (§ 17 Absatz 2, Nummer 2 BAföG).
 

Bei negativem Bescheid: Hilfe zum Studienabschluss

Wird der Antrag abgelehnt, kann immer noch eine Studienabschlussförderung nach BAföG (§ 15 Absatz 3a BAföG) beantragt werden. Dabei handelt es sich um ein Bankdarlehen, das zurückgezahlt werden muss.

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5. Studiengangwechsel aus unabweisbarem Grund

Ein Studiengangwechsel oder Abbruch nach Beginn des vierten Semesters wird nur wie ein erstes Studium gefördert, wenn unabweisbare Gründe vorliegen. Das muss schriftlich begründet werden.
Auch wenn die Fachrichtung innerhalb eines Master-Studiengang gewechselt wird, ist eine Förderung nur noch aus unabweisbarem Grund möglich (§ 7 Absatz 1a Satz 2 BAföG).

Eine eintretende Behinderung oder schwere Erkrankung, die dazu führen, dass die Ausbildung objektiv nicht durchgeführt werden kann und/oder die Ausübung des angestrebten Berufs nicht möglich ist, gelten als unabweisbare Gründe nach § 7 Absatz 3 Satz 1 Nr. 2 BAföG. Nur dann wird BAföG als Normalförderung gezahlt.

Zuerst sollte allerdings geklärt werden, ob es sich bei dem beabsichtigten Wechsel tatsächlich um einen Fachrichtungswechsel handelt oder lediglich um eine Schwerpunktverlagerung. Letztere liegt dann vor,

  • wenn die erbrachten Leistungsnachweise auch in der neuen Studienrichtung voll anerkannt werden und die Studierenden in dasselbe Fachsemester einsteigen oder
  • wenn lediglich Nebenfächer getauscht werden.
     

Wichtig: Der Wechsel muss unverzüglich, das heißt ohne schuldhaftes Zögern, geschehen, beispielsweise wenn der Krankenhausaufenthalt abgeschlossen ist und ein Studium wieder aufgenommen werden kann.

Wegen des drohenden Verlusts des BAföG-Anspruchs sollten sich Studierende unbedingt vor diesem Schritt bei der/dem Behindertenbeauftragten der Hochschule, der Sozialberatungsstelle des Studentenwerks, dem AStA oder anderen kompetenten Stellen beraten lassen.

Tipp: Studierende sollten am besten schriftlich eine Vorabentscheidung gemäß § 46 Absatz 5 BAföG beim Amt für Ausbildungsförderung des örtlichen Studentenwerks beantragen.

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6. Berücksichtigung von Behinderung bei der Darlehensrückzahlung

Hochschulabsolvent/innen mit Behinderungen und chronischen Krankheiten können einen Zahlungsaufschub beantragen, wenn ihr Einkommen bestimmte monatliche Sätze nicht übersteigt (§ 18a Absatz 1 BAföG) oder die BAföG-Förderung noch nicht beendet ist.
Außerdem können sie die Berücksichtigung behinderungsbedingter erhöhter Aufwendungen als zusätzlichen Härtefreibetrag geltend machen (entsprechend § 33b des Einkommenssteuergesetzes). Dadurch erhöht sich der Freibetrag, bis zu dem man von der Rückzahlung freigestellt werden kann. Der Freistellungszeitraum liegt in der Regel bei einem Jahr und kann für maximal vier Monate auch rückwirkend beantragt werden.

Wichtig: Die Freistellung führt nicht zu einem Erlass der Darlehensschuld, sondern ist mit einer zinslosen Stundung zu vergleichen.

Ansprüche des Staates können gestundet, erlassen oder niedergeschlagen werden, wenn eine besondere Härte vorliegt (§ 59 Bundeshaushaltsordnung (BHO) ). Bei der Prüfung wird nicht nur das tatsächliche Einkommen, sondern auch das tatsächliche Vermögen berücksichtigt.
Für die Rückzahlung der verzinslichen Bankdarlehen, beispielsweise der "Hilfe zum Studienabschluss", gelten gesonderten Regelungen (§ 18c BAföG, insbesondere Absatz 6).

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Informations- und Beratungsstelle Studium und Behinderung (IBS)

Tel.: +49 30 297727-64